Nein zum Blutbad, nein zum Krieg gegen Gaza 

Gemeinsamer Kampf für ein Ende von Besatzung, Blockade und Unterdrückung, gegen die reaktionären Methoden der Hamas 

Wir sind solidarisch mit allen Menschen , die Freund*innen und Angehörige verloren haben, die verwundet wurden oder deren Häuser zerstört wurden. 800 Menschen starben bei den Angriffen der Hamas, die Bombenangriffe auf Gaza haben bereits weitere 500 getötet und müssen sofort gestoppt und der Belagerungszustand aufgehoben werden. Es müssen Verhandlungen für einen Gefangenenaustausch begonnen werden. Die Geiselnahme durch die Hamas ist zu verurteilen. Allerdings hat sie ihre Entsprechung auf israelischer Seite: 4500 Palästinenser*innen sitzen wegen ihres Widerstandes gegen die Besatzung im Gefängnis, darunter 170 Kinder.

Das stärkste Militär im Nahen Osten wurde am 7. Oktober durch die Hamas-Kämpfer*innen blamiert. Hunderte drangen in südisraelische Orte ein, beherrschten die Straßen, töteten und entführten Menschen und eroberten Militärfahrzeuge, Waffen und Munition. 36 Stunden nach dem Angriff hatte die Israelische Armee  die Kontrolle noch nicht komplett wiederhergestellt. Die Opferzahlen sind enorm.

Die Truppen am Zaun zu Gaza waren ausgedünnt und ins Westjordanland verlegt, wo sie seit Monaten gewaltsam zusammen mit rechtsextremen israelischen Siedler*innen gegen die palästinensische Bevölkerung vorgehen. Als hunderte rechtsextreme Siedler*innen im Februar dieses Jahres Brandsätze auf Wohnhäuser in der palästinensischen Ortschaft Hawara im Westjordanland warfen und auf Palästinenser*innen schossen, griff die israelische Armee erst ein, als sich Palästinenser*innen gegen das Pogrom wehrten und Steine zurückwarfen – die Armee beschoss die Palästinener*innen mit Tränengas und Blendgranaten. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich sagte danach, dass Hawara durch den israelischen Staat “ausgelöscht” werden müsse. Rund 200 Palästinenser*innen wurden 2023 – im blutigsten Jahr seit Jahrzehnten – getötet.

Hamas hat keine Lösung

Viele Palästinenser*innen sind verständlicherweise begeistert, dass Symbole der Unterdrückung – der Zaun, Panzer und Militärstationen – zerstört wurden. Doch die Methoden der Hamas sind grausam und reaktionär. Sie treiben die israelische Bevölkerung noch stärker in die Arme des Staatsapparates, der Regierung und der extremen Rechten.

Wir lehnen die Methoden der Hamas ab. Allerdings ist der palästinensische Kampf gegen die Besatzung und für die Freiheit gerechtfertigt. Denn grausam sind auch die Lebensverhältnisse der palästinensischen Bevölkerung, sowohl der 2 Millionen im von Israel und Ägypten abgeriegelten “Freiluftgefängnis” Gaza als auch der 2,3 Millionen im Westjordanland, das immer mehr durch die Siedlungen zerstückelt wird. In Gaza sind 45% arbeitslos, 50% der Kinder geben an, dass sie keinen Lebenswillen haben. 95% des Wassers ist nicht trinkbar, es gibt täglich nur 4 Stunden Elektrizität.

Zunächst stehen Armee und Regierung wie Verlierer da. Der Glauben an die Überlegenheit des israelischen Staates und seines hochgerüsteten Militärs ist erschüttert. Doch die Regierung setzt die Demütigung in militärische Gewalt und nationale Einheit um. Die Opposition hat erklärt, sich hinter der Regierung zu versammeln. Reservist*innen, die wegen der Angriffe Netanyahus auf demokratische Rechte erklärt hatten, den Einsatz zu verweigern, gehen in den aktiven Dienst. Die faschistischen Koalitionspartner von Netanyahu und die extreme Rechte im Likud selbst werden jetzt prüfen, ob dies nicht die Gelegenheit ist, ihren Traum von Großisrael und der vollständigen Vertreibung der Palästinenser*innen zu verwirklichen.

Die angekündigte Bodenoffensive in Gaza wird erste Hinweise darauf geben, wohin es geht. Der Versuch, militärisch in Gaza einzurücken, ist eine Garantie für weiteres Blutvergießen mit Verlusten auf allen Seiten – vor allem aber unter Zivilist*innen. Die von den Herrschenden gewollte Spaltung nach dem “Teile-und-Herrsche”-Muster nimmt zu. Schon jetzt finden rassistische Übergriffe von Nationalist*innen auf Palästinenser*innen statt. 

Schon in den ersten beiden Tagen nach der Hamas-Offensive wurden bei Bombenangriffen auf Gaza durch die israelische Armee über 500 Menschen getötet und über 2000 verletzt. In der bisherigen Logik der israelischen Regierungen wird unterschiedslos Rache an der palästinensischen Bevölkerung genommen, die Vergeltung wird blutiger sein als der Angriff der Hamas. Die Abschaltung der Stromversorgung in Gaza und die Bombardierung von Wohnblöcken ist nichts anderes als staatlicher Terrorismus. Netanyahu rief die Menschen in Gaza auf zu fliehen – purer Zynismus, denn er selbst ist für die Abriegelung Gazas verantwortlich. Die Menschen können nirgendwohin gehen. Eine Rückkehr zum Status quo vor der jüngsten Eskalation scheint aktuell ausgeschlossen.

Solidarität gegen Krieg und Besatzung

In Deutschland rufen alle etablierten Parteien und Medien zur “Solidarität mit Israel” auf. Sie empören sich über die Morde der Hamas und schweigen zu den Massakern der israelischen Armee, die in den letzten 20 Jahren Tausende getötet hat. Sie nutzen die Greuel, um die brutale Besatzung und Unterdrückung und ihre eigene politische und militärische Unterstützung für den Staat Israel zu rechtfertigen. Alle Verbündeten reden davon, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Tatsächlich hat auch die palästinensische Bevölkerung ein Recht darauf, für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen. Wer wirklich solidarisch mit den Menschen in der Region sein will, darf zu Besatzung, Blockaden und Siedlungen nicht schweigen, denn ohne ein Ende der Unterdrückung ist auch kein nachhaltiger Frieden vorstellbar.

Die regionalen und globalen imperialistischen Mächte spielen ein schmutziges Spiel mit den Menschen der Region. USA und EU stützen Israel, weil sie einen loyalen Wachtposten im ölreichen und strategisch wichtigen Nahen Osten brauchen. Der Iran benutzt die Kämpfer von Hamas und der libanesischen Hisbollah für einen Stellvertreterkrieg gegen Israel. 

“Wir weigern uns, Feinde zu sein” war ein Slogan israelischer und palästinensischer Aktivist*innen bei Aktionen der Gewerkschaft der Sozialarbeiter*innen, der Busfahrer*innen und in spontanen Aktionen von Krankenhausbeschäftigten. Seit Jahren gibt es vor allem im Westjordanland und Ost-Jerusalem zivilen, massenhaften Widerstand gegen die Besatzung und die Zerstörung von Häusern, mit Demonstrationen, Besetzungen, Blockaden. Israelische Linke beteiligen sich an diesen Aktionen.

Zuletzt gab es monatelange Massenproteste in Israel/Palästina gegen die rechtsextreme Regierung und ihre Pläne, die Rechte des Obersten Gerichts einzuschränken. Leider war die Führung dieser Protestbewegung nicht bereit, die Besatzung in Frage zu stellen und Palästinenser*innen in die Bewegung einzubeziehen, die mit ihren israelischen Kolleg*innen von der Politik der extremen Rechten betroffen sind. Aktuell rufen die Oppositionspolitiker*innen dazu auf, die Proteste einzufrieren – genau das Gegenteil wäre nötig: Der Abbau demokratischer Rechte in Israel geht einher mit der Repression von palästinensischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Das ausgerufene Kriegsrecht erlaubt der Regierung auch das Verbot von Demonstrationen in Israel. Der Kampf gegen die Diktatur von Besatzung und Blockade gehört zusammen mit dem Kampf um Demokratie in Israel, gegen die extreme Rechte, und ein kapitalistisches System, das es nicht schafft, Frieden und soziale Sicherheit herzustellen.

“Wir weigern uns, Feinde zu sein”

Die Palästinenser*innen haben das Recht, sich gegen die Angriffe und die Besatzung zu wehren, auch bewaffnet. Wir treten dafür ein, dass palästinensische bewaffnete Selbstverteidigungskräfte demokratisch von lokalen Komitees kontrolliert werden und Teil einer Massenbewegung für die Befreiung sind. Raketen auf israelische Orte und die Tötung und Entführung von Zivilist*innen lehnen wir ab. Stattdessen sollten im Westjordanland Streiks und Massendemonstrationen vorbereitet werden sowie die Selbstverteidigung vor Angriffen des israelischen Militärs und der rechtsextremen Siedler*innen. Jüdische und arabische Israelis sollten gemeinsame Proteste organisieren.Wir und unsere Genoss*innen in Israel-Palästina treten für die Einheit der arbeitenden und armen Menschen ein, über nationale und religiöse Grenzen hinweg, für das Recht auf Selbstbestimmung der Palästinenser*innen, für ein sozialistisches Palästina und für ein sozialistisches Israel, als Teil einer Konföderation sozialistischer Staaten im Nahen Osten. Der Kapitalismus bietet den Menschen in der Region keine Perspektive, sondern nur den Teufelskreis aus Armut, Unterdrückung, Unsicherheit und Krieg.

Bild: UN Photo/Shareef Sarhan, CC BY-NC-ND 2.0 DEED