Stirbt der Homo oeconomicus aus?

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Bürgerliche irritiert über Solidarität in der Krise

2003 behauptete der Nobelpreisträger Robert Lucas, die Volkswirtschaftslehre habe endlich „das zentrale Problem, wie Depressionen zu verhindern sind, gelöst“. Damit lagen die bürgerlichen Konjunkturforscher komplett falsch. Genauso wie die italienischen Erdbebenforscher, die zur falschen Zeit Entwarnung gaben. Die Erdbebenforscher wurden nun von einem italienischen Gericht verurteilt …

von Aron Amm, Berlin

Die bürgerlichen Ökonomen sind völlig ins Schwimmen geraten. Heftig „erschüttert das Beben der Märkte die Wirtschaftswissenschaften“, schrieb Johannes Pennekamp am 26. Oktober in der FAZ. „Die offengelegten Schwächen der Modelle bringen selbst Grundpfeiler des Theoriegebäudes ins Wanken. Besonders unter Beschuss: der Homo oeconomicus.“

Unter dem Homo oeconomicus versteht die Wirtschaftswissenschaft im Kapitalismus das Paradebeispiel eines stets auf seinen eigenen Vorteil bedachten Menschen. Alle Modellannahmen laufen darauf hinaus, dass die Menschen permanent die Ellenbogen ausfahren.

Aber jetzt plötzlich „wächst die Gruppe der Forscher“, so Pennekamp, „die den Homo oeconomicus für erledigt erklären“. Warum? Weil die Beschäftigten des griechischen Krankenhauses Kilkis in den Wochen der Besetzung von den PatientInnen keinen Cent für ihre Behandlung verlangten. Weil sich in Spanien nicht nur die betroffenen Bergleute, sondern Zehntausende mit aller Kraft für den Erhalt der Arbeitsplätze der Kumpel einsetzen. Weil bei den Platzbesetzungen in Athen und Madrid oftmals Wildfremde mit offenen Armen empfangen wurden. Darum fragt Pennekamp: „Warum teilen Menschen mit anderen, wenn sie doch Egoisten sind?“

Auch wenn die bitteren Verhältnisse keine idealtypischen Menschen schaffen, so beweisen diese Beispiele in Südeuropa einmal mehr: Der Mensch hat verschiedene Eigenschaften. Im Konkurrenzsystem wird der Egoismus gefördert. Doch im Kampf dagegen kann sich auch das Potenzial für Solidarität zeigen.