Tarifrunden im ÖD und bei der Post beginnen: Aktiv werden, streiken, Löhne verteidigen!

Kundgebung während des Post-Streiks 2015 in Köln

Ab 1. Januar beginnen wichtige Tarifrunden im Dienstleistungssektor. Bei Bund und Kommunen geht es um einen Inflationsausgleich für 2,3 Millionen Beschäftigte – nach vielen Jahren mittelmäßiger Abschlüsse mit viel zu langen Laufzeiten muss die Forderung nach 500 Euro bzw. 10,5 % mehr diesmal durchgesetzt werden, um Reallohnverluste zu verhindern. Und nicht nur im öffentlichen Dienst wird die Post abgehen – auch bei der Deutschen Post geht es um 15 % mehr Lohn.

Von Thies Wilkening, Reinbek

In beiden Bereichen haben vor der Aufstellung der Forderungen Online-Befragungen mit großer Beteiligung der Kolleg*innen stattgefunden. Im öffentlichen Dienst sammelt ver.di schon seit Mitte Oktober als „Stärketest“ in Betrieben und Dienststellen Unterschriften für die Forderung. Dabei gibt es oft große Unterstützung, denn bei über 10 % Inflation und vervielfachten Abschlägen für Strom und Heizung liegt auf der Hand, dass die Forderung nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig ist – zumal die Steuereinnahmen deutlich gestiegen sind. Auch bei der Post ist Geld da, nach 8 Milliarden Euro im letzten Jahr winken 2022 noch höhere Gewinne.

Dass ver.di – anders als manche andere Gewerkschaften – angemessen hohe Forderungen für den TVÖD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) aufgestellt hat, ist gut. Man muss diese Forderungen aber auch durchsetzen und bereit sein, dafür zu streiken. Rechtlich wären gemeinsame Warnstreiktage und -kundgebungen von Kolleg*innen aus dem ÖD und Postler*innen ab 1.1. möglich. Leider wird es dazu wohl nicht kommen, weil die Vorbereitungsphase im öffentlichen Dienst bis zum Verhandlungsauftakt Ende Januar verlängert wurde und die Post-Tarifrunde bis dahin wahrscheinlich vorbei ist.

Aber egal, wann es los geht: flächendeckende Warnstreiks sind nötig. Sie sollten mit Streikversammlungen verbunden werden, damit die Kolleg*innen sich über den Stand der Verhandlungen informieren, weitere Schritte diskutieren und wenn nötig Erzwingungsstreiks vorbereiten können.

Einmalzahlungs-Falle

Sowohl die Deutsche Post als auch Bund und VKA (Verband der kommunalen Arbeitgeber) werden sicherlich dem Beispiel der Chemie- und Metallindustrie folgen und früher oder später steuerfreie Einmalzahlungen bis zu 3000 Euro anbieten. Das klingt für viele Kolleg*innen erst einmal attraktiv. Die Tarifabschlüsse in der Industrie zeigen aber eindrucksvoll, dass Einmalzahlungen benutzt werden, um von Reallohnverlust abzulenken.

Im öffentlichen Dienst ist etwas ähnliches schon 2020 mit der „Corona-Prämie“ passiert. Sie hat mit dazu beigetragen, dass die Löhne über die 27 Monate Laufzeit nur um 3,2 % erhöht wurden, während die Preise um 15,4 % gestiegen sind – das bedeutet 12,2 % Reallohnverlust.

Um so etwas zu verhindern, müssen wir in der Gewerkschaft und beim Streik auf der Straße klarmachen: keine längere Laufzeit als 12 Monate, keine Einmalzahlungen auf Kosten der Lohnerhöhung!

Druck machen – Forderungen durchsetzen

Leider deuten die Erfahrungen der letzten Jahre darauf hin, dass sich die Bundestarifkommissionen und die hauptamtlichen Verhandlungsführer*innen oft dem Druck von Arbeitgebern und bürgerlichen Medien beugen und Angebote annehmen, die auf den ersten Blick nach weitgehender Erfüllung der Forderungen aussehen, aber durch lange Laufzeiten, Einmalzahlungen und gestaffelte Erhöhungen real nicht einmal die Hälfte von dem bringen, was gefordert wurde.

Über die Jahre hat das bei vielen Kolleg*innen leider zu Resignation und Austritten aus der Gewerkschaft geführt. Austreten ist aber der falsche Weg – kritische Kolleg*innen sollten in ver.di und den anderen DGB-Gewerkschaften bleiben und sich zusammenschließen, zum Beispiel in der Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften (VKG), an der sich auch SAV-Mitglieder beteiligen.

Foto: Marco Verch, Creative Commons 2.0