Niedersächsische LINKE wollen über Regierungsbeteiligung verhandeln

Zwei Wochen vor den Wahlen in Niedersachsen hat der Geschäftsführende Landesvorstand der Linkspartei die Bildung einer „Verhandlungskommission zur Regierungsbildung“ beschlossen, der u.a. Sahra Wagenknecht angehören soll. Damit wurde die Bereitschaft unterstrichen (und mit dem Namen Wagenknechts „versüßt“), im Falle eines Wiedereinzugs der LINKEN in den Landtag eine rotgrüne Regierung zu unterstützen oder sogar mit eigenen MinsterInnen darin mitzuwirken.

von Heino Berg, Göttingen

Diese Ankündigung steht in klarem Widerspruch zum Wahlprogramm der LINKEN, das die Unterstützung oder Tolerierung einer rotgrünen Regierung in Niedersachsen eindeutig ausgeschlossen hat. Die LINKE hat ihren WählerInnen versprochen, mit ihren Abgeordneten die Ablösung der Regierung McAllister durch eine rotgrüne Regierung möglich zu machen und dafür einem SPD-Ministerpräsidenten ins Amt zu bringen. Denn eine Niederlage der schwarzgelben Regierung würde – unabhängig von der Politik ihrer rotgrünen Nachfolgerin – das politische Kräfteverhältnis zugunsten der Lohnabhängigen verändern.

Dieses Angebot ist jedoch nicht zu verwechseln mit der dauerhaften oder pauschalen Unterstützung einer Regierung, die sich mit Fiskalpakt und Bankenrettungsprogrammen auf den weiteren Abbau von sozialen Errungenschaften und Arbeitsplätzen festgelegt hat. Durch eine Koalition mit diesen bürgerlichen Parteien würde die LINKE (ähnlich wie in Brandenburg) eine direkte Mitverantwortung für den Sozialabbau übernehmen – und so sämtliche übrigen Wahlversprechungen über den Haufen werfen. Genau deshalb hat der Landesparteitag beschlossen, daß linke Abgeordnete im Landtag nicht die rotgrüne Regierung selbst unterstützen dürfen, sondern lediglich sinnvolle Einzelmaßnahmen, die – wie z.B. die Rücknahme der Studiengebühren – einen Schritt in die richtige Richtung darstellen könnten.

An dieses Wahlversprechen ist der Landesvorstand gebunden. Zumindest solange, wie der für den 9.2. in Hameln einberufene Landesparteitag diesen Oppositionsauftrag nach den Wahlen nicht ausdrücklich widerufen hat. Für Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen und die Bildung einer entsprechenden Kommission fehlt dem bis dahin noch amtierenden Landesvorstand jedes Mandat. Selbst Sondierungsgespräche können nur stattfinden, wenn a) die LINKE in den Landtag zurückkehrt, b) SPD und Grüne die LINKE zu solchen Gesprächen einladen und c) der am 9.2. stattfindene Landesparteitag im Widerspruch zur geltenden Beschlusslage eine Verhandlungskommission autorisiert. Alle drei Bedingungen sind zur Zeit nicht erfüllt: Warum also beschäftigt sich die Führung der niedersächsischen LINKEn mit dem Wunsch nach Ministerposten, während die Mitglieder in den Kreisverbänden um jede Stimme kämpfen?

Die nicht einmal mit den gewählten Landesvorstandsmitgliedern abgestimmten öffentlichen Angebote zu Koalitionsverhandlungen können eigentlich nur dem Zweck dienen, den Parteitagsentscheidungen vom 9.2. vorzugreifen und das bisherige Nein der Delegierten zu solchen Regierungsbündnissen aufzuweichen.

Dieses taktische Kalkül beschert der LINKEN zwar eine gewisse Aufmerksamkeit in den Medien, hat für den laufenden Wahlkampf jedoch überwiegend negative Konsequenzen: Die LINKE präsentiert sich damit nämlich in erster Linie als Mehrheitsbeschafferin für eine rotgrüne Landesregierung, anstatt ihre Alleinstellungsmerkmale als antikapitalistische Alternative zu ALLEN Kürzungs- und Kriegsparteien zu betonen. Wer Rotgrün die Fähigkeit und Bereitschaft andichtet, einen wirklichen Politikwechsel einzuleiten, sobald die LINKE daran beteiligt ist, wird viele potenzielle WählerInnen der LINKEN, deren Einzug in den Landtag ja als unsicher gilt, eher zur Wahl von SPD und Grünen verleiten, um letzteren eine „sichere Mehrheit“ zu verschaffen.

Das größte Potenzial der LINKEN, nämlich diejenigen Menschen, die aus Verbitterung über den Einheitsbrei der „Bankenrettungsparteien“ bei vielen Wahlen zuhause bleiben, werden durch solche Bemühungen, endlich „ministrabel“ zu werben, abgeschreckt. Damit sind sie noch schwerer als Wähler und Mitglieder der LINKEN zu mobilisieren. Die niedersächsische LINKE verliert so an Glaubwürdigkeit, anstatt dieses wichtigste „Kapital“ zu verteidigen und als einzige organisierte Stimme den Interessen der Lohnabhängigen innerhalb und außerhalb der Parlamente Ausdruck zu verleihen.

Die ungewöhnliche „Aufmerksamkeit“ der Konzernmedien für die Koalitionsangebote des Geschäftsführenden LaVo hängt nicht zuletzt mit diesem Effekt zusammen. Eigentore werden von der Presse unserer Gegner immer bevorzugt kommentiert.

Die LINKE hat unter anderem durch die Selbstentlarvung des SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück gute Chancen, ähnlich wie bei den letzten niedersächsischen Landtagswahlen ihre Umfrageergebnisse deutlich zu übertreffen und in den Landtag zurück zu kehren. Das wäre ein wichtiges Signal für bevorstehenden Bundestagswahlenl, um die Regierung Merkel und ihren europaweiten Feldzug gegen die Arbeiterbewegung endlich zu stoppen.

Diese Chancen können wir aber nur nutzen, wenn sich die LINKE auf ihre antikapitalistischen Stärken besinnt, anstatt den rotgrünen Lakaien von Merkel und Co nachzulaufen und um jeden Preis für sie „koalitionsfähig“ werden zu wollen.