Preisexplosionen und Sexismus

Drei Fragen & Antworten – von Linda Fischer

Wieso Sexismus, betreffen die Preisexplosionen nicht alle gleich?

Die massiven Teuerungen von Lebensmitteln, Energie und Miete treffen alle Menschen, die nicht zu den Krisenprofiteuren und Reichen gehören, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung usw. Wir können uns nur erfolgreich wehren, wenn wir eine gemeinsame Bewegung aufbauen. Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit sind Hindernisse dafür. Besonders unterdrückte Teile der lohnabhängigen Bevölkerung und Jugend bekommen die Folgen von Preisexplosionen meist noch stärker zu spüren. Beispielsweise sind Alleinerziehende – davon mehr als 82 % weiblich – die Gruppe, die am stärksten in Zahlungsunfähigkeit und Armut gestürzt wird.

Der Druck auf Frauen in der Familie steigt. Die Kolleg*innen in den weiblich dominierten Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereichen, werden durch die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Krise noch mehr belastet. Gemeinsam gegen Verarmung zu kämpfen bedeutet auch, dass wir flächendeckende, kostenlose Kitas, preiswerte Mittagstische in der Nachbarschaft, familienfreundliche, gut bezahlte Jobs für alle und endlich eine massive Aufwertung der weiblich dominierten Berufe brauchen.

Es geht um existenzielle Butter- und Brot-Fragen, wird der Kampf gegen Sexismus nicht in den Hintergrund treten?

Natürlich machen wir uns alle Sorgen darüber, wie wir die Rechnungen bezahlen können und was wir noch zu erwarten haben. Die sozialen und ökonomischen Fragen sind jedoch eng verbunden mit feministischen Fragen. Drohende Wohnungslosigkeit zum Beispiel bedeutet für Frauen und queere Personen ein deutlich höheres Risiko, Gewalt ausgesetzt zu sein. Der Druck wird steigen, abhängige Zweckbeziehungen mit Männern einzugehen, in gewalttätigen Beziehungen zu bleiben, um nicht wohnungslos zu werden, oder bei Verwandten unterzukommen, die im schlechtesten Fall unangemessene Gegenleistungen erwarten.

Frauenhäuser und Beratungsstellen schlagen seit Jahren Alarm. Bundesweit stehen nur etwa 6800 Frauenhausplätze zur Verfügung, laut der von Deutschland unterzeichneten Istanbul-Konvention müssten es etwa 21.000 sein. Der Europarat hat Anfang Oktober 2022 die mangelnden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Deutschland stark kritisiert. Sichere Unterkünfte und Beratungsstellen für wohnungslose Frauen, Geflüchtete und queere Personen gibt es in der Fläche kaum. Die Situation wird sich massiv zuspitzen, wenn die Anzahl hilfesuchender Frauen und queerer Personen im Laufe der Krise weiter zunimmt.

Die Frauen im Iran zeigen auf beeindruckende Weise, dass es manchmal einzelne schreckliche Ereignisse sind, die das Fass zum Überlaufen bringen und eine Bewegung gegen Sexismus, Repression, Ausbeutung und Armut lostreten.

Was können wir tun, um die Kämpfe gegen Verarmung und Sexismus zusammenzubringen?

Ob internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen am 25. November oder Frauenkampftag am 8. März: Wir mobilisieren für diese Termine in den Bündnissen, in unserem Stadtteil, am Arbeitsplatz, an Schulen und Unis. Wenn die Straßenbeleuchtung in unserer Stadt abgeschaltet werden soll, und Frauen sich im Dunkeln noch unsicherer fühlen müssen, dann organisieren wir Aktionen dagegen. Wenn die Rechten versuchen, den Kampf gegen Verarmung gegen Frauen- und queere Rechte auszuspielen, dann halten wir mit Solidarität dagegen. Die Kämpfe gegen Verarmung, Gewalt und Sexismus gehören zusammen.

Ganz praktisch müssen wir überlegen, wie wir eine breite Beteiligung an Protesten möglich machen können, zum Beispiel, indem wir Kinderbetreuung und Dolmetscher*innen organisieren, wenn wir Mieter*innentreffen organisiert oder sexistische Sprüche bei Protesten nicht unkommentiert lassen, sondern erklären, warum diese keinen Platz in unserer Bewegung haben.