Tarifrunde der Länder: Forderung beschlossen – 10,5%, mindestens 500€ mehr!

ver.di, GEW und Beamtenbund haben ihre gemeinsamen Forderungen für die bevorstehende Tarifrunde der Länder vorgestellt, ab dem 26.10. wird verhandelt. Seit der letzten Länder-Tarifrunde vor zwei Jahren sind die Preise um 13,5% gestiegen.

Von Jan Hagel, Hamburg

Man könnte fast den Artikel von vor einem Jahr wiederverwenden: wie in der Tarifrunde bei Bund und Kommunen fordern ver.di und GEW für die Beschäftigten der Länder 10,5% mehr Lohn, mindestens aber 500€ im Monat mehr, außerdem 200€ mehr Ausbildungsvergütung und Übernahmegarantie für Azubis bei einem Jahr Laufzeit. Für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst wird die Übernahme der Zulagen und Eingruppierungsregelungen aus dem TVöD-Abschluss gefordert. Hessen bleibt dabei außen vor, dort gilt ein eigener Tarifvertrag, über den einige Monate später verhandelt wird.

Stadtstaatenzulage: Mutige Forderung mit Spaltungsrisiko

Aber zwischen TV-L und TVöD gibt es dann doch einige Unterschiede. Zum Beispiel die Stadtstaatenzulage: Für die Beschäftigten der Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen fordert ver.di zusätzlich 300€ mehr Lohn, für die Azubis 150€ mehr. Zusammengenommen ergibt das zum Beispiel für eine Sachbearbeiterin in Entgeltgruppe 8 Stufe 3 eine Forderung nach 800€ oder 24,2% mehr Lohn – das ist rekordverdächtig und angesichts der sonst üblichen Forderungen im Bereich der oder knapp über der Inflationsrate mutig. Bei den Kolleg*innen in den Stadtstaaten kam die vorgeschlagene Zulage in der Forderungsdiskussion gut an – kein Wunder, denn die Mieten in Hamburg und Berlin liegen deutlich über dem Durchschnitt. Laut ver.di sind sie 200 bis 400€ höher als im Umland. Schon seit der letzten Tarifrunde forderten Kolleg*innen in Hamburg einen Ausgleich für die hohen Lebenshaltungskosten, die positive Resonanz zeigt, dass eine kämpferische Tarifforderung motivierend wirken kann.

Andererseits könnte eine weitere Zersplitterung der Tariflandschaft für viele Kolleg*innen negative Folgen haben. In manchen Landeshaupt- und Unistädten wie Stuttgart oder Freiburg sind die Mieten ähnlich hoch wie in den Stadtstaaten oder sogar noch teurer, trotzdem fordern die Gewerkschaften dort keine Zulage. Wenn sie jetzt zugunsten der Stadtstaatenzulage Zugeständnisse bei der allgemeinen Lohnerhöhung machen, fallen die Landesbeschäftigten dort hinten runter.

Deutliche tabellenwirksame Erhöhungen für alle

Deshalb muss bei den Verhandlungen die Durchsetzung der 10,5% bzw. 500€ oberste Priorität haben. Die Gewerkschaften sollten sich nicht schon wieder mit einer nicht tabellenwirksamen „Inflationsprämie“ abspeisen lassen und einen Abschluss mit vielen Nullmonaten und langer Laufzeit akzeptieren. Mit der Orientierung auf den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst verbinden viele in den Gewerkschaften die Hoffnung auf eine Übertragung des Ergebnisses, das von führenden Gewerkschafter*innen als großer Erfolg dargestellt wird. In Wahrheit hat der Abschluss die Forderungen aber nur zur Hälfe erfüllt..

Die Forderung nach einer automatischen Anpassung der Löhne an die Inflation wurde leider nicht aufgegriffen, obwohl die Betriebsgruppe der FU Berlin viele Unterschriften dafür gesammelt hatte und sich beim ver.di-Bundeskongress 46% der Delegierten offen für die Idee von Indexlöhnen zeigten.

Studentische Hilfskräfte und Tutor*innen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen fordern seit langem einen Tarifvertrag (TVStud) und setzten schon in der letzten Tarifrunde kämpferische Akzente auf den Warnstreikdemos. Für sie kam damals leider nichts Greifbares heraus, nur die Zusage zu einer gemeinsamen Bestandsaufnahme über die Arbeitsbedingungen von studentischen Beschäftigten, zu der die TdL quasi nichts beitrug während TVStud-Aktive mit dem IAW und den Gewerkschaften eine umfangreiche Studie durchführten und sich weiter organisierten. Auch bei dieser Tarifrunde werden die studentischen Beschäftigten mit dabei sein. 

Streik muss sein

Um einen guten Abschluss zu bekommen, müssen die Kolleg*innen streiken. Ein oder zwei Warnstreiktage vor der dritten Verhandlungsrunde Anfang Dezember werden wohl nicht reichen. Schon vorher sollte es Streiks und Aktionen geben, zum Beispiel gemeinsame Warnstreiks mit den studentischen Beschäftigten zum bundesweiten Hochschulaktionstag am 20. November.

Bei einem schlechten Angebot braucht es auch die Option eines Erzwingungsstreiks. Bisher haben ver.di und GEW bei den Ländern deutlich zu wenige Mitglieder. Der hohe Beamtenanteil erschwert in vielen Bereichen Streiks und die Tarifabschlüsse der letzten Jahre haben nicht unbedingt zu Begeisterung und Mitgliederwachstum geführt. Aber es gibt Ausnahmen und besser organisierte Bereiche, etwa die Unikliniken, angestellte Lehrkräfte in Berlin und die Stadt Hamburg, bei der alle Verwaltungsbeschäftigten nach TV-L bezahlt werden.

Die Tarifrunden Anfang des Jahres, bei denen ca. 100.000 Kolleg*innen in ver.di eingetreten sind, haben gezeigt, dass Gewerkschaften im Arbeitskampf schnell Mitglieder gewinnen können. Jetzt ist Zeit, in die Gewerkschaft einzutreten – und für 500€ bzw. 10,5% mehr zu streiken.

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