Musk, Twitter, Pressefreiheit: Social Media demokratisieren!

Der gefährliche Clown Elon Musk hat Twitter gekauft. Durch den Verkauf von Tesla-Aktien und die Aufnahme von Krediten in Höhe von 13 Milliarden Dollar hat er die dafür benötigten 46,5 Milliarden Dollar zusammenbekommen. Aber keine Sorge! Er ist immer noch einer der reichsten Menschen der Welt. Dieses Märchen hat seine humorvollen Momente, aber insgesamt ist es eine gefährliche Geschichte. 

Von Ben Wallach, Hamburg

Einige Tage nach dem Deal hat Musk Tausende Beschäftigte entlassen. Dann kam die Ankündigung, dass nur „Hardcore“-Mitarbeiter*innen bleiben dürfen. Mit „Hardcore“ meint er Menschen, die bereit sind, Überstunden zu machen und auf ihre schwer erkämpften Rechte zu verzichten. Das Endergebnis: Massen von Arbeiter*innen haben gekündigt. Die Ex-Mitarbeiter*innen schätzen, dass es nicht genug Ingenieur*innen in der Firma gibt, um die Social Media Plattform stabil zu halten.

Musk hatte angekündigt, dass er Twitter kauft, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Damit meint er die Freiheit, Menschen online zu belästigen und Fake-News zu verbreiten. Er verteidigt auch seine eigene Freiheit, Inhalte, die ihm nicht gefallen, zu zensieren. Er hat schon viele kritische Accounts blockiert, darunter angesehene Journalist*innen. Als Besitzer von Twitter kann er weiter gehen. Er zensiert wen er will, und entblockt seine rechtsextremen Freund*innen. Unter anderem wurden der Antisemit Kanye West und die transfeindliche, christlich-fundamentalistische „Satire“-Seite Babylon Bee entblockt.

Das Problem ist nicht nur die Person Elon Musk, dessen diktatorischer Führungsstil letztlich nur ein Beispiel für die antidemokratischen Besitzverhältnisse der sozialen Netzwerke ist.

Wer entscheidet?

Lebensgefährliche Desinformation, Mobbing, Gewalt, Bedrohungen, Rassismus, LGBTQ+-Feindlichkeit und Sexismus sind nur einige Beispiele für den Dreck, den man online findet. Facebook und Twitter sagen, sie würden dagegen vorgehen.  Neben Mitarbeiter*innen, die Inhalte überprüfen müssen und häufig davon traumatisiert werden, sind die zentralen Mittel zur Kontrolle von Inhalten Algorithmen, programmierte Abläufe zum Erkennen, Sortieren und Bearbeiten von Eingaben. In den klassischen Medien wie Zeitungen und TV gibt es eine engmaschige  Kontrolle durch die Besitzer*innen oder den Staat. Wegen der riesigen Menge an User-generiertem Inhalt ist es aber unmöglich, die Inhalte komplett manuell zu kontrollieren. 

Wie die Unlogik des Kapitalismus es diktiert, sind die Algorithmen geheim, intransparent und können jederzeit nach der Laune oder politischem Interesse der Besitzer*innen geändert werden. So wurde der Algorithmus von Facebook „optimiert“, um Inhalte über kurdische Linke zu finden, sie zu löschen und diejenigen zu blockieren, die die Inhalte gepostet haben.

Demokratisch wäre es, wenn über Richtlinien Nutzer*innen, Entwickler*innen und andere, die von den Entscheidungen betroffen sind, entscheiden könnten. Bei Twitter bestimmt jetzt Elon Musk. Er nimmt trans Personen selbst minimalen Schutz weg. Er selbst postet häufig transfeindliche Inhalte, nutzt absichtlich falsche Pronomen und mobbt seine ehemalige Partnerin, weil sie eine trans Frau datet. Auch gegen Gewerkschaften geht Musk vor. Er hat Arbeiter*innen in seinen Tesla-Fabriken Strafmaßnahmen angedroht, sollten sie sich organisieren.

Wem gehört das Netz?

Soziale Medien könnten ein demokratisches Werkzeug  sein. Doch das scheitert an den Besitzverhältnissen, unter anderem denen in der Infrastruktur. Während des Ukrainekrieges versuchte Putin, Telegram abzuschalten, um die Kommunikation zu stoppen. Telegram verwendete Google und Amazon Server, um die Zensur umzugehen. Google hat inzwischen angekündigt, diese Nutzung nicht mehr zu erlauben. Die Besitzer*innen von  Google beschränken die Kommunikationsmöglichkeiten von Russ*innen und erleichtern es Putin, den Widerstand niederzuhalten.

Bei den Demonstrationen in Hongkong wurden Apps wie Tinder, Apple AirDrop und Pokemon Go verwendet, um Informationen über Demonstrationen zu verbreiten. Es ist für die Eigentümer der Server und Services jedoch relativ einfach, die Dienste auszuschalten, wenn es ihnen politisch passt.

Die Frage der Demokratie im Netz kann nicht unabhängig von den Besitzverhältnissen betrachtet werden. Soziale Medien und deren Infrastruktur müssen demokratisch und transparent geführt werden. Solange Milliardäre wie Musk, Zuckerberg und Bezos diese besitzen und diktatorisch führen können, kann es keine Demokratie im Netz geben. Die Tech-Konzerne sind in öffentliches Eigentum zu überführen – unter der demokratischen Kontrolle von Repräsentant*innen der Nutzer*innen, Gewerkschaften, Frauen*organisationen und der Öffentlichkeit. Entwickler*innen müssen rechenschaftspflichtig sein, ihre Arbeit muss jederzeit überprüfbar sein, der Quellcode jederzeit offen . 

Um weltweit den Zugang für alle Menschen zum Internet zu ermöglichen, sind massive öffentliche Infrastruktur-Projekte nötig. Öffentlich heißt jedoch nicht, dass staatliche Strukturen bestimmen sollen. 

Das Internet kann offener und sicherer für alle sein. Es kann ein wunderschönes Kommunikationstool für Nachrichten, Wissenschaft, persönliche Gespräche und Politik sein. Der Kapitalismus steht dem aber im Weg. .

Krise der Tech-Konzerne

Nicht nur der Horror-Clown Elon Musk hat Probleme mit Twitter, auch “vernünftigere” Kapitalist*innen fahren Verluste ein. Es gibt mehrere Gründe für die Schwächung der Tech-Industrie. Einerseits ist sie abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Inflation, Zinsen und der niedrige Konsum drücken die Gewinne. Dazu kommt, dass die Profiterwartungen im Bereich Social Media auf der kommerziellen Nutzung der User-Daten- und Eingaben basieren, was im extremen Maße eine spekulative Wette auf die Zukunft ist. Viele Tech-Konzerne sind langfristig weit weniger profitabel als sie bisher gewertet wurden. Meta (Facebook) hat schon 11.000 Mitarbeiter*innen entlassen und der CEO von Google hat bereits angekündigt, dass massive Entlastungen kommen. Die Besitzer*innen und viele Investor*innen werden trotz dieser Krise weiterhin superreich bleiben.