Faschismus und seine Wegbereiter bekämpfen

Bergmann_Theo__2013Rede von Theodor Bergmann auf den Sozialismustagen 2016

Die deutschen Werktätigen haben Erfahrungen mit den besonderen Formen des Faschismus, seiner exzessiven Brutalität und den langfristigen Folgen: Vernichtung der gesamten Arbeiterbewegung, Terror, KZ’s, Krieg, Zerstörung Deutschlands – und vor allem mit dem Überleben und Fortwirken der führenden Faschisten bei der Restauration des nun demokratisch gewendeten deutschen Kapitalismus.

Der Faschismus ist eine (besondere) Form der Herrschaft des Kapitalismus, die bürgerliche Demokratie ist kein Schutzwall gegen den Faschismus, im Gegenteil: diese Demokratie kann ungehindert in den Faschismus übergehen, wenn die herrschende Klasse ihre demokratische Herrschaft nicht mehr aufrecht erhalten kann – so kam es am 30. Januar 1933 zum legalen Staatsstreich.

Die erste und Hauptschuld am Sieg der NSDAP trägt die deutsche Bourgeoisie in ihrer Gesamtheit – Industrie, Großagrarier, Reichswehr, Staatsapparat, die Mehrheit der offiziellen Wissenschaftler (die die „Theorien“ zur Rechtfertigung der Verbrechen erfanden); sie wollten den Faschismus.

Die zweite Schuld trägt die deutsche Arbeiterbewegung. Ihre großen, stolzen Organisationen kämpften gegeneinander, obwohl sie alle gleichermaßen existenziell bedroht waren. Die KPD erklärte die Sozialdemokraten zu Sozialfaschisten und Zwillingsbrüdern des Faschismus, zu ihren Hauptfeinden. Die SPD antwortete mit gleicher Münze, die KPD seien rotlackierte Nazis. Beide nährten Illusionen bei ihren Anhängern, sie würden schon zum Widerstand aufrufen, wenn es soweit sei; eine kämpferische Einheitsfront, die zweifellos die Machtübergabe an die NSDAP hätte verhindern können – diese war von der KPDO, SAP u.v.a. immer wieder gefordert worden, lehnten beide Parteien ab.

Die dritte Schuld trifft die bürgerlich-demokratischen Staaten, die den deutschen Faschismus toleriert und gefördert haben als „effektives Gegenmittel gegen das Krebsgeschwür des Kommunismus“, wie Winston Churchill schon 1928 öffentlich erklärte. Von 1933 bis 1939 ließ man alle Aggressionen der Faschisten geschehen.

2016: Die Lage in Europa

Es gibt heute in der BRD und anderen Ländern Europas vielfältige reaktionäre Bewegungen und Bestrebungen und eine schrittweise Aushöhlung der kapitalistischen Demokratie und eine offensichtliche Kooperation des Staatsapparates mit diesen Bewegungen, wie Pegida, AFD und ähnlichen Organisationen; einige bekennen sich mehr oder weniger offen zum Faschismus. Man kann diese Tendenzen als Rechtsradikalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus bezeichnen. Diese werden indirekt unterstützt durch die Stimmungsmache der CSU und CDU. Und es besteht eine bemerkenswerte Symbiose mit den Organen des Verfassungsschutzes über die Vertrauensleute, die zum Teil mit staatlichen Mitteln rechtsradikale Gruppen gefördert haben. Offenbar besteht eine Grauzone, in der unklar bleibt, wer aktiv führt und wer geführt wird.

Was können wir tun?

Was junge Genossen und Genossinnen bisher getan haben, finde ich gut, z.B. die Aktion gegen die Neonazis in Dresden im Januar – die Nazis auf dem Bahnhof einsperren ist wirkungsvoller als die Kette der Kerzen am anderen Stadtrand. Oder die Demos bei Schwenningen im Schwarzwald. Aber das ist ein Tag im Jahr. Was machen wir an den restlichen 364 Tagen?

Das erste ist ständige Aufklärung über unsere Geschichte, auch Widerspruch gegen nationalistische Lehrer.

So denn gilt es, unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz oder in der Schule zu schützen gegen fremdenfeindliche Angriffe.

Als drittes: Wir dürfen den Neonazis nicht die Straße, die Öffentlichkeit überlassen.

Viertens: Gegen den Naziterror in Kleinstädten muss den Bedrohten organisierter Schutz gewährt werden. Es genügt nicht, Seminare über Gewaltlosigkeit zu veranstalten. Wir wollen keine Gewalt; aber gegen die eindeutige Gewalt der rechten Szene müssen wir uns geschlossen verteidigen.

Fünftens: Die Neonazis versuchen, in den entindustrialisierten Orten im Osten und auch anderswo arbeitslose Jugendliche zu gewinnen, indem sie die Schuld bei den ausländischen Kollegen suchen. Wir brauchen ein großes Arbeitsbeschaffungsprogramm mit Normalarbeitsbedingungen. Dafür muss der DGB mobilisiert werden.

Für alle diese Aufgaben muss unsere Partei, Die Linke, aktiviert werden, und wir müssen alle antifaschistischen Aktionsgruppen zu gemeinsamem Handeln vernetzen. Dann werden wir auch weitere Sympathisantenkreise mobilisieren können.

Theodor Bergmann feierte im März 2016 seinen 100. Geburtstag. Er war Widerstandskämpfer gegen die Nazis und sein Leben lang kritischer Kommunist. Er ist Mitglied der Partei DIE LINKE.