Dresden: Erfolg gegen PEGIDA

Foto: Herz statt Hetze

Gegendemonstrant*innen deutlich in Überzahl

Bachmann und Däbritz, die Führungsfiguren der rassistischen „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) hatten es sich sicherlich sehr schön ausgemalt: am vierten Jahrestag des Bestehens ihres rassistischen Hetzvereins sollte der Platz vor der Dresdner Frauenkirche mit ihren Anhängerinnen und Anhängern gefüllt werden.

Was Ende 2014, zu Beginn der Bewegung, kein Problem gewesen wäre – immerhin beteiligten sich in der Jahreswende 2014 und 2015 bis zu 15.000 Menschen an den rechten Aufmärschen – wurde an diesem Jahrestag beinahe zum Desaster. PEGIDA blieb weit unter den angepeilten 4000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auch beendeten sie ihre Kundgebung statt – wie geplant 18 Uhr – schon gegen 16 Uhr.
Dafür konnten die Gegendemonstrant*innen Erfolge für sich verbuchen: Ein breites Bündnis, an dem sich auch die Dresdner Ortsgruppe der Sozialistischen Alternative beteiligte, hatte zum Protest aufgerufen. Das Bündnis entstand wie in den Jahren zuvor auf Initiative der Gruppe „Herz statt Hetze“. Diese mobilisierte ab 15 Uhr auf den Pirnaischen Platz. Gleich zwei Demonstrationen vereinigten sich dort zu einem großen Demonstrationszug durch die Innenstadt zum Postplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

Kritik an PEGIDA und der sächsischen Regierung

Der vom „Christopher Street Day“ und „Dresden Respekt“ organisierte Aufzug vom Hauptbahnhof versammelte zwischen 5000 und 6000 Menschen. An dieser Demonstration nahm auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teil. Kretschmer war in den Wochen zuvor durch höchst problematische Äußerungen aufgefallen: Während der Affäre um einen LKA-Mitarbeiter, der sich verbeten hatte gefilmt zu werden und dem nachfolgenden völlig unbegründeten Polizeieinsatz gegen das Kamerateam vom ZDF, hatte der Ministerpräsident das Vorgehen der Polizei gelobt. Und nach den erschreckenden Vorfällen in Chemnitz, behauptete er gar, es habe dort keine Hetzjagden auf Migrant*innen gegeben.
Entsprechend heftig fiel auch die Kritik eines Teils des Vorbereitungskreises an Kretschmers Absicht auf der Demonstration sprechen zu wollen aus.
Auf der Demonstration aus der Neustadt zum gemeinsamen Treffpunkt am Pirnaischen Platz, wurde daher auch mehrfach Kritik an Kretschmer laut. In Reden von „Seebrücke“, „Tolerave“, „linksjugend[‚solid]“, dem Bündnis gegen das sächsische Polizeigesetz und der SAV wurde mit der sächsischen Politik – und für die zeichnet Kretschmer verantwortlich – hart ins Gericht gegangen. Gut 7000 bis 8000 Menschen reihten sich in diesen Demonstrationszug ein.
Aber auch während der Abschlusskundgebung auf dem Postplatz, wurde nicht allein PEGIDA verbal angegriffen, sondern immer wieder klar gemacht, dass das Verhalten der sächsischen Behörden nicht wenig zum Erstarken rechter Gruppen in Sachsen beigetragen hat. Eine Vertreterin des sächsischen Flüchtlingsrates erklärte, welch erschreckende Zustände in den Ankerzentren herrschen. Die Initiative „Straßengezwitscher“, die von rassistischen Demonstrationen auf Twitter berichtet, beschrieb Versäumnisse der Polizei beim Schutz von Journalist*innen und linken Gegendemonstrant*innen.
Zudem harrten 200 Gegendemonstrant*innen in unmittelbarer Nähe zur PEGIDA-Kundgebung aus. Diesen Protest weiter zu stärken muss die Aufgabe der nächsten Monate sein. Doch schon jetzt zeigt sich, dass sich die Stimmung in der Stadt durch die Proteste wesentlich verbessert hat. Die Gegner*innen von PEGIDA haben neuen Mut gefasst. Jetzt ist es wichtig in den nächsten Wochen an diesen Erfolg anzuknüpfen.

Foto: Herz statt Hetze

Redebeitrag der SAV anlässlich der Proteste gegen den 4. Geburtstag von PEGIDA:

Zum vierten Mal stehen wir hier. Zum vierten Mal gehen wir gegen den Geburtstag des rassistischen Vereins PEGIDA auf die Straße. Wir wenden uns gegen all den gefährlichen Irrsinn, den PEGIDA seit vier Jahren verbreitet. In diesen vier Jahren haben sich Dresden, Sachsen, Deutschland, Europa, ja die Welt verändert. Rechte und rassistische Positionen erleben eine erschreckende Konjunktur.
PEGIDA ist nur ein Teil dieser Entwicklung. Die Rassisten um Bachmann, Däbritz und Co. machen seit vier Jahren diejenigen, die hierher kommen, die hierher fliehen müssen für all das verantwortlich, was in unserer Gesellschaft falsch läuft.
Was haben wir in vier Jahren PEGIDA nicht alles ertragen müssen? Steigende Mieten, hohe Krankenkassenbeiträge, angebliche Verbrechen, schmutzige Hausflure – all das wurde Geflüchteten angelastet.

Doch sehen wir genauer hin: steigende Mieten sind weder im Interesse Hiergeborener noch hierher geflohener Menschen – sie alle leiden darunter. Und ebenso wenig wie Hiergeborene entscheiden Geflüchtete darüber wie hoch die zu zahlenden Mieten sind. Hingegen haben an hohen Mieten die nicht selten deutschen Vermieter ein großes Interesse. Profite gehen eben über alles!

Und was die Frage der Gewaltverbrechen in unserer Gesellschaft betrifft: Schauen wir nach Chemnitz, was dort in den Wochen nach dem tragischen Tod eines Deutsch-Kubaners alles geschehen ist: Denken wir an die Hetzjagden, die es laut der Worte des sächsischen Ministerpräsidenten ja gar nicht gegeben haben soll. Denken wir an die rechte Terrorgruppe, die man dort ausgehoben hat. Denken wir an die Übergriffe und denken wir daran, dass in Chemnitz AfD, PEGIDA und militante Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet den Schulterschluss suchten.

Und denken wir daran, dass Redner, die bei PEGIDA auftraten eine Bombe vor einer Moschee legten oder bedauerten, dass die KZs – wie es hieß – „zurzeit nicht in Betrieb“ seien. Denken wir daran, dass in den vier Jahren PEGIDA selbst die sächsische Polizei gezwungen war 200 Ermittlungsverfahren wegen allermöglicher Straftaten gegen PEGIDA einzuleiten. Bedenkt man das, dann weiß man, dass das Gerede von PEGIDA über Straftaten von Migrantinnen und Migranten eine alberne Farce ist!

Seit vier Jahren wird PEGIDA nicht müde Geflüchtete als Invasoren zu beschimpfen. Seit vier Jahren weigern sich die Anhängerinnen und Anhänger von PEGIDA die Gründe für Flucht und Migration zur Kenntnis zu nehmen.
Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt und die EU ist der größte. Geliefert wird mit Vorliebe in Krisenregionen. In der so genannten Dritten Welt sterben täglich mehr als 120 Menschen am deutschen G3-Sturmgewehr. Damit ist eine Handfeuerwaffe aus deutscher Produktion weltweit das wahrscheinlich tödlichste Produkt der Waffenindustrie. Profite gehen über alles!
Menschen fliehen vor der Unterdrückung in Regimen; sie fliehen vor den Auswirkungen eines globalen Wirtschaftssystems, das für Milliarden Menschen Hunger, Armut und Elend bedeutet. Ein System, dass acht Menschen – so viele wie in einen Kleinbus passen – so viel Vermögen zugespielt hat, wie den ärmeren 3,5 Milliarden Menschen. Profite gehen über alles!

Deutschland ist das viertreichste Land der Erde. Wir hätten mehr als genug Geld für gute Schulen, für ausreichend Pflegepersonal in den Kliniken, wir hätten genug Geld, damit niemand arm sein muss und genügend Geld, um Menschen, die bei uns Schutz suchen eine Perspektive zu bieten: Stattdessen fehlt es an Lehrerinnen und Lehrern; ackern sich Schwestern und Pfleger kaputt; leben mehr und mehr Menschen unterhalb der Armutsgrenze und obwohl es unmenschlich ist, schiebt Deutschland Menschen in Krisenregionen ab. Denn wie global, so ist auch bei uns der Reichtum völlig ungleich verteilt. Auch hier leben Menschen in Armut und prekären Verhältnissen. Und das haben diese Menschen grundsätzlich gemein mit jenen, die hierherkommen. Doch der Rassismus und Nationalismus von PEGIDA und Co. will über diese Gemeinsamkeit hinwegtäuschen.

Lassen wir uns nicht mehr spalten! Lassen wir uns nicht mehr gegeneinander ausspielen! Von den Patrioten des Herrn Bachmann nicht, die hetzen und auch nicht von Parteien wie CDU und Co, die abschieben und rassistische Gesetze zu verantworten haben; die mit schmutzigen Deals mit der Türkei und einem restriktiven EU-Grenzregime versuchen wollen flüchtende Menschen daran zu hindern nach Deutschland zu kommen und so den Tod von Tausenden im Mittelmeer mitzuverantworten haben.

Nichts wird uns geschenkt werden, wir müssen es uns erkämpfen. Und das heißt: wir müssen zusammenhalten, egal, ob wir hier geboren wurden oder hierher geflohen sind. Wir müssen gemeinsam kämpfen:
– dafür, dass das grausige Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende hat
– dafür, dass Abschiebungen gestoppt werden
– dafür, dass alle Menschen angemessenen Wohnraum haben
– dafür, dass die Menschen zählen und nicht die Profite

Und das heißt unserer Ansicht nach auch, dass die Zeit gekommen ist, das kapitalistische System, dass Menschen vor die Wahl stellt zu fliehen oder an Armut, Hunger oder Verfolgung zu Grunde zu gehen und das auch hier schon so viel Elend produziert hat, abzuschaffen.
Diese Aufgabe scheint so groß und so unerreichbar. Doch vergessen wir auch nicht, was in den letzten Jahren und Monaten eben auch geschehen ist: In Chemnitz waren 65.000 Menschen auf der Straße gegen die rassistische Übergriffe; in Hamburg 30.000 gegen Abschiebungen und in Berlin eine Viertelmillion gegen Rassismus. Seit anderthalb Jahren kämpfen Pfleger und Schwestern – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion – bundesweit für mehr Personal auf den Stationen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Lasst uns endlich gemeinsam kämpfen! Für eine solidarische Gesellschaft, in der wir gemeinsam und demokratisch über die Verwendung des produzierten Reichtums entscheiden und in der wir uns nicht mehr voreinander fürchten und uns nicht mehr gegeneinander aufhetzen lassen – von niemandem!

Vielen Dank!