Selbstbestimmungsgesetz: Ende der Unterdrückung von trans Menschen?

Die Bundesregierung plant, ein Selbstbestimmungsgesetz einzuführen, das das Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen soll. Damit will sie sich als Verbündete der trans Community darstellen.

von Emilia, Aachen

Bei diesem Gesetz geht es darum, den rechtlichen Namen und den Geschlechtseintrag zu ändern. Das erleichtert den Alltag von trans Menschen, wenn sie  ihren richtigen Namen nutzen, wenn sie sich ausweisen oder Bankgeschäfte tätigen, oder auch, um bei privaten Organisationen darauf bestehen zu können, unter ihrem richtigen Namen und Geschlecht geführt und angesprochen zu werden.

Diskriminierende Praxis 

Aktuell wird das Verfahren vom Transsexuellengesetz bestimmt: zunächst stellt man einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht, um ein entsprechendes Gerichtsverfahren zu eröffnen. Als Teil dieses Verfahrens werden zwei psychologische Gutachten darüber eingeholt, ob man trans ist, das Gericht entscheidet dann auf Basis dieser Gutachten. Im Schnitt kostet ein Verfahren etwas unter 2000 Euro, die die trans Person in der Regel selbst zahlt, und dauert etwas länger als neun Monate.

Je nach Gutachter*in können diese Gutachten belastend sein, intime Fragen etwa zur sexuellen Orientierung, dem Masturbationsverhalten oder Traumata sind recht normal. Häufig werden auch Stereotype herangezogen, etwa bei Kleidung oder Hobbys. Dabei ist man den Gutachter*innen ausgeliefert, weil sie den Ausgang des eigenen Verfahrens in der Hand haben. Andererseits wissen trans Menschen natürlich, was von ihnen erwartet wird und können sich entsprechend verhalten. Nur wenige Verfahren werden tatsächlich abgelehnt. Im Gesetzestext werden noch weitere Bedingungen wie eine Sterilisation genannt, die vom Bundesverfassungsgericht aber bereits gekippt wurden.

Das ganze Verfahren steht nur Menschen mit dauerhafter Aufenthaltserlaubnis offen (also z.B. nicht Asylbewerber*innen). Minderjährige können das Verfahren durchlaufen, wenn ihre Eltern zustimmen. Wenn das Verfahren erfolgreich war, kann man sich sämtliche amtlichen Dokumente auf den neuen Namen und Geschlecht neu ausstellen lassen. Einzige Ausnahme: auf der Geburtsurkunde der eigenen Kinder wird weiterhin der falsche Name und Geschlecht genannt. Grundsätzlich ist es verboten, ohne besonderen Grund den Vornamen, der mit diesem Verfahren geändert wurde, auszuforschen oder zu offenbaren (Offenbarungsverbot). Dieses Verbot ist aber mit keiner Strafe versehen.

Für Intersexuelle; Menschen mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen, gilt ein anderes Verfahren: hier ist eine entsprechende Änderung beim Standesamt möglich, wenn man eine ärztliche Bescheinigung über die körperliche Abweichung vorlegt.

Druck von unten

Schon seit Jahren fordern trans und inter Menschen, die beiden Verfahren zu vereinen und zu vereinfachen, damit eine Erklärung beim Standesamt genügt. 2021, vor der letzten Bundestagswahl, haben FDP und Grüne entsprechende Entwürfe in den Bundestag eingebracht. Die LGBTQI+ Community hat auf diese Entwürfe mit Begeisterung reagiert, sie scheiterten im Bundestag aber an den Stimmen von Union, SPD und AfD.
DIE LINKE hatte diese Entwürfe unterstützt und zusätzlich einen eigenen Entwurf eingebracht, um Zwangssterilisationen an trans und inter Menschen in der Vergangenheit zu entschädigen, was mit der gleichen Mehrheit abgelehnt wurde.

Dann kam die Ampel-Regierung. Zumindest in diesem einen Bereich bestand dadurch Hoffnung auf eine Verbesserung, es gab ja bereits zwei ausgezeichnete Entwürfe. Im Koalitionsvertrag wurde das Selbstbestimmungsgesetz angekündigt. Danach passierte lange Zeit scheinbar nichts, mehrfach wurden Zeitpläne verkündet und dann doch nicht eingehalten.

Was die Ampel draus gemacht hat

Nun hat die Bundesregierung endlich einen Entwurf beschlossen. Der Kernpunkt der Anpassung per Erklärung beim Standesamt bleibt erhalten. Leider ist das schon fast alles, was man Gutes darüber sagen kann. Es gibt darin viele Regelungen, die trans Menschen das Leben schwer machen werden.

Die Erklärung beim Standesamt muss drei Monate vorher angemeldet werden, um Bedenkzeit zu geben, eine sinnlose bürokratische Hürde – die deutlich macht, dass im vorliegenden Gesetz nicht tatsächliche Selbstbestimmung, sondern auch eine ganze Menge Misstrauen im Fokus steht – und weitere Zeit, in der man mit seinem falschen Namen konfrontiert wird. Für Intersexuelle ist das Gesetz damit keine Vereinfachung, ihr bisheriger Weg ist unbürokratischer.

In einem eigenen Absatz wird erklärt, dass der Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen unabhängig von diesem Gesetz nach Vertragsfreiheit und Hausrecht geregelt werden kann. Dieser Absatz ändert rechtlich überhaupt nichts und ist damit eigentlich überflüssig. Andererseits gibt es die Befürchtung, dass er sehr wohl etwas ändert und den bisherigen Diskriminierungsschutz einschränkt oder zumindest in der Praxis Diskriminierung legitimiert.

Hintergrund des Ganzen ist der transfeindliche Mythos, trans Frauen würden in Frauenräume eindringen, um cis Frauen zu belästigen oder gar sexuelle Übergriffe zu begehen. Tatsächlich tauchten solche Probleme so gut wie nirgendwo auf, im Gegenteil: trans Frauen sind meist eher Opfer von Übergriffen und bräuchten Schutz.
Ähnliches gilt für die Absätze zu Sportleistungen oder Gesundheitsleistungen: rechtlich sind sie irrelevant und damit überflüssig, könnten aber Diskriminierung gegen trans Menschen legitimieren.

Minderjährige werden schlechter gestellt als bisher: sie brauchen weiterhin die Zustimmung ihrer Eltern, bis 14 Jahren sogar zusätzlich eine Genehmigung vom Familiengericht. Bei den Geburtsurkunden der eigenen Kinder kann man sich nun auf Antrag statt dem falschen Geschlecht als „Elternteil“ eintragen lassen. Dafür müssen trans Mütter und manche nichtbinäre Eltern, die zum Zeitpunkt der Geburt ihr Geschlecht geändert haben, die „Vaterschaft“ ihrer Kindes nun vor Gericht erstreiten, um überhaupt als Elternteil anerkannt zu werden.

Das Offenbarungsverbot ist nun strafbewehrt, allerdings nur bei einer absichtlichen Schädigung. Das ist natürlich schwer nachzuweisen, sodass diese Regelung weiter schwach bleibt. Für Familienmitglieder gibt es außerdem eine Ausnahme.

Außerdem sollen jedes Mal fast alle Sicherheitsbehörden automatisch informiert werden, wenn jemand eine entsprechende Erklärung abgibt. Bedenkt man allein die bekannten Fälle, wo Polizist*innen ähnliche Daten an Nazis weitergaben (z. B. “NSU 2.0”), stellt das eine massive Gefährdung dar, besonders für Migrant*innen. Der schwache Schutz durch das Offenbarungsverbot erscheint daneben wie ein Hohn. Die Begründung, Personen könnten durch Namensänderung untertauchen, ist unsinnig: wer auf der Flucht vor dem Gesetz ist, spaziert nicht mit Ausweis in staatliche Behörden. Außerdem werden für strafrechtliche Verfolgungen die alten Daten ohnehin herausgegeben.

Weiterhin sind Asylbewerber*innen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen. Erst wer eine Aufenthaltserlaubnis hat, darf seinen Geschlechtseintrag ändern lassen. Obwohl ja gerade queere Geflüchtete oftmals besonderen Schutzes bedürfen, angesichts drohender Gewalt und Verfolgung im Herkunftsland und das auch eine Rolle im Asylverfahren spielen kann.

Fortschritt in engen Grenzen 

Insgesamt bringt das Gesetz zwar eine lang ersehnte Vereinfachung des Verfahrens, führt dafür aber auch zahlreiche neue Probleme ein und ist teilweise eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist eine vergleichsweise einfache Reform, die den Staat nichts kostet und außer trans und inter Menschen niemanden direkt betrifft. Es gibt zudem weitere Probleme für trans Menschen:  medizinische Transitionsmaßnahmen sind weiterhin an psychologische Gutachten geknüpft, auch dabei gibt es viele Hürden. Damit verbunden ist an der Mangel an Psychotherapeut*innen. Sowohl die Psychologisierung der Transitionsmaßnahmen als auch die katastrophale Situation bei der psychischen Gesundheitsversorgung müssen  beendet werden. Auch Diskriminierung am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche existieren immer noch.

Hier gilt es für die Betroffenen, den Schulterschluss  mit der gesamten Arbeiter*innenklasse zu suchen, die unter den meisten dieser Probleme ähnlich leidet und gemeinsam dagegen zu kämpfen. Bei der Lösung unserer Probleme können wir uns nicht auf die kapitalistischen Parteien verlassen, sondern müssen es selbst in die Hand nehmen!