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Europäische Zentralbank EZBDraghi kündigt neue Geschenke für die Banken an

Am Donnerstag, den 4. September hat die Europäische Zentralbank (EZB) „alle überrascht“, so die FAZ. An diesem Tag verkündete EZB-Präsident Mario Draghi, noch weiter an der Zinsschraube zu drehen und den Leitzins um zehn Basispunkte auf das Rekordtief von 0,05 Prozent zu drücken. Zudem wurde der Ankauf von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen (Asset Backed Securities, ABS) bekannt gegeben. Dabei hatte die Notenbank sich erst im Juni für ein Programm zinsgünstiger Langfristkredite (TLRO) entschieden, mit dem Banken in diesem Herbst 400 Milliarden Euro zu extrem günstigen Konditionen leihen können.

von Aron Amm, Berlin

Als Janosch’s Mäusesheriff seinen Zuhörern in Katzelbach davon erzählte, wie das war, als die Commanchen die Telegrafenleitung angriffen und er in seiner Verzweiflung nochmal ein Stück von den Drähten abschnitt, begründete er das mit den Worten: „Ja, die Leitung war zu kurz. Dann habe ich sie weiter gekappt. Warum? Weil ich eben alles versucht habe. Selbst das Unmögliche.“ Auch Draghi scheint das Unmögliche zu probieren: eine Stabilisierung der Euro-Zone durch die Förderung destabilisierender ABS-Kreditverbriefungen.

Lang anhaltende Wirtschaftskrise in Europa?

„Mario Draghi muss verzweifelt sein.“ Anders konnte die FAZ sich am Tag nach der EZB-Ratssitzung die angekündigten Maßnahmen nicht erklären. Dass die Lage zum Verzweifeln ist, hatte Draghi bereits eine Woche vorher auf dem alljährlichen Treffen der Notenbank-Chefs im US-amerikanischen Jackson Hole durchblicken lassen, als er in den Rocky Mountains die Situation im Euro-Raum skizzierte: eine Arbeitslosenquote von offiziell 11,5 Prozent, eine erschreckend geringe Auslastung der Kapazitäten, eine vor sich hindümpelnde Nachfrage und eine Deflation nicht nur als allgemeine Gefahr, sondern immer mehr als ganz reale Möglichkeit.

Besonders alarmierend: Die Krise der Euro-Staaten geht mehr und mehr von der verächtlich genannten Peripherie zum Zentrum über. „Das eigentliche Problem ist jetzt der weiche Kern der Euro-Zone, Italien und Frankreich sind die neuen Sorgenkinder“, urteilte kürzlich der Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Mit Frankreich stagniert die zweitgrößte Ökonomie der Gemeinschaftswährung. Die drittgrößte Wirtschaft, Italien, ist zurück in der Rezession. Und all das vor dem Hintergrund einer Weltwirtschaft, deren anämischer Konjunkturaufschwung deutlich an Fahrt verliert – nicht zuletzt angesichts schwächelnder „Schwellenstaaten“, was auch Deutschland zu schaffen macht.

DIE WELT titelte am 31. August: „Europa droht eine lang anhaltende Wirtschaftskrise.“ Der Economist spottete über die Reaktion von EZB und Regierenden, als er vor zwei Wochen die Gemeinschaftswährung auf seinem Cover als Papierschiff darstellte, das unterzugehen droht, während sich Mario Draghi, Angela Merkel, Francois Hollande und Matteo Renzi wenig effektiv bemühen, Wasser aus dem Boot zu schöpfen.

Aktionismus á la EZB

Erst hatte die Politik des billigen Geldes zur Verlängerung des Aufschwung der Nullerjahre gesorgt, dann maßgeblich zum Einbruch 2007 beigetragen und nun jahrelang die magere Erholung mitfabriziert. Ohne allerdings noch eine größere Wirkung zu erzielen. Warum auch? Mangelt es der Wirtschaft doch nicht an günstigen Krediten, sondern an Industriegüter- und Konsumartikel-Nachfrage. Selbst Draghi und anderen Bürgerlichen dämmert allmählich, dass angesichts von Jahren des Sozialkahlschlags und rasant steigender Arbeitslosenzahlen kein Kaufkraftschub zu erwarten ist.

Von daher wird auch die jüngste Ratssitzung der Europäischen Zentralbank keine Wende einläuten. Die neuerliche Senkung des Zinssatzes, der sich schon nahe null bewegte, stellt nur einen Mini-Schritt mit rein symbolischer Bedeutung dar. Und der Ankauf der Kreditverbriefungen durch die EZB wird keinen Kreditrausch auslösen, gab es doch auch zuvor keine Schwierigkeiten, sich Geld zu leihen.

Die giftigen ABS-Papiere

Als dem Euro vor zwei Jahren die Implosion drohte, hatte Draghi zu einem Befreiungsschlag angesetzt, in dem er versprach, im Notfall alles Nötige zu tun – „whatever it takes“. Gemeint war die in den USA und Großbritannien praktizierte Politik der Quantitativen Lockerung, dem Kauf von Staatsanleihen im großen Stil. Dazu kam es damals jedoch nicht.

Auch in den letzten Wochen war wieder über einen solchen Schritt spekuliert worden. Und erneut wurde davon – zumindest unmittelbar – abgesehen. Ausschlaggebend war ein de facto Veto der Herrschenden Deutschlands. Diese befürchten, dass den deutschen Unternehmen und Banken der Sondervorteil äußerst niedriger Zinsen abhanden käme, wenn durch EZB-Käufe die Preise für Staatsanleihen angeschlagener Ökonomien wie Portugal oder Spanien wieder steigen und die dafür verlangten Zinsen sinken könnten.

Aus diesem Grund wurde nun das sogenannte ABS-Programm geschnürt. Die Asset Backed Securities waren vor der Weltwirtschaftskrise als finanzpolitisches Wundermittel gehandelt worden. Seit dem Kollaps vor sieben Jahren indes werden sie von Vielen als pures Gift betrachtet. Schließlich bedeuten die ABS eine völlig undurchsichtige Verschachtelung von Krediten, bei denen Ausfallrisiken oftmals mit Hypothekenkrediten unterlegter Wertpapiere weit gestreut werden. Vor der Krise war der ABS-Markt in Europa auf knapp zwei Billionen Euro angeschwollen; nachdem das Drama seinen Lauf nahm, ging das Volumen auf 1,5 Billionen zurück.

Der Berater, den die EZB für dieses Kaufprogramm engagiert hat, spricht ebenfalls Bände: Schließlich ist Blackrock der größte Vermögensverwalter auf dem Planeten mit Sitz in New York.

Mit der EZB-Entscheidung vom vergangenen Donnerstag bekommt die Blasenwirtschaft weiter Nahrung. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem jüngsten Jahresbericht gerade erst vor einer neuen Spekulationsblase gewarnt hat, die derjenigen vor sieben Jahren schon sehr nahe kommen soll.