Die Alternative im Schatten des Virus

VW Fabrik

Wenn es ernst wird zeigt sich die Unfähigkeit der „freien Marktwirtschaft“, eine Gesellschaft zu organisieren. Der Staat muss ran, regelt, organisiert. Produktion kann auf die Schnelle umgestellt werden. Die zum Verfassungsgrundsatz erhobene „Schuldenbremse“ wurde kurzerhand ausgesetzt. Corona hat Maßnahmen zur Folge, die angeblich zur Bekämpfung des Klimawandels nicht oder nicht so schnell möglich sind.

von Claus Ludwig, Köln

Damit keine Illusionen aufkommen: Der deutsche Staat handelt nicht so massiv, um die Marktwirtschaft und die Interessen der Kapitalist*innen in Frage zu stellen. Sein Ziel ist es, die Profite und das System zu stabilisieren. Wenn er dabei dem einen oder anderen Unternehmer auf die Füße tritt, tut er das als „ideeller Gesamtkapitalist“, der besser die Klasseninteressen des Kapitals vertritt als der jeweils einzelne Kapitalbesitzer. Nach der Pandemie wird „business as usual“ angestrebt. Und doch zeigt diese Krise, dass ein Umbau möglich ist.

Wenn die Klimabewegung gefordert hat, die Autofabriken auf ökologisch nachhaltige Produkte umzustellen, hieß es, nicht nur von den Konzernen, sondern auch von so manchem Gewerkschaftsfunktionär, das wäre nicht möglich … oder kompliziert … oder langwierig. In der Corona-Krise stellten Autozulieferer und Unterwäsche-Firmen innerhalb weniger Wochen die Produktion auf Atemmasken um. Schnapshersteller liefern Desinfektionsmittel. Autohersteller bauen Komponenten für Beatmungsgeräte. Ohne Frage kann die gesamte Autoindustrie technisch auf die Bahnen und Busse umgestellt werden.

Der Kolumnist Sascha Lobo schrieb auf SPON: „Ein paar Wochen kauft die Welt nur das, was sie wirklich braucht, und schon bricht die halbe Wirtschaft zusammen.“ Im Kapitalismus führt eine solche Situation tatsächlich zu Pleiten und Arbeitsplatzverlusten. Aber in einer Gesellschaft, deren Sinn es wäre, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, wäre das nicht so. Auf der Grundlage der hohen Produktivität könnte sich eine demokratisch geplante Wirtschaft einen monatelangen Stillstand leisten, ohne Schaden zu nehmen, solange die „systemrelevante“ Versorgung von Menschen, die Produktion und der Transport von Lebensmitteln und anderen wichtigen Produkten gewährleistet ist – weil es in einer solchen Gesellschaft nicht um die Schaffung von Profit in gegenseitiger Konkurrenz ginge, sondern um die Schaffung von Gebrauchswerten, von denen manche täglich, viele aber erst nach einiger Zeit gebraucht werden.

Private Aneignung 

Die Wirtschaft ist objektiv längst vergesellschaftet. Niemand produziert für sich allein. Es existiert eine weltweite Arbeitsteilung. Doch die Aneignung des Mehrprodukts in Form von Profit vollzieht sich privat und landet auf den Konten einer kleinen Minderheit. Der Grad der Planung durch und für die einzelnen Konzerne ist hoch. Aber es existiert keine gesamtgesellschaftliche Planung. Es ist dieser Widerspruch zwischen objektiv vergesellschafteter Produktion und privater Aneignung, welcher den Kapitalismus so krisenhaft, zerstörerisch und ungerecht gestaltet.

Mit den massiven Eingriffen in die kapitalistische Ökonomie beweisen die bürgerlichen Regierungen, dass eine die ganze Gesellschaft betreffende Krise nur durch gesamtgesellschaftliche Steuerung überwunden werden kann – obwohl ihnen nichts ferner liegt und sie sich nach dem „Back to normal“ der Marktwirtschaft sehnen.

Covid19 ist eine ernste Gefahr, aber nicht vergleichbar mit der umfassenden Bedrohung des Klimawandels, der durch den warmen und staubtrockenen April erneut sichtbar wurde. Die herrschende Klasse und ihre Politiker*innen werden ihre Erfahrungen aus der Pandemie-Bekämpfung nicht auf die Klimafrage übertragen. Denn in diesem Fall gäbe es kein Zurück zur kapitalistischen Normalität. Die Umstellung der Produktion auf internationaler Ebene, die andere Organisation des Verkehrs, die demokratische Planung des Umgangs mit den Ressourcen müssten dauerhaft wirken.

Wir können diese Aufgabe nicht den „Krisenmanager*innen“ der etablierten Parteien überlassen. Den „System change“ müssen wir von unten erkämpfen – und dabei den Rahmen des kapitalistischen Systems sprengen und eine neue Gesellschaft für Mensch und Umwelt erkämpfen, eine sozialistische Demokratie, in der auch kommende Pandemien von Beginn an, auf Grundlage der Wissenschaft und ohne westliche Arroganz bekämpft würden.