In diesem „Pride Month“ brauchen wir eine kämpferische, internationale Antwort auf die zahlreichen Angriffe auf LGBTQ-Rechte
von George Martin Fell Brown, Socialist Alternative USA
Während die Trump-Regierung einen Angriff nach dem anderen auf Transmenschen und die LGBTQ-Community entfesselt, ermutigt sie damit rechte Bewegungen weltweit, es ihr gleichzutun. Die Situation für LGBTQ-Personen in den USA verschärft sich – viele fragen sich inzwischen, ob sie wirklich noch in diesem Land leben wollen oder können. Leider gibt es nur wenige Orte auf der Welt, die von dieser rechtsextremen, trans- und homofeindlichen Offensive unberührt geblieben sind.
Grossbritannien wurde von vielen als Hoffnungsträger gesehen, als die Konservative Partei (Tories), die seit 2010 an der Macht war, bei den Parlamentswahlen im letzten Jahr deutlich abgewählt wurde. Doch am 16. April entschied der Oberste Gerichtshof Großbritanniens, dass die rechtliche Definition einer Frau auf dem bei der Geburt zugewiesenen „biologischen Geschlecht“ basiere und nicht auf der Geschlechtsidentität. Keir Starmer, der Premierminister der Labour-Partei, unterstützte diesen Angriff beschämenderweise.
Nur zwei Tage zuvor hatte Ungarns Parlament einen noch drastischeren Schritt getan: Es verabschiedete eine Verfassungsänderung, die es der Regierung erlaubt, öffentliche LGBTQ-Veranstaltungen zu verbieten. Dies wurde mit der absurden Begründung gerechtfertigt, dass LGBTQ-Personen angeblich „die moralische, körperliche und geistige Entwicklung von Kindern“ gefährden würden. Premierminister Viktor Orbán, ein Trump-naher, selbsternannter Verfechter einer „christlich illiberalen Demokratie“, besteht darauf, dass dieses vermeintliche Recht andere Rechte wie die Versammlungsfreiheit überwiege.
In der neokolonialen Welt hat Ugandas Anti-Homosexualitätsgesetz von 2023, das „verstärkte Homosexualität“ mit dem Tod bestraft, zu Nachahmungen von Ghana bis Kenia geführt.
Die Angriffe auf LGBTQ-Rechte sind ein globales Phänomen – von rechten Autokraten in Russland, der Türkei und Argentinien bis hin zu vermeintlichen Bollwerken „liberaler Werte“ wie Kanada, Frankreich und Neuseeland. Doch auch der Widerstand ist ein globales Phänomen. Wenn wir die Kräfte verstehen, die hinter diesen Angriffen stehen, können wir sie zurückdrängen – und eine echte Befreiung für LGBTQ-Menschen erkämpfen.
Warum diese Angriffe?
Der Anstieg dieser Angriffe ist in der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus verwurzelt. Die Krise des Neoliberalismus nach der Finanzkrise von 2008 hat die Institutionen der herrschenden Klasse diskreditiert. Angesichts wachsender imperialistischer Spannungen bereitet sich die globale herrschende Klasse auf verschärfte Konflikte vor, indem sie den Nationalismus anheizt und die Gesellschaft auf Krieg hin neu organisiert. Die vergangene Periode war durch das Erstarken antikapitalistischer Kämpfe geprägt – einschließlich der LGBTQ-Bewegung. Die herrschende Klasse versucht nun, durch eine Anti-„Woke“-Gegenoffensive ihre Kontrolle zurückzuerlangen.
Dies geht einher mit einem deutlichen autoritären Schwenk und einem Erstarken der extremen Rechten. Orbáns Verfassungsänderung nutzt Homophobie, um demokratische Rechte im Allgemeinen abzubauen und gleichzeitig die nationale Einheit hinter ihm und seinen kapitalistischen Komplizen zu stärken. Trotz ihres anti-imperialistischen Auftretens verfolgen die Angriffe der ugandischen Regierung und ihrer Nachahmer letztlich dieselbe Strategie.
Dieses Verständnis hilft, die widersprüchlichen Begründungen der Anti-LGBTQ-Kräfte zu durchschauen. Für das Institute of Economic Affairs, ein transfeindlicher Thinktank mit Sitz im Vereinigten Königreich, ist die „Transgender-Ideologie ein ideologischer Angriff auf die philosophischen und pluralistischen politischen Traditionen der westlichen Welt.“ Für Orbán hingegen sind genau diese „pluralistischen politischen Traditionen der westlichen Welt“ das Problem. Er erklärte bekanntlich: „‚Westliche Werte‘ bedeuten drei Dinge: Migration, LGBTQ und Krieg.“ Die Politiker*innen, die in Afrika Anti-LGBTQ-Gesetze vorantreiben, stellen Homosexualität als westliche Erfindung dar, die dem Kontinent durch den Kolonialismus aufgezwungen worden sei – obwohl ihre Kampagnen von US-amerikanischen Evangelikalen finanziert werden.
Ob westlich oder nicht – die herrschende Klasse nutzt Angriffe auf LGBTQ-Personen, um die Ressourcen und die Stärke der Arbeiter*innenklasse insgesamt zu schwächen. Der Kapitalismus ist auf die Kleinfamilie mit ihren starren Geschlechternormen angewiesen, um die Reproduktion der nächsten Generation von Arbeitskräften sicherzustellen. Die Stigmatisierung all jener, die nicht in dieses Modell passen, dient dazu, die Arbeiter*innenklasse zu disziplinieren und zu spalten.
Eine der ersten Amtshandlungen von Javier Milei als Präsident Argentiniens war die Schließung des Ministeriums für Frauen, Geschlecht und Diversität sowie des Nationalen Instituts gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Damit bediente er sich direkt der Rhetorik eines Krieges gegen „Wokeness“, um seine umfassendere Agenda des radikalen Sozialabbaus – seine „Kettensägen-Politik“ – durchzusetzen.
All dies zeigt: Der Kampf für LGBTQ-Rechte muss als Teil eines gemeinsamen Kampfes gegen Austerität, Krieg, Imperialismus und Kapitalismus verstanden werden.
Auf Kapitalist*innen ist nie Verlass
Da es international nur sehr wenig unabhängige politische Interessensertretung der Arbeiter*innenklasse gibt, werden die meisten Wahlen von kapitalistischen Parteien dominiert. Doch die „weniger schlechten“ kapitalistischen Parteien sind keine echten Verbündeten. Die Rolle, die diese Politiker*innen spielen, zeigt, warum der LGBTQ-Kampf unabhängige, arbeiter*innenorientierte Politik braucht.
In Ungarn setzen viele ihre Hoffnungen auf Oppositionspolitiker Péter Magyar, um Orbán bei den nächsten Wahlen zu besiegen. Doch in Bezug auf Orbáns Angriff hat Magyar LGBTQ-Rechte bewusst ausgespart und sich ausschließlich auf das Versammlungsrecht konzentriert. Er bezeichnete die Verfassungsänderung als „Falle“ Orbáns, die ihn dazu bringen solle, sich mit sozialen Fragen zu beschäftigen – auf Kosten der Lebenshaltungskrise.
Ein solches Verhalten kennen wir bereits von den US-Demokrat*innen im Kampf gegen Trump. Die Demokratische Partei hatte kein Problem damit, die Trans-Community zu drängen, sie zu wählen, um Trump zu besiegen. Aber als Trump zurück an die Macht kam, haben sie die Transmenschen fallen gelassen und gaben der angeblichen Unbeliebtheit von Trans-Rechten die Schuld für ihre eigene beschämende Niederlage.
Dasselbe geschah in Grossbritannien, wo viele hofften, die Labour-Partei würde sie von der reaktionären Politik der Tories befreien. Doch Keir Starmer enttäuschte mit seiner Unterstützung des transfeindlichen Urteils des Obersten Gerichtshofs. Genauso wenig, wie wir uns auf die Demokratische Partei im Kampf für LGBTQ-Rechte verlassen können, können wir uns auf Péter Magyar oder Keir Starmer verlassen. Die Unterstützung des linken Unabhängigen Jeremy Corbyn für Initiativen, die den Aufbau einer neuen linken Partei anstreben, ist ein erster Schritt nach vorn. Die Mitstreiter*innen der Socialist Alternative in England, Wales und Schottland sind aktiv an diesen Entwicklungen beteiligt – etwa durch die PACE-Kampagne.
Die Unzuverlässigkeit kapitalistischer Institutionen beim Schutz von LGBTQ-Rechten zeigt sich noch deutlicher in der neokolonialen Welt. Die Anti-LGBTQ-Gesetze in Afrika haben zu Reaktionen von IWF und der Weltbank geführt. Die pro-kapitalistische LGBTQ-Organisation Open for Business begrüßte diese Reaktionen als „wirtschaftliches Argument“ gegen das neue Gesetz in Kenia. Doch ungeachtet dieser Pro-LGBTQ-Rhetorik sind der IWF und die Weltbank in Afrika zu Recht verhasst – als gnadenlose Vollstrecker*innen neokolonialer Austerität. Genau solche Maßnahmen führten letztes Jahr in Kenia zu Massenprotesten. Wenn solche Proteste mit dem Kampf für LGBTQ-Befreiung verbunden werden, zeigt sich, was tatsächlich nötig ist, um zu gewinnen.
Um erfolgreich zu sein, müssen wir eine arbeiter*innenorientierte Alternative zu den kapitalistischen Parteien aufbauen, die die globale Politik dominieren – eine, die für alle Unterdrückten kämpft, im Rahmen eines internationalen Klassenkampfs.
Vereint kämpfen
Arbeiter*innen dürfen diese Angriffe nicht einfach hinnehmen. Die Verabschiedung der Verfassungsänderung in Ungarn, die öffentliche LGBTQ-Veranstaltungen verbietet, wurde mit massiven Protesten beantwortet, bei denen Autobahnen und Brücken blockiert wurden. Die Voraussetzungen sind geschaffen für kämpferische und konfrontative Pride-Veranstaltungen, die sich bewusst über das neue Gesetz hinwegsetzen.
Rechte Politiker*innen auf der ganzen Welt sehen sich ähnlichen Protesten zu unterschiedlichsten Themen gegenüber. Im Nachbarland Serbien erleben wir derzeit die größten Proteste in der Geschichte des Landes gegen die korrupte Präsidentschaft des Trump-Verbündeten Aleksandar Vučić – ausgelöst durch den Einsturz eines Bahnsteigdaches. In Deutschland kam es zu Protesten gegen die migrationsfeindliche Politik der extrem rechten AfD und der etablierten Parteien, die deren Positionen übernehmen. Und in der Türkei gingen Millionen gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğans Abbau demokratischer Rechte auf die Straße.
Es ist die Arbeiter*innenklasse, die durch ihr eigenes Handeln Veränderungen erzwingen kann – nicht das Wohlwollen kapitalistischer Politiker*innen. In Sudan wurde 2020 ein Gesetz aufgehoben, das Auspeitschung und die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen vorsah. Dieser Erfolg war ein Produkt des revolutionären Aufstands von 2019, der zur Absetzung des Diktators Omar Al-Bashir führte. Obwohl der Sudan seither erhebliche Rückschläge erlitten hat, zeigt das Vermächtnis der Revolution von 2019, was möglich ist.
LGBTQ-Rechte sind keine Ablenkung von den „wirklichen Problemen“ – ein Angriff auf eine*n ist ein Angriff auf alle. Die Anti-LGBTQ-Gesetzgebung weltweit dient dazu, die Arbeiter*innenklasse insgesamt zu schwächen. Diese Gesetze zu stoppen, liegt im Interesse der gesamten Arbeiter*innenklasse.
Deshalb ist es entscheidend, dass die Arbeiter*innenbewegung den Kampf für LGBTQ-Befreiung aufnimmt. Die Macht der Arbeit zeigte sich in den zahlreichen Generalstreiks gegen Mileis „Kettensägen-Massaker“ in Argentinien. Dort gab es auch Demonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmenden, die sich konkret gegen Mileis Angriffe auf LGBTQ-Menschen richteten. Jede*r Politiker*in, die*der ähnliche Angriffe starten will, muss mit solch einem Widerstand konfrontiert werden.
Ein breiter Kampf für LGBTQ-Befreiung, verbunden mit den weitreichenden Forderungen arbeitender Menschen weltweit, hat das Potenzial, die Grundlagen des kapitalistischen Systems zu erschüttern. Er kann den imperialistischen Kriegskurs, die allgegenwärtige Korruption des Kapitalismus und unterdrückenden Geschlechternormen beenden. Denn Unterdrückung ist im Kapitalismus verankert – und deshalb müssen wir ihn überwinden. Was wir brauchen, ist Sozialismus und eine Welt ohne Kapitalist*innen, die die Unterdrückten für Krisen verantwortlich machen, die sie selbst verursacht haben.
Artikel im Original auf Englisch unter: https://internationalsocialist.net/en/2025/06/pride-month
Bild: Alisdare Hickson: CC BY-SA 2.0