Trumps erneuter Sieg ist ein schockierender Rückschlag für die Arbeiter*innenklasse, die Armen und Unterdrückten in den USA und weltweit. Neben der Präsidentschaft konnten sich die Republikaner die Mehrheit im Senat sichern. Sie dominieren damit künftig den Kongress, zusätzlich zu ihrer bereits vorhandenen Mehrheit im Obersten Gerichtshof. Auch die Anzahl der abgegebenen Stimmen konnte Trump mit 50,3% für sich gewinnen. Kamala Harris kam auf 48%.
Von Linda Fischer, Hamburg
Die Wahl Trumps ist Ausdruck eines Rechtsrucks in einem Teil der Arbeiter*innenklasse und zeigt gleichzeitig die Ablehnung gegenüber den Demokraten, die wie eh und je treue Vertreter*innen des Establishments sind. Sie finanzieren das Massaker in Gaza. Biden verhinderte einen möglichen Eisenbahn-Streik und hat Abtreibungsrechte zwar in Worten verteidigt, aber niemals konkrete Maßnahmen ergriffen, um das Recht auf Abtreibung gesetzlich zu verankern.
Die Demokraten behaupten, dass es der Wirtschaft gut gehe, während steigende Preise und Mieten dazu geführt haben, dass es fast zwei Dritteln der Erwachsenen in den USA 2023 wirtschaftlich schlechter geht als zuvor und etwa ein Sechstel nicht alle monatlichen Rechnungen bezahlen kann.
Diese Menschen haben mit deutlicher Mehrheit für Trump gestimmt, der versprach, “die Inflation zu beenden”. Es ist unwahrscheinlich, dass Trump dieses und andere Versprechen einhalten wird. Es war ihm aber erneut möglich, sich als Kandidat für den “Wandel” zu präsentieren, während Harris und die Demokraten sich an der Migrationsfrage rechts anbiederten und gleichzeitig keine Antworten auf die wirtschaftlichen Sorgen haben.
Gesellschaftlicher Rechtsruck
Vor der ersten Wahl von Trump 2016 hatte die US-Gesellschaft eine Verschiebung nach links erlebt, z.B. durch Bewegungen wie Occupy Wallstreet und die erste Welle von Black Lives Matter. Politischer Ausdruck davon war die massenhafte Unterstützung für Bernie Sanders, der als offener demokratischer Sozialist “für eine politische Revolution gegen die Milliardärsklasse” eingetreten war. Gewinnen konnte Trump damals nur, weil die Demokraten Hillary Clinton durchdrückten – eine Kandidatin, die für Wall Street, Irak-Krieg und Neoliberalismus stand und noch unbeliebter als Trump war. Sanders, die Gewerkschaften und die meisten Linken folgten der Logik des kleineren Übels, unterstützen Clinton und verpassten damit die Chance des Aufbaus einer klassenkämpferischen, politischen Alternative.
Heute ist die Situation anders. Das gesellschaftliche Klima wird stärker durch die Zuspitzung der imperialistischen Konkurrenz und der Konfrontation zwischen dem US- und dem chinesisch geführten Block beeinflusst. Militarisierung, Nationalismus und Krieg sind die Antworten aller kapitalistischen Regierungen auf die soziale, ökologische und ökonomische Krise des globalisierten Kapitalismus. Bisher hat die Arbeiter*innenbewegung noch keine organisierte Alternative dazu aufbauen können. Das liberale Establishment befindet sich in einer Krise. Die politische Kapitulation von Bernie Sanders hat ein Vakuum auf der Linken hinterlassen. Diese Entwicklungen schaffen zunehmend Raum für den Aufstieg rechter Kräfte und Ideologien.
Das passiert trotz eines deutlichen Aufflammens von Streiks in der Industrie in den USA in den letzten beiden Jahren, von den Arbeiter*innen der UAW (United Auto Workers), die im vergangenen Jahr zum ersten Mal alle drei großen US-Hersteller bestreikten, bis hin zu den Boeing-Maschinenbauer*innen. Viele Arbeiter*innen, auch diejenigen, die gestreikt haben, wählten trotzdem Trump.
Streiks und Bewegungen allein sind keine Garantie dafür, dass Arbeiter*innen linke Einstellungen entwickeln. Ein Programm der Gewerkschaften ist nötig, das erklärt, wie Butter-und-Brot-Fragen untrennbar mit Unterdrückung, Krieg und Kapitalismus verbunden sind. Nötig ist der Kampf für Forderungen, die der gesamten Klasse zu Gute kommen, unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung, Geschlecht: Bezahlbarer Wohnraum für alle, kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung für alle, usw.
Die Entwicklungen sind widersprüchlich. Migrant*innenfeindliche Einstellungen nehmen zu während Abtreibungsrechte weiterhin mehrheitlich unterstützt werden. In sieben Staaten, die für Trump gestimmt haben, stimmten die Wähler*innen gleichzeitig für die Ausweitung reproduktiver Rechte. Die Wähler*innen in Missouri haben einen Mindestlohn von 15 Dollar beschlossen, aber mehrheitlich Trump gewählt.
Wie ist Trump aufgestellt?
Die Trump-Administration 2024 ist organisierter und gefährlicher als 2016. Trumps Agieren ist heute innerhalb der Republikaner weitgehend unumstritten. Er füllt sein Kabinett mit ihm treu ergebenen Mitgliedern. Zehntausende Militärs und Regierungsbeamte sollen mit loyalen Wegbegleiter*innen ausgetauscht werden. Das „Project 2025“ hat zweieinhalb Jahre lang eine Datenbank mit Namen und Qualifikationen solcher Trump-Loyalist*innen aufgebaut.
Er will die Opposition gegen seine Vorhaben klein halten, um Ereignissen wie 2020 vorzubeugen. Damals wollte Trump das Militär gegen Black Lives Matter einsetzen. Die Top-Generäle weigerten sich. Bei zukünftigen Bewegungen könnte das anders sein. Die Linke, soziale Bewegungen und die Arbeiter*innenbewegung in den USA müssen sich auf massive Repression einstellen.
Trumps-Regierung wird sich nach innen und außen aggressiv für die Interessen der Reichen einsetzen und Minderheiten zu Sündenböcken machen. Angriffe auf queere Menschen hat Trump bereits angekündigt. Er will beispielsweise die Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Behandlungen verbieten.
Trumps Freund Elon Musk und Vivek Ramaswamy (beide ultrareiche Großspender für Trump) werden das neue “Department of Government Efficiency“ (DOGE) leiten. Ziel: Die Streichung öffentlicher Ausgaben in Höhe von 500 Milliarden Euro.
Trump verspricht, ab dem ersten Tag seiner Amtszeit die größte Massenabschiebung in der Geschichte der USA durchzuführen. Er will das Militär für die Durchführung einsetzen. Rechte Milizen haben bereits angeboten, bei Abschiebungen zu helfen. Es ist davon auszugehen, dass Trump es ernst meint, auch wenn der Umfang Grenzen haben wird, nicht zuletzt da Migrant*innen als prekäre Arbeitskräfte für die Bosse nötig sind. Es werden Massenaktionen von eingewanderten und in den USA geborenen Arbeitnehmer*innen und jungen Menschen erforderlich sein, um die Angriffe zu stoppen. Es kann auch notwendig sein, kollektiven Schutz zu organisieren und z.B. Razzien am Arbeitsplatz durch die Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) gewerkschaftlich zu unterbinden.
Zwar will Trump nach eigener Aussage den Krieg in der Ukraine “beenden”, aber nur, um sich noch mehr auf den direkten Konflikt mit China konzentrieren zu können. Seine Aussagen zum Panamakanal, der eine entscheidende Bedeutung für den Welthandel hat, sind ein Beispiel dafür. Er fordert die Senkung der Durchfahrtsgebühren oder die „Rückgabe“ des Kanals an die USA. Mit Blick auf China betonte Trump, dass die USA unter keinen Umständen zulassen würden, dass der Kanal „in die falschen Hände“ gerate.
Widerstand aufbauen
Was Trump umsetzen kann, hängt letztlich von der Stärke des Widerstands ab. Der Blick nach Argentinien zeigt, dass Angriffe massive Gegenwehr hervorrufen können: Zwei Generalstreiks und mehrere Tage lang gewaltige Demonstrationen gegen die neoliberale “Schocktherapie” von Milei konnten die Regierung zum teilweisen Einlenken zwingen.
2016 haben Massenaufstände und Proteste – wieob die erfolgreichen Massenaktionen gegen die “Muslim Ban” oder die Streikwellen – Trumps Vorhaben zurückdrängen können. Die Mehrheit der US-Gesellschaft ist weiterhin gegen Trump. Und die Arbeiter*innenklasse in den USA hat in den letzten Jahren gezeigt, dass sie nicht passiv ist. Es gab die großen Streiksund die Massenbewegung gegen den Genozid in Gaza. Es gab BLM und große feministische Proteste.
Massenbewegungen können Ideen und Einstellungen in breiteren Teilen der Arbeiter*innenklasse verändern, wenn sie es schaffen, eine Alternative anzubieten. Dafür wird es nötig sein, das gesamte System Kapitalismus als Wurzel von Armut, Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung in Frage zu stellen und zu erklären, wie die aktuellen Probleme nur mit Klassensolidarität überwunden werden können. Der Aufbau einer Arbeiter*innenpartei in den USA, in der die kämpferischen Schichten der Klasse, Aktivist*innen und Jugend zusammenkommen und die politischen Lehren aus den Bewegungen ziehen, wird ein wichtiges Instrument dafür sein.
Foto: Gage Skidmore from Surprise, AZ, United States of America, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons