Fast täglich tötet in Deutschland ein Partner oder Ex-Partner eine Frau. Nicht selten wurden die Taten vorher angekündigt: Durch Morddrohungen, vorangegangene Partnerschaftsgewalt und bzw. oder Stalking. Nach solchen Taten heißt es immer wieder: “Wie konnte das passieren? Sie – das Opfer – hat doch alles richtig gemacht!“
von Ianka Pigors, Hamburg
Gemeint ist in der Regel, dass die Betroffenen erfolglos versucht haben, sich mit rechtlichen Mitteln zu schützen. Sie haben Bedrohungen, Gewalt und Nachstellungen bei der Polizei angezeigt und einstweilige Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt, durch die ein Gericht dem späteren Täter unter Androhung von Geld und Freiheitsstrafen verboten hat, sich ihnen zu nähern.
Aktuell wird daher die Einführung von elektronischen Fußfesseln für potentielle Gefährder als Maßnahme nach dem Gewaltschutzgesetz diskutiert. Dabei gibt es zwei Varianten: Erstens das „spanische Modell“, bei dem sowohl die Person, von der die Bedrohung ausgeht, als auch die bedrohte Person mit Sendern ausgestattet werden, die Alarm geben, wenn ein bestimmter Sicherheitsabstand unterschritten wird. Zweitens gibt es das klassische polizeirechtliche Modell, bei dem eine Fußfessel des Gefährders bei der Polizei einen Alarm auslöst, wenn er sich einem bestimmten Ort – meist der Wohnung der bedrohten Person – nähert. Die erste Variante soll in Schleswig-Holstein jetzt auch präventiv im Gewaltschutz eingeführt werden, die zweite steht in Niedersachsen zur Debatte.
Keines der beiden Modelle wird Femizide effektiv verhindern können. Beide setzen voraus, dass es eine strafrechtlich relevante Vorgeschichte gab, die aktenkundig wurde und als gravierend genug eingestuft wurde, um eine Fußfessel anzuordnen. Das ist keineswegs immer der Fall (in Spanien war z.B. bei knapp drei Viertel der ermordeten Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zuvor keine Anzeige gegen den Täter erstattet worden). Aber selbst, wenn ein Aggressor eine Fußfessel trägt, müsste dieser Umstand ihn entweder von der Tat abhalten, oder die Polizei in die Lage versetzen, bei einer unerlaubten Annäherung sofort einzuschreiten.
Viele Täter, die bereits als Gefährder bekannt sind, erwarten nicht, dass ihre Tat unentdeckt bleibt. In ihrer eigenen Vorstellung vollstrecken sie an den Betroffenen eine verdiente Strafe für ein an ihnen persönlich, ihren patriarchalen Wertvorstellungen oder ihrer Familie begangenes Unrecht, und sie sind bereit, dafür ins Gefängnis zu gehen. Eine Fußfessel dürfte diese Täter wenig beeindrucken.
Um der Polizei genug Zeit zu geben, bei einem Alarm rechtzeitig auszurücken und einen akuten Angriff effektiv zu verhindern, müssten der ihn auslösende Sicherheitsabstand sehr groß und die einsatzbereiten Polizist*innen sehr zahlreich sein. Je größer der Sicherheitsabstand, desto höher die zu erwartende Anzahl von Fehlalarmen. Es ist daher kaum anzunehmen, dass irgendein Fußfesselprojekt mit ausreichend Finanzmitteln ausgestattet wird, um tatsächlich zu schützen.
Die in Niedersachsen bevorzugte rein polizeirechtliche Variante reagiert auf das Problem, indem der Alarm gebietsbezogen ausgelöst wird. Diese Gebiete sind zumeist die Wohnung oder allenfalls der Arbeitsplatz. Damit wird der Aktionsraum der betroffenen Frauen auf die ihnen traditionell zugebilligten Bereiche beschränkt.
Beide Modelle machen die Betroffenen zu Objekten staatlicher Schutzmaßnahmen. Keines der Modelle sieht vor, dass die betroffene Person selbst bei Annäherungen gewarnt wird. Dabei kann ein starkes Kollektiv durchaus Schutz bieten. Wenn sich eine Person in einer Nachbarschaft, in einer Belegschaft oder einem Freundeskreis bewegt, indem im Notfall schnell Unterstützung mobilisiert werden kann, könnten persönliche Warnungen der bedrohten Person durch Fußfesseln die individuelle Sicherheit tatsächlich messbar erhöhen.
Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Grunde bereits zu spät ist, wenn ein Mann glaubt, das Recht zu haben, eine Frau aus Eifersucht oder Besitzansprüchen anzugreifen. Personenschützer*innen wissen, dass ein Attentäter, der bereit ist, sein eigenes Leben zu opfern, kaum zu stoppen ist.
Die strukturellen gesellschaftlichen Machtverhältnisse und patriarchalen Rollenbilder, die Femizide begünstigen, müssen viel früher bekämpft werden: durch Bildungsarbeit bereits bei Kindern, durch gesellschaftliche Kampagnen- vor allem in Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, durch Abbau von Ungleichheit, die Abhängigkeiten schafft, z.B. bei Frauenlöhnen, Kinderbetreuung, Aufenthaltsrecht usw.
Maßnahmen wie die Fußfessel sind wenig effektiv und bergen zudem die Gefahr, dass sie auch aus weniger guten Gründen, z.B. zur Überwachung politischer Aktivist*innen, benützt werden können.