Ungeimpfte: Angriff auf die Lohnfortzahlung

Ungeimpfte, die mit Corona-Infizierten Kontakt hatten oder aus Risikogebieten zurückkehren, erhalten ab November keine Lohnfortzahlung während der Quarantäne.

Von Thies Wilkening, Hamburg

Viele Beschäftigte finden richtig, dass Menschen, die sich trotz vorhandener Angebote nicht impfen lassen wollen, keine Lohnfortzahlung mehr bekommen. Trotzdem lehnen LINKE und Gewerkschaften die Änderung ab. Sie ist eine Gefahr für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall insgesamt.

Zwar bekommen auch Ungeimpfte weiterhin Lohn, wenn sie tatsächlich an Corona erkranken, und so bleiben die praktischen Auswirkungen vorerst vielleicht begrenzt. Arbeitsrechtlich ist es trotzdem ein Dammbruch. Zum ersten Mal wird bei der Lohnfortzahlung das Prinzip von „Eigenverschulden“ eingeführt. Dieser Präzedenzfall kann und wird in Zukunft Unternehmen und Krankenkassen als Argument für größere Angriffe auf Lohnfortzahlung und Krankengeld dienen.

Denn nach der gleichen Logik könnten sie auch bei Sportverletzungen, bei an Krebs erkrankten Raucher*innen, bei sexuell übertragbaren Krankheiten und in vielen anderen Fällen den Lohn streichen: Wer Sport treibt setzt sich schließlich „eigenverantwortlich“ dem Risiko von Verletzungen aus. Wenn so ein Angriff erfolgreich ist und die Lohnfortzahlung bei bestimmten Diagnosen abgeschafft wird, würden sich Beschäftigte wohl länger überlegen, ob sie wegen einer potentiell „selbst verschuldeten“ Krankheit zum Arzt gehen und damit ihre Gesundheit gefährden.

Anstatt die Impfquote über Angriffe auf Beschäftigtenrechte zu erhöhen und überzeugte Impfgegner*innen indirekt zur Impfung zu zwingen, sollte es Aufklärungskampagnen und niedrigschwellige Impfangebote für Menschen geben, die die Impfung nicht prinzipiell ablehnen, aber bisher „durchs Raster“ gefallen sind – prekär Beschäftigte mit wenig Zeit, Menschen die wenig Deutsch sprechen und illegalisierte Migrant*innen.

Foto: IG Metall Zentralarchiv