Die Übergewinner von Krise und Krieg

Während wir die Wollsocken anziehen und nicht wissen, wie es weitergeht, sprudeln die Profite der größten Energiekonzerne ins Unermessliche. Welche Konzerne an Krieg und Krise gewinnen und wieso der Fehler im System liegt und nicht allein am Ukraine-Krieg.

Von Linda Fischer, Hamburg

„Die Hauptursache für die steigenden Energiekosten ist der Ukraine-Krieg“.  Ein Satz, mit dem jeder Zeitungsartikel beginnt, der die Entstehung der hohen Gaspreise zum Thema hat. Ein Satz, der uns unmissverständlich klar machen soll: Wir sind machtlos. Niemand hat Einfluss auf die Preise. Wer gegen den Angriffskrieg von Russland ist, der muss Opfer bringen. Das ist schlicht falsch. 

Die großen Energiekonzerne haben keine grundsätzlich gestiegenen Kosten bei Herstellung und Transport von Gas, weil Russland die Ukraine angegriffen hat. Auf einem auf Profitmaximierung basierenden Energiemarkt haben sie jedoch die Möglichkeit, massive Extraprofite zu scheffeln, vor allem weil das Gasangebot auf dem Weltmarkt durch das Zurückdrängen von russischen Energiekonzernen knapper wird. Eine überschaubare Anzahl von multinationalen Großkonzernen bestimmt den Gas- und Ölmarkt und damit die Preise. Viele von Ihnen sind Gewinner des Krieges mit unvorstellbaren Rekordprofiten, für die wir zahlen sollen. Die fossile Energieindustrie wird 2022 voraussichtlich insgesamt 1000 Milliarden Dollar Extragewinne (insgesamt ca. 2000 Milliarden Dollar) machen, im Vergleich zu den durchschnittlichen Gewinnen in den Jahren davor. 95% des in Deutschland eingespeisten Erdgases wird importiert. Bisher hatten russische Konzerne einen großen Teil davon geliefert, nun profitieren andere.

Die größten Gewinner

Saudi Aramco 

Der weltweit größte Erdölkonzern aus Saudi Arabien erzielte Gewinne in Höhe von 48,4 Milliarden Dollar im zweiten Quartal. Verglichen mit 25,5 Milliarden im gleichen Zeitraum 2021 ist das fast eine Verdopplung der Gewinne.

Exxon Mobil und Chevron

Im zweiten Quartal 2022 machte ExxonMobil einen Nettogewinn von 17,9 Milliarden Dollar, der höchste Quartalsgewinn, den der Konzern jemals erzielt hat. Die Gewinne sind im Vergleich zu 2021 um 282% gestiegen. Bei Chevron stieg der Gewinn von  3,1 im zweiten Quartal 2021 auf 11,6 Milliarden Dollar.

Equinor

Das norwegische Staatsunternehmen gab ebenfalls einen Rekordgewinn für das zweite Quartal bekannt: 17,6 Milliarden Dollar. Von Januar bis März verkaufte das Unternehmen Gas für knapp 26 Milliarden Euro an den Rest Europas – ein Umsatz fünfmal so hoch wie vor Krieg und Corona. Norwegen löst Russland als größten Gas-Lieferanten der EU ab.

Shell und BP

Shell konnte seine Profite mehr als verdoppeln: 11,5 Milliarden Dollar Gewinn für das zweite Quartal, ebenfalls eine Rekordzahl. BP erwirtschaftete im gleichen Zeitraum 8,5 Milliarden, dreimal so viel Gewinn wie 2021.

Total

Mit 9,8 Milliarden Euro Gewinn im zweiten Quartal 2022 erhöhte der französische Konzern seine Gewinne um das 2,8-fache im Vergleich zu 2021. Die nächste riesige Investition in das weltweit größte Flüssigerdgas-Feld in der Erbmonarchie Katar ist bereits beschlossen.

Und Deutschland?

Auch in Deutschland geht es den vier marktbestimmenden Energieriesen (E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall) gut. E.ON und RWE meldeten beide mehr als zwei Milliarden Euro Gewinn für das erste Halbjahr 2022, Vattenfall knapp eine Milliarde Euro, EnBW 673 Millionen. Die Analyst*innen von Statista gehen davon aus, dass die Umsätze des deutschen Energieversorgungssektors bis 2027 gegenüber 2019 um über 300 Milliarden Euro zulegen werden – ein Wachstum von rund 49% .

Eine tickende Zeitbombe

Die kapitalistischen Regierungen befeuern diesen Wahnsinn weltweit massiv. Laut Daten von OECD und IEA hat sich die staatliche Förderung fossiler Energieträger 2021 fast verdoppelt: Insgesamt 697,2 Milliarden Dollar gegenüber 362,4 Milliarden im Jahr 2020. Wir verlangen unsere Milliarden zurück, entschädigungslose Enteignung des Energiesektors. Die Energieversorgung muss weltweit in öffentliche Hand, demokratisch kontrolliert durch Beschäftigte und Bevölkerung. Nur so können wir bezahlbare Energie realisieren und den Klimakollaps stoppen.