In der ersten Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) haben Bund und Kommunen den Gewerkschaften kein Angebot unterbreitet. Jetzt ist es Zeit für Warnstreiks.
von Jan Hagel, Hamburg
Die Haltung der Arbeitgeber*innen, also der Regierenden auf Bundes- und Kommunalebene, entspricht ihrer aktuellen Politik der Kürzungen und Angriffe auf Sozialleistungen, Bildung und Kultur. Beim Verhandlungsauftakt am 24. Januar in Potsdam kam von Innenministerin Nancy Faeser(SPD) und den übrigen Arbeitgebervertreter*innen dementsprechend nichts Produktives – nur die Ablehnung aller Forderungen von ver.di und den anderen Gewerkschaften. Man habe kein Geld für höhere Löhne, Personalmangel gebe es nur bei den Führungskräften und um Streiks und Lohnerhöhungen langfristig zu vermeiden und der nächste Tarifabschluss soll länger als zwei Jahre gelten, damit sie den öffentlichen Dienst in Ruhe kaputtsparen können. Auch mehr Urlaub und Entlastung bei den Arbeitszeiten lehnen die Arbeitgeber*innen mit der Begründung ab, dass dadurch die Arbeitsverdichtung noch schlimmer werde. Offenbar haben sie nicht vor, mehr Personal einzustellen und daher auch kein Interesse daran, die Arbeit im ÖD – also auch in Krankenhäusern und Kitas – attraktiver zu machen.
Streik ist nötig
Vor der zweiten Verhandlungsrunde ab 17. Februar sind große Warnstreiks nötig, um den Druck auf die Arbeitgeber*innen zu erhöhen – auch und gerade im Bundestagswahlkampf. Rücksicht auf SPD und Grüne als Noch-Regierungsparteien wäre falsch. Sie haben 2023 nur unter dem Druck massiver Warnstreiks Lohnerhöhungen zugestimmt, die die Inflation der letzten Jahre nicht komplett ausgeglichen haben. Mindestens eine dieser Parteien wird wohl auch an der nächsten Regierung beteiligt sein und die unter Friedrich Merz bevorstehenden Angriffe auf Migrant*innen, Arme, queere Menschen, Frauen und letztlich alle Arbeiter*innen mitgestalten.
Gemeinsam kämpfen
In der letzten Tarifrunde gab es gemeinsame Streiks mit Kolleg*innen anderer Bereiche – zum Beispiel den „Superstreiktag“, als am 27.3.2023 ver.di und EVG gemeinsam im ÖPNV, bei der Bahn und am Flughafen streikten, den Verkehr lahmlegten und international Aufsehen erregten.
In diesem Jahr würden sich gemeinsame Warnstreiktage mit den Kolleg*innen bei der Post anbieten, die Ende Januar schon gestreikt haben. Auch in der Energiebranche stehen ver.di und IG Metall in Tarifrunden, und bei der Deutschen Bahn müsste es nach dem skandalösen Angebot – ganze 4% Lohnerhöhung, verteilt auf mehr als drei Jahre – eigentlich auch Streiks geben.
Die EVG-Führung will noch vor der Wahl kampf- und geräuschlos Reallohnverluste durchwinken, obwohl mit der TVÖD-Tarifrunde und weiteren Lohnrunden bei der VHH in Hamburg oder im privaten Busgewerbe in Baden-Württemberg wirkungsvolle gemeinsame Aktionen im Nah- und Fernverkehr möglich wären. Im Südwesten hat ver.di schon ein richtiges Zeichen gesetzt und die ersten Warnstreiks im ÖD mit denen bei privaten Busbetrieben verbunden.
Kein Abschluss im Februar!
Nancy Faeser könnte in der zweiten Verhandlungsrunde am 17.2. ein Angebot vorlegen und auf einen schnellen Abschluss drängen, verbunden mit dem Hinweis auf die drohende Merz-Regierung. Die Bundestarifkommission sollte auf keinen Fall einem Abschluss zustimmen, sondern das Angebot den Kolleg*innen an der Basis vorlegen. Dann können ver.di, GEW und IG BAU den Druck mit weiteren Warnstreiks erhöhen und Diskussionen unter den Mitgliedern organisieren. Die Forderungen nach 350 Euro bzw. 8% mehr Lohn, mehr Urlaub und Entlastung müssen durchgesetzt werden.
Der TVÖD ist der zweitgrößte Tarifvertrag in Deutschland. Er betrifft 2,5 Millionen Beschäftigte direkt und noch einmal ähnlich viele indirekt über angelehnte Haustarife und den TV-L. Ein schlechter Abschluss würde angesichts der gestiegenen Preise und drohenden Krise nicht nur den Lebensunterhalt vieler Kolleg*innen in den unteren Entgeltgruppen gefährden, er wäre auch ein fatales Signal für die beginnende Phase des Klassenkampfs von oben, in der die Herrschenden soziale und politische Rechte, Löhne und Jobs angreifen um Aufrüstung zu finanzieren und sich im globalen Konkurrenzkampf zu behaupten.