Staatlicher Rassismus: Diskriminierung soll uns spalten

Rassismus ist die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder ethnischer Herkunft. Wenn diese Diskriminierung durch staatliche Organe auf Grund von gesetzlichen Vorschriften stattfindet sprechen wir von staatlichem Rassismus. Die deutsche Nationalität wird in der Regel dadurch erworben, dass man deutsche Eltern hat. Dieses offensichtlich rassistische Abstammungsrecht heißt ganz offiziell „Ius sanguinis“, also „Recht des Blutes“.

Von Ianka Pigors, Hamburg

Manche Migrant*innen sind ausländischer als andere nicht-deutsche Menschen und brauchen eine Ausnahmegenehmigung, um sich in Deutschland aufhalten zu dürfen. Andernfalls machen sie sich strafbar. Sie sind „illegal“. EU-Bürger*innen dürfen in Deutschland leben, wenn sie hier arbeiten oder reich genug sind, um nicht arbeiten zu müssen (§2 Abs. 2 FreizügG/EU). Andere, zum Beispiel US-Amerikaner*innen, Japaner*innen und Bürger*innen der Vereinigten Arabischen Emirate dürfen sich als Tourist*innen bis zu drei Monate im Bundesgebiet aufhalten.

Teile und Herrsche

Menschen aus den meisten anderen Ländern benötigen jedoch ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis, was individuell beantragt werden muss. Als Faustregel gilt: Je reicher das Herkunftsland und je enger seine politischen Verbindungen zu Deutschland sind, desto leichter ist es, sich hier legal aufzuhalten.

Es gibt eine Vielzahl von Aufenthaltserlaubnissen, die jeweils mit unterschiedlichen Rechten verbunden sind. Mit einer Aufenthaltserlaubnis für Ehegatt*innen deutscher Staatsangehöriger (§28 I Nr. 1 AufenthG) darf man arbeiten und studieren, will und hat Anspruch auf normale Sozialleistungen und Krankenversorgung. Nach acht Jahren kann man die Einbürgerung beantragen.

Eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist dagegen in der Regel mit einer Wohnsitzauflage verbunden, Kindergeld gibt es nur, wenn man erwerbstätig ist und eine Einbürgerung ist ausgeschlossen.

Erteilte Aufenthaltsgenehmigungen können wieder entzogen werden. Manchmal reicht der Verlust einer Arbeitsstelle, manchmal eine Straftat, in anderen Fällen die Änderung der politischen Lage im Herkunftsland. Unterschiedliche Diskriminierungsgründe, die mit den verschiedenen Aufenthaltstiteln verbunden sind, machen solidarisches Handeln schwierig. Die Drohung mit dem Verlust des Aufenthaltsrechtes ist ein wirksames Mittel der Einschüchterung.

Im Interesse des Kapitals

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das „Ausländerrecht“ in Deutschland immer weiter verschärft. Allein in den letzten 15 Jahren gab es mehr als 30 Gesetzesänderungen. Dabei zeigen sich drei Grundlinien, die sich am Besten als „Peitsche und Zuckerbrot“ charakterisieren lassen: Erstens der Versuch, Geflüchtete zum Beispiel durch die Einführung der sogenannten „Sicheren Herkunftsstaaten“ und die Schaffung von „Ausreisezentren“, Leistungseinschränkungen und Arbeitsverboten bei fehlender Mitwirkung an der eigenen Abschiebung abzuschrecken. Zweitens die Erleichterung von Ausweisungen bei Straftaten und anderen Regelverstößen und die Verschärfung des Abschiebungsrechts. Drittens die immer stärkere Koppelung humanitärer Aufenthaltsrechte an ununterbrochene Erwerbstätigkeit, zum Beispiel durch die sogenannte „Ausbildungsduldung“.

Diese Maßnahmen sind Ausdruck widerstreitender Interessen des deutschen Kapitals in Bezug auf Migration. Einerseits benötigt das deutsche Kapital dringend Fachkräfte, auch aus dem Ausland, andererseits will es auf das Spaltungspotential nicht verzichten.

Ein Teil der herrschenden Klasse ärgert sich über die Kosten, die Geflüchtete verursachen, für einen anderen Teil erwirtschaften Menschen ohne Papiere oder mit prekärem Aufenthalt willkommene Extraprofite, zum Beispiel in der Fleischindustrie oder der Gastronomie. Die Politik versucht, diesen Interessen gerecht zu werden – das Ergebnis ist staatlicher Rassismus, der sich vor allem gegen Menschen aus der Arbeiter*innenklasse richtet.

Einheit der arbeitenden Menschen

Für Sozialist*innen steht die Einheit der Arbeiter*innenklasse im Vordergrund. Wer ohne Arbeit abgeschoben wird, wird nicht auf Arbeitssicherheit pochen. Wer keine Arbeitserlaubnis hat, akzeptiert jeden Hungerlohn und wer auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert wird, zahlt auch Fantasie-Mieten für eine Gammelwohnung. Damit entsteht eine Abwärtsspirale die Auswirkungen auf Alle hat. Bei diesem Spiel gibt es in unserer Klasse nur Verlierer*innen, während die Kapitalist*innen profitieren. Wir fordern daher die Abschaffung aller rassistischen Sondergesetze und stehen stattdessen für den gemeinsamen Kampf für Bleiberecht, Arbeitsplätze, höhere Löhne und bezahlbaren Wohnraum für Alle.

Die Migrationspolitik der Ampel: Alter Wein in neuen Schläuchen

Zum Jahreswechsel ist das neue Migrationspaket der Ampel-Regierung in Kraft getreten. Eine politische Trendwende sieht anders aus.

Weitere Verschärfung des Abschiebungshaftrechts

Grundsätzlich können Menschen „zur Sicherung einer Abschiebung“ für bis zu drei Monate eingesperrt werden. Eine verlängerte Frist von sechs Monaten galt bisher für Personen, von denen angeblich „eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit“ ausging. Das kann nun auch Menschen treffen, die wegen klassischer Armutsvergehen wie Sozialleistungsbetrug oder Drogendelikten zu mehr als sechsmonatigen Bewährungsstrafen verurteilt wurden.

Erleichtere Ausweisungen

Schon nach der alten Regelung konnten als Flüchtlinge anerkannte Menschen bei bestimmten Straftaten ausgewiesen und damit potentiell in den Tod abgeschoben werden. Bisher war das allerdings nur möglich, wenn von ihnen persönlich (noch) eine „Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit“ ausging. Jetzt gilt der Grundsatz der „Generalprävention“. Das bedeutet: auch wenn individuell keine Wiederholungstat zu befürchten steht ist eine Ausweisung möglich, um andere potentielle Täter*innen abzuschrecken.

Das „Chancenaufenthaltsrecht“

Mit ihrer „Bleiberechtsregelung“ wollte die Ampel die sogenannten „Kettenduldungen“ beenden. Davon sind Menschen betroffen, die keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, obwohl ihre Abschiebung seit Jahren oder Jahrzehnten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. In Deutschland leben 250.000 Geduldete. Mit dem „Chancenaufenthaltsrecht“ (CAR) können sie für 18 Monate eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten, wenn sie am 31.10.2022 seit mindestens fünf Jahren ausländerrechtlich gemeldet waren, nicht zu mehr als 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt wurden und ihre Identität nicht verschleiert haben, um eine Abschiebung zu verhindern.

Aber: Innerhalb dieser anderthalb Jahre müssen sie eine Arbeit finden und behalten, Deutsch lernen und sich einen Reisepass besorgen. Klappt das nicht, wird die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert.

Die meisten Betroffenen sind abgelehnte Asylbewerber*innen. Ein Großteil von ihnen fällt bereits aus der Regelung heraus, weil er wegen Straftaten im Zusammenhang mit der für Asylbewerber*innen unvermeidlichen illegalen Einreise oder ähnlichen „Ausländer*innenstraftaten“ vorbestraft ist oder Falschangaben gemacht hat, um nicht abgeschoben zu werden. Viele andere dürften Schwierigkeiten haben, nach jahrelanger sozialer Isolation in Flüchtlingsunterkünften innerhalb kürzester Zeit gleichzeitig eine Arbeit zu finden und Deutsch zu lernen.

Das Bundesinnenminsterium selbst geht davon aus, dass höchstens 13,5 % der Geduldeten von der Regelung profiieren werden. Der wichtigste Effekt der „Chancenaufenthaltserlaubnis“ wird sein, dass Tausende verzweifelte Menschen jede Zumutung des Arbeitgebers schlucken müssen, weil ihre Lebensperspektive auf Gedeih und Verderb an ihrem Job hängt.

Das ist zweifellos eine Chance – aber eher für skrupellose Mittelstandsbetriebe als für Geflüchtete.

Foto: Rasande Tyskar (CC-BY-SA 2.0)