Zur Geschichte der Linken in Palästina und Israel: Rote Fahnen, grüne Linien – Teil 1, 1917-1948

Als der Staat Israel 1948 gegründet wurde, wurde das Land Palästina geteilt. Diese “Grüne Linie” genannte Teilungslinie schuf keinen Frieden, sondern es begann eine lange Kette von Kriegen, Konflikten und ethnischen Säuberungen. Die Arbeiter*innenklasse beider Ethnien ist tief gespalten. Doch es gibt auch im Nahen Osten eine lange Tradition revolutionärer linker Kräfte, deren Wirken bisweilen inspirierend, aber deren Fehler und Irrwege ebenso lehrreich sind.

von Marcus Hesse, Aachen

Die Landnahme der zionistischen Siedlungsbewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts langsam begann, nahm nach der Balfour-Deklaration von 1917, durch die der britische Imperialismus der Bewegung Palästina als Heimstätte für ihren zukünftigen Staat versprach, immer größere Ausmaße an. Zwar war der Zionismus bis zum Holocaust noch eine marginale Minderheitsströmung unter Jüd*innen, doch im kleinen Palästina wurde er schnell zu einer bedeutenden Kraft. Der britische Imperialismus wollte durch seinen Pakt mit der zionistischen Bewegung einen Brückenkopf in der Region haben. In perfider Teile-und-Herrsche-Manier hatte London  gleichzeitig den jüdischen Siedler*innen und den Araber*innen in Palästina die nationale Selbstbestimmung und einen Staat versprochen. Das blieben jedoch leere Versprechungen, Palästina wurde von 1918-1948 britisches Mandatsgebiet. 

Der britische Imperialismus förderte dennoch bewusst die zionistische Siedlungspolitik, nicht zuletzt als Bollwerk gegen aufkommende antikoloniale Bestrebungen und gegen den Kommunismus. Der Zionismus war eine ausgesprochen bürgerlich-nationalistische Bewegung, mit dem Ziel einen bürgerlichen Nationalstaat mit rein jüdischer Bevölkerung zu schaffen. Die in Palästina lebende, meist arme kleinbäuerliche Bevölkerung wurde dabei sukzessive verdrängt oder bestenfalls als billige Arbeitskräfte genutzt. Die palästinensische herrschende Klasse aus feudalen Großgrundgesitzern und reichen Kaufleuten verkaufte bereitwillig Land an die jüdischen Siedler*innen und bereicherte sich selbst daran.

Zionismus oder Internationalismus?

Innerhalb des Zionismus bildete sich aber auch früh eine linke, “arbeiterzionistische” Strömung heraus, die sich zu großen Teilen aus armen Emigrant*innen aus den Ghettos Osteuropas zusammensetzte, die vor Pogromen in ihrer Heimat nach Palästina flüchteten. Organisationen wie Poale Zion und Hashomer Hatzair versuchten, sozialistische und zionistische Zielsetzungen miteinander zu verbinden. In Palästina sollte eine auf Kollektiven basierende jüdische sozialistische Gesellschaft entstehen, mit Gewerkschaften, Kooperativen und Staatsbetrieben. In diesem Kontext entstanden die ländlichen Kibbuz-Siedlungen. Ihre Führer*innen und Theoretiker*innen gingen gemäß einer sehr schematischen Interpretation der Ideen von Marx davon aus, dass nur eine entwickelte Industrie und moderne Landwirtschaft ein echtes Proletariat als Trägerin des Sozialismus schaffen könne. Da die Palästinenser*innen in vormodernen Verhältnissen als rückständige Bäuer*innen lebten, könnten nur die westlich-europäisch geprägten jüdischen Siedler*innen (der “Jischuv”) den nötigen zivilisatorischen Fortschritt ins Land bringen. Dahinter stand die typische Arroganz europäischer Kolonialherren. Aber die Forderungen deckten sich auch mit einem Teil der Ansichten des rechten, reformistischen Flügels der europäischen Sozialdemokratie vor 1914, dessen Vertreter*innen ernsthaft von “sozialistischer Kolonialpolitik” sprachen. 

Für einige der oft jungen und idealistischen Aktivist*innen der linkszionistischen Bewegung, die in Palästina eine neue gerechtere Gesellschaft schaffen wollten, war das direkte Erleben der Unterdrückung und Ausbeutung der Palästinenser*innen, denen man das Land wegnahm und die für zionistische Kapitalist*innen als billige Arbeitskräfte schuften mussten, empörend und desillusionierend. In den Autobiografien vieler späterer Kommunist*innen wie Joseph Berger, Ruth Lubitsch oder Leopold Trepper, die als junge, proletarische Zionist*innen ins Land kamen, war das der Beginn ihres Bruchs mit der zionistischen Idee. Fast eine Generation später sollten sich viele spätere Führungsfiguren des Trotzkismus aus linkszionistischen Strömungen herausbilden, darunter Abraham Leon, Tony Cliff oder Martin Monath, für deren Politisierung der Bruch sowohl mit dem Zionismus als auch dem Stalinismus prägend war. 

Es stellten sich schnell konkrete strategische Fragen: Sollten die Kibbuz-Siedlungen für Jüd*innen und Araber*innen gleichermaßen offen sein? Sollte die 1920 neu gegründete Gewerkschaft Histadrut Arbeiter*innen aller Ethnien oder ausschließlich jüdische Arbeiter*innen aufnehmen? Sollte Histadrut eine Klassenkampforganisation oder ein Instrument zum Aufbau der Volkswirtschaft eines jüdischen Nationalstaats sein? Über diese Fragen sollte sich die linkszionistische Bewegung in den nächsten Jahren spalten. Ihr linker Minderheits-Flügel brach mit dem Zionismus und gründete über mehrere Zwischenschritte 1923 die Kommunistische Partei Palästinas.

Der rechte Mehrheitsflügel des Zionismus mit proletarischen Wurzeln sorgte jedoch dafür, dass die Histadrut ein stramm patriotischer Verband blieb, der bis 1959 arabischen Arbeiter*innen die Mitgliedschaft bewusst verweigerte. Histadrut bestreikte später sogar mehrfach jüdische Unternehmen, die Araber*innen beschäftigten, mit dem rassistisch motivierten Ziel, diese zu entlassen. Betriebe sollten “rein jüdisch” werden. Spätere Führungsfiguren des Staates Israel wie David Ben Gurion, Golda Meir und Moshe Dayan von der “Arbeitspartei” (Mapai) stehen stellvertretend für diese politische Richtung. Ein dritter Flügel blieb in der Mitte stehen und bildete im späteren Staat die Partei Mapam, die weiterhin Sozialismus und Zionismus verbinden wollte. Die Anhänger*innen der Mapam traten theoretisch für Frieden mit den arabischen Massen ein, dienten jedoch bei jeder bewaffneten Zuspitzung des nationalen Konflikts mit den Araber*innen in paramilitärischen Verbänden wie der Hagana und Palmach der zionistischen Sache.

Stimme des Internationalismus

Der linke Flügel des Poale Zion war 1921 in enge Diskussion mit der Kommunistischen Internationale getreten und wollte als jüdische Sektion in Palästina anerkannt werden. Doch die Kommunistische Internationale machte einen Bruch mit dem Zionismus und dem Weltverband von Poale Zion zur Bedingung für den Anschluss an sie. 

Die KP, anfangs eine fast rein aus Jüd*innen bestehende Partei, wandte sich im Sinne einer “Arabisierung” ihrer Mitgliedschaft gezielt den arabischen Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen zu und entwickelte ein erklärtermaßen antikoloniales Profil. 1925 half sie mit, mit der Gesellschaft Palästinensisch-Arabischer Arbeiter eine erste Gewerkschaft in Haifa aufzubauen. Joseph Berger und Wolf Averbuch, führende jüdische KP-Mitglieder, wurden auch Mitbegründer der neuen KPen im Libanon, in Syrien und Ägypten.

Aktivist*innen der KP kämpften innerhalb des Histadrut für die Aufnahme arabischer Arbeiter*innen, unterlagen dabei aber und wurden in Folge aus den zionistisch kontrollierten Gewerkschaften und vielen Kibbuz-Kollektiven ausgeschlossen. Unter dem dreifachen Terror der britischen Kolonialmacht, der rechten Zionist*innen und der feudalen arabischen Großgrundbesitzer stehend, füllten ihrer Kader die Gefängnisse und mussten vielfach ins Exil. Die junge KP erlangte jedoch bald eine kleine Basis unter Arbeiter*innen vor allem in Haifa und Tel Aviv und führte einige Streiks an. Sie forderte die Vereinigung der Arbeiter*innen mit den unterdrückten arabischen Kleinbäuer*innen, städtischen Arbeiter*innen und Landarbeiter*innen. Sie solidarisierte sich mit den arabischen Aufständen von 1929 und 1936-39, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch eine fast rein jüdische Partei war. 

Stalinistische Irrwege

Die Stalinisierung machte auch vor der KP Palästinas nicht Halt. Bis Ende der 1930er blieb die gesamte KP auf ihrem harten Kurs gegen alle Strömungen des Zionismus, aber begann spätestens mit der Übernahme des Konzeptes einer “antiimperialistischen Volksfront” aller arabischen Palästinenser*innen, ihre Unabhängigkeit von bürgerlichen und nationalistischen arabischen Führer*innen abzulegen. Der Aufstand von 1929 stellte viele Mitglieder vor eine harte Probe, da es unter der Führung von reaktionären religiösen Kräften auch zu pogromartigen Übergriffen auf jüdische Arbeiter*innen kam.

Mitte der 1930er schwenkte der Stalinismus endgültig zur Volksfrontpolitik um. Es wurden jetzt systematisch Bündnisse mit den angeblich fortschrittlichen Teilen des “antiimperialistischen” arabischen Bürgertums gesucht. Langsam begannen jüdische und arabische Kommunist*innen sich getrennt zu organisieren, was 1937-39 zur Bildung von praktisch zwei KPen führte. Die arabische KP arbeitete innerhalb der arabisch-palästinensischen Gewerkschaften und in der arabischen nationalistischen Aufstandsbewegung, die jüdische Sektion als Opposition in der zionistischen Histadrut und bekämpfte die auch in Palästina aktiven Faschist*innen. Innerhalb des Jischuv waren das vor allem die Revisionistischen Zionist*innen, die sich damals an Mussolini orientierten und ein “Großisrael” auf beiden Seiten des Jordan forderten. 

Der Kampf gegen den Faschismus war ein heroisches Kapitel der jüdischen KP: 1936-1938 gingen 300 Kämpfer*innen aus Palästina nach Spanien, um dort Franco und Hitler zu bekämpfen – dafür wurden sie prompt von den rechten “Arbeiterzionist*innen” aus ihrer Gewerkschaft und ihren Kibbuz-Gemeinschaften ausgeschlossen. Denn aus Sicht der “Arbeiterzionist*innen” war die Besiedlung Palästinas und der Kampf gegen die Araber*innen wichtiger als der Kampf gegen den Faschismus in Europa. 

Die arabische KP ordnete sich im Sinne der Volkfrontlinie innerhalb eines Arabischen Nationalkomitees den religiös-reaktionären und bürgerlichen Nationalist*innen unter und verzichtete dabei selbst auf die Forderung nach Enteignung der arabischen Großgrundbesitzer*innen. Joseph Berger, der Mitbegründer der KP, ging unter dem Druck der Verfolgung durch die antikommunistischen britischen Behörden schon Ende der 1920er Jahre ins sowjetische Exil. Dort fiel er – wie viele andere aus seiner Partei – dem Stalin’schen Terror zum Opfer und fristete viele Jahre im GULAG, aus dem er völlig gebrochen nach Israel zurückkehrte. 

Arabischer Aufstand

1936-39 brach ein großer allgemeiner arabischer Aufstand gegen die britische Kolonialmacht und die zionistische Besiedlung aus. Die britische Armee schlug die Revolte militärisch nieder, unter massiven Massakern an der Zivilbevölkerung. Die ultrarechte zionistische Terrororganisation Irgun verübte Terroranschläge, die unterschiedslos Araber*innen trafen,vorwiegend Zivilist*innen. Auch in der arabischen Aufstandsbewegung behielten reaktionäre Kräfte die Führung. Ihre religiös-nationalistische Führungsfigur Mohammed Amin Al-Husseini – Mitglied einer  feudalen Großgrundbesitzerfamilie und von den Briten eingesetzter Mufti (religiöser Führer und Richter) von Jerusalem – begann sich direkt den Nazis anzunähern, ging zeitweise nach Berlin und betrieb aggressive antisemitische Propaganda.

Der Aufstand von 1936-1939 war der bis dahin größte und umfassendste der Palästinenser*innen und belebte durch Massenstreiks auch die arabische Arbeiter*innenbewegung. Er ging auch mit zahlreichen politischen Streiks bis hin zum Generalstreik einher. Zugleich aber verstärkte sich durch die religiös-nationalistische Prägung durch die Führung die Spaltung zwischen arabischen und jüdischen Arbeiter*innen. Palästinensische Kommunist*innen waren aktiv beteiligt, mussten dabei aber gegen die Sabotage der konservativen Gewerkschaftsbürokratie und die klerikal-reaktionare Führung um Al-Husseini ankämpfen. Gerade letztere war betont antikommunistisch und ging nicht selten gewaltsam gegen linke Palästinenser*innen vor. 

Zwischen den Fronten 

Die Spaltung entlang der ethnischen Linien ging in den nächsten zehn Jahren so weit, dass sich Mitglieder der KP – nachdem sie sich in einen arabischen und einen jüdischen Flügel gespalten hatten, trotz vereinzelter Teilnahme an Arbeitskämpfen der Arbeiter*innen beider Nationen, bei der Teilung des Landes schließlich bewaffnet gegenüber standen.

1943 ließ Stalin sang- und klanglos die Kommunistische Internationale auflösen. 1944 benannte sich die arabische KP unter Bulus Farah in “Nationale Befreiungsliga Palästinas” um. Der neue Name sollte für eine neue Konzentration auf die nationale Orientierung hinweisen, die jüdische KP nannte sich in  “Kommunistische Partei Israels” (hebräische Abkürzung: Maki) um und legte ihre grundsätzliche Gegnerschaft zum Zionismus ab. Es waren die zahlenmäßig sehr kleinen Kräfte des Trotzkismus, die sich in Palästina für das Prinzip der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter*innenbewegung von allen nationalistischen Kräften einsetzen und auf der Grundlage eines konsequenten Internationalismus für eine Verbindung des antikolonialen Befreiungskampfes mit der Idee der Einheit der Arbeiter*innen gegen britischen Imperialismus, Zionismus und arabische Kapitalist*innen und Feudalherren standen. Doch die trotzkistische Bewegung, die in beiden nationalen Communities wirkte, blieb klein.

Staatsgründung alternativlos?

Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Jüd*innen durch die Nazis ließ die Zahl der Immigrat*innen nach Palästina massiv wachsen. Doch nicht während des Holocaust, sondern erst nach Kriegsende, als die Überlebenden nirgendwo anders mehr Zuflucht fanden, strömten sie – nicht selten mangels von Alternativen – im großen Stil nach Palästina.

Die bürgerlichen Demokratien des Westens, darunter die USA, verweigerten Jüd*innen während des Krieges sowie in den Jahren danach die Einreise in ihre Länder. Revolutionär*innen kämpften weltweit für die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus Europa – die trotzkistische Socialist Workers Party (SWP) demonstrierte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lautstark gegen die Schließung der Grenzen durch die US-Regierung. Nach dem Krieg forderte die britische Revolutionary Communist Party, die Tore Großbritanniens für die Überlebenden der Shoah zu öffnen.

Verteidiger*innen des Zionismus stellen die Auswanderung nach Palästina heute als alternativlos dar. Doch während des Zweiten Weltkriegs war Palästina keineswegs ein sicherer Ort für Jüd*innen, als zeitweise Rommels Afrika-Armee in Ägypten vorrückte und drohte, Palästina zu überrennen. Nach 1945 wanderten Überlebende der Vernichtungsmaschinerie der Nazis in ein Land ein, das schon von Araber*innen bewohnt war, welche die Masseneinwanderung neuer jüdischer Siedler*innen massiv ablehnten. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der russische Marxist Leo Trotzki prophezeit, dass sich die Auswanderung nach Palästina für Europas Jüd*innen als “tödliche Falle” erweisen würde. Angesichts der kommenden Kriege sollte er Recht behalten. Die Politik des Zionismus und des arabischen Nationalismus unterminierten die Perspektive eines binationalen gemeinsamen Staates.

Auf dem Weg zum Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Sowjetunion unter Stalin ihre Ablehnung gegenüber dem Zionismus aus machttaktischen Gründen abgelegt. Sie begann, die Gründung eines neuen rein jüdischen Staates und die Teilung Palästinas entlang ethnisch scharf definierter Grenzen zu unterstützen. Sowohl die rein jüdische KP als auch die arabische Nationale Befreiungsfront unterstützen den UN-Teilungsplan, der für die arabisch-palästinensische Bevölkerung Gebietsverluste bedeutete. Der neue Staat Israel hätte 56,47% des Territoriums für seine damals noch kleinere jüdische Bevölkerung erhalten, darunter die fruchtbarsten und wirtschaftlich am stärksten entwickelten Gebiete. Etwa 350.000 Araber*innen hätten nach dem Teilungsplan als Minderheit im jüdischen Staat gelebt, was umgekehrt nur für 10.000 jüdische Siedler*innen im palästinensisch-arabischen Staat der Fall gewesen wäre. Das rief den Widerstand der arabischen Massen hervor.

Die jüdische KP/Maki unterstützte den neuen Staat Israel mit Waffe in der Hand. Bei der Staatsgründung wurde Israels neue Armee mit Moskaus Billigung mit Rüstungsgütern aus der Tschechoslowakei versorgt. Auch die arabische stalinistische “Nationale Befreiungsliga” befürwortete die Teilung und Gründung Israels. Das sollte die Idee des Kommunismus unter Araber*innen lange Zeit diskreditieren und reaktionären Führern in die Hände spielen.

Die unter sozialdemokratischer Führung stehende zionistische Hagana verübte schon zu dieser Zeit Gewalttaten gegen arabische Dörfer, die als Horte von antizionistischen Aufständischen galten. Die rechtsextreme Irgun ging dabei noch brutaler vor und verübte gezielte Terroranschläge gegen Araber*innen. Als radikal-nationalistische jüdische Organisation bekämpfte sie auch die britische Mandatsmacht mit terroristischen Methoden.

Dennoch gab es noch 1946 bis 1948 Beispiele gemeinsamer Arbeitskämpfe von jüdischen und arabischen Arbeiter*innen. 1946 kam es zu Massenstreiks von Post-, Telegrafen- und Bahnarbeiter*innen gegen Preiserhöhungen. Im Sommer 1947 streikten Ölarbeiter*innen beider Nationen gemeinsam für Lohnerhöhungen und wurden dabei von der britischen Mandatsmacht, der Histadrut und den arabischen Nationalist*innen gemeinsam bekämpft. Die arabischen Großgrundbesitzer und religiösen Führer betrieben eine antikommunistische Propagandaoffensive. Der pro-zionistische Kurs der Sowjetunion zu der Zeit machte es ihnen erheblich leichter, Linke zu isolieren.

Die bemerkenswerten Beispiele von gemeinsamen Streiks von jüdischen und arabischen Arbeiter*innen im Vorfeld der Staatsgründung Israels und der Teilung zeigen auf, dass es auch zu diesem Zeitpunkt noch eine Perspektive für Solidarität und Einheit der Arbeiter*innen gab. Doch die Dynamik ging in eine andere Richtung.

Die arabischen Nachbarstaaten Jordanien, Syrien, Irak, Libanon und Saudi-Arabien und Ägypten, allesamt konservative Monarchien, erklärten dem Staat Israel unmittelbar nach dessen Ausrufung den Krieg. Es war ein von den Monarchien stümperhaft geführter Krieg. Sie mobilisierten nur einen Bruchteil ihrer Armeen. Israel besiegte die vereinten arabischen Armeen, durch eine Kombination aus moderne Ausrüstung und dem Willen der Jüd*innen aller Klassen und politischen Richtungen, das Existenzrecht  “ihres” neuen Staates verbissen zu verteidigen.

Dabei kam es zur Vertreibung von 750.000 palästinensischen Araber*innen aus den israelischen Gebieten, die damit ethnisch gesäubert wurden. Besonders brutal war das Massaker von Deir Jassin nahe Jerusalem, bei dem mehr als 100 Dorfbewohner*innen von rechten jüdischen Milizen unter Kommando des späteren Ministerpräsidenten Begin vom Likud ermordet wurden.

Der israelische Sieg führte 1949 zur Erweiterung des israelischen Gebietes um ein Drittel gegenüber dem ursprünglichen Teilungsplan. In den von Araber*innen “gesäuberten” Gebieten zogen jetzt Israelis, darunter auch Jüd*innen, die im Zuge des Krieges um Palästina aus arabischen Ländern vertrieben worden waren. Palästina als eigenen Staat gab es damit nicht mehr. Das Westjordanland und der Gaza-Streifen, wohin ein Großteil der Vertriebenen ging, kamen unter jordanische bzw. ägyptische Verwaltung.

Die Nakba (arabisch für Katastrophe) wurde zur Zäsur. Sie machte Israel als ethnisch definierten bürgerlichen Staat und Brückenkopf des Imperialismus zur waffenstarrenden Regionalmacht und die Palästinenser*innen zur Nation ohne eigenen Staat, deren Angehörige seitdem unter der Besatzung anderer Staaten und als Geflüchtete leben. Letztlich war diese Tragödie eine Folge des Scheiterns der politischen Linken dabei, einer revolutionäre und internationalistische Perspektive für ein friedliches Zusammenleben im Nahen Osten durchzusetzen.

In Teil 2 beschäftigen wir uns damit, wie die palästinensische Linke und die Linke in Israel mit der neuen Situation nach 1948 umgingen, welche neuen politischen Formationen entstanden und welche Fragen und Herausforderungen daraus ergaben.

Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Lesehinweise und Quellen

Leon Wystrychowski: Die palästinensische und israelische Linke – Ein historischer Überblick, Berlin 2023.

Zur Palästina-Frage. Marxistische Texte 1938-1948.

Textsammlungsbroschüre der SAV von 2002.

Jakob Taut: Judenfrage und Zionismus, Frankfurt 1986.

Musa Budeiri: The Palestine Communist Party. 1919-1948. Arab and Jews in the Struggle for Internationalism, London 1979.

Ran Greenstein: Zionism and its Discontents. A century of radical dissent in Israel/Palestine, London 2014.