Berliner öffentlicher Dienst: »Die Partei führt hier nicht die Verhandlungen«

Die Berliner Linksfraktion sieht kaum Spielraum für Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst. Die Partei DIE LINKE rechtfertigt im Berliner Senat nach wie vor den "Anwendungstarifvertrag" mit Lohneinbußen von 8 bis 12 Prozent für die Beschäftigten und stimmte im Senat zu, auch die jetzt von ver.di geforderten Einmalzahlungen zu verweigern. Wir dokumentieren ein Gespräch mit Marion Seelig, der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus.


 

Interview von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 24.8.07

Marion Seelig ist innenpolitische ­Sprecherin der Fraktion Die Linke im ­Berliner Abgeordnetenhaus

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) spielt im laufenden Tarifkonflikt für die Berliner Landesbediensteten den Harten: Die von ver.di, GdP, GEW und IG BAU geforderten Einmalzahlungen von drei mal 300 Euro lehnt er kategorisch ab. Welche Position bezieht die Linksfraktion in dem Konflikt?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes haben große Opfer zur Sanierung des Berliner Notlagenhaushalts gebracht. Deshalb gehen wir davon aus, daß sie nicht auf ewige Zeiten von der Einkommensentwicklung im Bund abkoppelt bleiben können.

Was heißt das konkret?

Daß wir so früh wie möglich in Verhandlungen eintreten, also nicht erst 2009, wenn der alte Tarifvertrag ausläuft. Wir wollen versuchen, uns mit den Gewerkschaften in vernünftiger Art und Weise zu einigen.

Am Dienstag hat der SPD-Linke-Senat das »Angebot« an die Gewerkschaften beschlossen, das bundesweit geltende neue Tarifrecht zu übernehmen – aber eben ohne die Lohnerhöhungen, die in den anderen Bundesländern und Kommunen vereinbart wurden.

Zumindest für einige Beschäftigtengruppen wird es im Rahmen der Ost-West-Angleichung zum 1. Januar 2008 bzw. zum 1. Oktober 2010 Einkommenssteigerungen geben. Das ist doch schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

Das ist mit dem von Berlin übernommenen Potsdamer Tarifvertrag 2003 doch längst vereinbart. Hier geht es nicht um die Ost-West-Angleichung, sondern um Lohnerhöhungen zum Ausgleich der Preissteigerungen. Wenn diese nicht gewährt werden, sind die Berliner Beschäftigten gegenüber ihren Kollegen in anderen Ländern und Kommunen gleich doppelt benachteiligt: zum einen durch die Lohnkürzungen von acht bis zwölf Prozent durch den Anwendungstarifvertrag 2003, zum anderen durch die Verweigerung des Inflationsausgleichs.

Dennoch bin ich sehr skeptisch, ob Lohnerhöhungen so ohne weiteres möglich sein werden. Wir sehen das eher perspektivisch und gehen davon aus, daß wir vernünftige und nicht übereilte Verhandlungen für eine Regelung nach Auslaufen des Anwendungstarifvertrags führen. Inwieweit wir noch während der Vertragslaufzeit Verbesserungen vornehmen können, werden die Verhandlungen zeigen.

Als politische Partei stellt Die Linke selbstverständlich die Forderung auf, daß es im öffentlichen Dienst eine vernünftige Bezahlung geben muß. Die Beschäftigten leisten schließlich eine wichtige Arbeit für das Gemeinwohl. Das Problem ist aber, daß die Partei hier nicht die Verhandlungen führt. Daß der Senat nun überhaupt seine Verhandlungsbereitschaft erklärt hat, ist doch schon einmal positiv. Das hatte ich von seiten der SPD zuvor noch anders wahrgenommen.

Zur Finanzsituation des Landes: Die Gewerkschaften argumentieren, daß sich diese gegenüber 2003 deutlich gebessert hat. Ist das nicht korrekt?

Wir zahlen immer noch jedes Jahr eine Milliardensumme an Zinsen – und hier geht es um das Geld der Berliner Steuerzahler.

Im vergangenen Jahr hat das Land eine Milliarde Euro mehr eingenommen als erwartet. Und in diesem Jahr ist die Steuerschätzung bereits zweimal nach oben korrigiert worden. Sollte man den Beschäftigten davon nicht ihren Anteil zugestehen?

Ich verstehe die Haltung der Gewerkschaften voll und ganz – das ist keine Frage. Aber das heißt nicht, daß ich deren Positionen immer eins zu eins übernehmen kann. Schließlich gibt es für das Land noch andere Schwerpunkte, die auch den Gewerkschaften durchaus am Herzen liegen. Beispielsweise wollen wir die Situation im Bildungsbereich deutlich verbessern, wofür wir neue, junge Lehrer einstellen müssen.

Wie soll sich die Situation im Bildungsbereich verbessern, wenn gerade junge Lehrer in andere Bundesländer abwandern, weil sie dort deutlich mehr verdienen als in Berlin?

Das ist tatsächlich ein Problem. Deswegen werden wir wohl nicht umhinkommen, uns nach Auslaufen des Anwendungstarifvertrages wieder in die bundesweiten Regelungen einzuklinken – auch, was die Gehalts- und Arbeitszeitbestandteile anbelangt.

Bis 2009 soll demnach nichts passieren?

Das weiß ich nicht. Ich finde es wichtig, daß jetzt erst einmal das Gespräch gesucht wird. Es liegt die Maximalforderung nach Einmalzahlungen von insgesamt 900 Euro auf dem Tisch. Vielleicht geht etwas in diese Richtung, aber wie gesagt: Das muß man genau ausloten.