Der Aktionstag vom 14. November in Italien

CGIL mobilisierte nur widerwillig, aber die ArbeiterInnen und Studierenden strömten auf die Plätze

Am 14. November demonstrierten in 30 italienischen Städten hunderttausende ArbeiterInnen und Studierende gegen die Regierung, die Kürzungs- und Austeritätspolitik und reagierten damit auf den Aufruf des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB).

von Giuliano Brunetti, „ControCorrente“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Italien)

Hier in Italien beteiligte sich der größte Gewerkschaftsbund, die CGIL, mit dem Aufruf zu einem „vierstündigen Generalstreik“ am europaweiten Aktionstag. Die Entscheidung, an den gemeinsamen Aktionen rund um „N14“ teilzunehmen, ist natürlich positiv. Das wird der großen Verantwortung, die der CGIL und ihren Führungsgremien zukommt, aber bei weitem nicht gerecht.

Angesichts der Schwere der Krise und den daraus resultierenden Attacken, ist eine Arbeitsniederlegung von vier Stunden Dauern natürlich reichlich wenig. Allerdings wurde der Streik in einigen Branchen – wie etwa dem Einzelhandel, der Telekommunikation, in Schulen und im öffentlichen Dienst – auf acht Stunden ausgeweitet.

Dass „N14“ anfangs nur mäßige Beachtung fand, hat mehrere Gründe. Als erstes lag das natürlich an der schwachen Mobilisierung. Keine zwei Wochen vor dem Termin und erst als Reaktion auf den EGB-Aufruf, symbolische Streikaktionen durchzuführen, entschied die CGIL, sich ebenfalls zu beteiligen. Die GewerkschaftsfunktionärInnen hatten also nur sehr wenig Zeit, um den ArbeiterInnen die Gründe für diesen Protest zu vermitteln. Es wurden keine Betriebsversammlungen einberufen, um die Hintergründe zu verdeutlichen und sich auf die Mobilisierung der ArbeiterInnen vorzubereiten. Darüber hinaus blieben die Parolen, mit denen man sich auf „N14“ vorbereitete, allzu vage und sehr allgemein gehalten.

Im Vorlauf der Streiks erklärte die CGIL: „Die CGIL ist gegen den Abbau des Wohlfahrtsstaats, gegen die Privatisierung des öffentlichen Dienstes und gegen den Angriff auf die Tarifautonomie. Demgegenüber befürworten wir eine Konjunkturpolitik für neues Wachstum, eine Politik der Umverteilung, die die Reichen besteuert, eine ehrgeizige Industriepolitik, eine Aufteilung der Schulden durch Eurobonds und den Respekt vor der Tarifautonomie.“

Die bei der CGIL organisierten ArbeiterInnen haben hingegen gezeigt, dass Eurobonds sie nicht interessieren, sondern dass ihr Ziel – die Verteidigung der Renten und Löhne, der Bildung, des Gesundheitswesens und des öffentlichen Transports – bekräftigt werden soll!

Die Zaghaftigkeit der CGIL bei der Durchführung von Demonstrationen, Streiks und Protesten gegen eine Regierung, die – was die Angriffe auf die Lebensstandards und Rechte der ArbeiterInnen angeht – noch wesentlich weiter gegangen ist als ihre Vorgängerregierung unter Berlusconi, ist nicht in Vergessenheit geraten. Viele ArbeiterInnen haben das schon als kriminell zu bezeichnende Abtauchen der CGIL-Führung nicht vergessen, als die Regierung Monti in diesem Jahr den Sozialstaat schlachtete. Mit Recht haben sie sich die Frage gestellt, wo die CGIL war, als die Regierung einen Generalangriff auf die Renten ausübte, als die Regierung die rechtliche Stellung der Beschäftigten verschlechterte oder zehntausende sogenannter „esodati“ (ArbeiterInnen, denen sowohl der Lohn als auch die Aussicht auf Rentenzahlungen genommen wurde) ohne Hoffnung im Regen stehen ließ.

Betont werden muss hingegen, dass sich die FIOM, die kämpferische Metallarbeitergewerkschaft, die auch in der CGIL organisiert ist, aktiv an den Streiks und Demonstrationen in nahezu 100 verschiedenen Städten beteiligte. In Pomigliano bei Neapel, wo eines der größten FIAT-Werke des Landes steht und Mitglieder der FIOM unter schwerwiegender Diskriminierung zu leiden hatten und darunter, dass ihre Rechte hinsichtlich ihrer gewerkschaftlichen Organisierung missachtet wurden, organisierte die FIOM eine sehr bedeutsame Veranstaltung, an der auch der Generalsekretär der Organisation, Maurizio Landini, teilnahm.

Abgesehen von den allgemeinen Attacken auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen gibt es auch Widerstand gegen das landesweit geltende Abkommen, das der Arbeitgeberverband „Federmeccanica“ mit dem sozialdemokratischen (Erg. d. Übers.) Gewerkschaftsbund UIL und der christlichen Arbeitnehmervereinigung (Erg. d. Übers.) CISL unterzeichnen will – im Widerstreit mit der FIOM.

Und was die „Basisgewerkschaften“ angeht, so ist festzustellen, dass die USB den Aktionstag boykottierte und überhaupt nicht daran teilnahm. Die Begründung lautete, dass man „nicht mit den gelben Gewerkschaften zusammenarbeiten“ wolle. Diese Entscheidung war für die Entwicklung einer radikalen Bewegung der Arbeiterklasse in Italien natürlich wenig hilfreich.

Die COBAS („Konföderation der Basis-Komitees“) jedoch nahm aktiv teil und mobilisierte die Mehrzahl ihrer Mitglieder – vor allem im Bildungsbereich.

So war es alles in allem sowieso der Bildungssektor, aus dem in überwiegendem Maße die Beschäftigten kamen, um sich am Aktionstag zu beteiligen. Schließlich sind gerade hier tiefe Einschnitte durchgeführt worden, was bereits im Oktober Anlass für Studierenden-Proteste und Demonstrationen sowie den großen Protestzug in Rom am 10. November war. In Rom gingen anlässlich des 14. November nun rund 50.000 Menschen auf die Straße. Hauptsächlich waren es die SchülerInnen und Studierenden aber auch viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die die ganze Stadt lahmlegten und versuchten, das Parlamentsgebäude zu erreichen.

Brutale Polizei-Repression

Trotz des relativ friedlichen Charakters der Demonstration erhielten die Polizisten Befehl, die ProtestiererInnen anzugreifen und die Proteste aufzulösen. Unbewaffnete und friedliche ProtestiererInnen wurden massenhaft und auf Kopfhöhe mit Tränengas beschossen. Die Polizeiübergriffe führten zu etlichen Dutzend zu Boden gerissenen DemonstrantInnen, die dann auch noch von Beamten umringt und feige ins Gesicht getreten wurden, bevor man sie zur weiteren Identifizierung abtransportierte. Viele junge DemonstrantInnen berichteten von mehrfachen Verletzungen, angeschwollenen Gesichtern, rausgebrochenen Zähnen und Knochenbrüchen.

Die von der Polizei ausgeübte Gewalt ist keineswegs auf einzelne Fanatiker zurückzuführen. Die Polizei handelte vielmehr auf besonderen Befehl hin, und das Tränengas wurde sogar vom Justizministerium aus auf die flüchtende Menge abgefeuert. Diese Gewalt, die man auf hunderten von Videos erkennen kann, ist nicht nur vollkommen ungerechtfertigt, sondern auch die Bestätigung des politischen Willen, die jungen ProtestiererInnen, die zum ersten Mal an einer Demonstration teilgenommen und die Plätze dicht gemacht haben, einzuschüchtern.

„ControCorrente“ möchte gegenüber den ProtestiererInnen, die Opfer der Polizeigewalt wurden, seine uneingeschränkte Solidarität ausdrücken. Unter den Verwundeten befinden sich auch viele SchülerInnen aus Mittelschulen.

In Mailand hat der Streik die ewigen Kreisläufe aufgebrochen und die bei der CGIL organisierten ArbeiterInnen mit Studierenden und den kämpferischen Beschäftigten des San Raffaele Hospitals zusammengebracht. Auch TransportarbeiterInnen und Bahnbeschäftigte nahmen an diesem Streik teil.

Bemerkenswert war auch die Beteiligung an den Protesten in anderen Städten. In Turin zog eine Demonstration mit 20.000 TeilnehmerInnen durch die Stadt. Neapel erlebte erst einen ganz massiven Demonstrationszug durch seine Altstadt, bevor der Hauptbahnhof an der Piazza Garibaldi besetzt wurde. Große Protestmärsche wurden auch in Bologna, Genua, Cagliari, Florenz, Bari und Catania organisiert.

SchülerInnen (hauptsächlich aus den Mittelschulen) und ihre LehrerInnen haben gezeigt, dass sie Willens sind, die staatlichen Schulen zu verteidigen und gegen die Bildungspolitik der Regierung vorzugehen, die versucht die Arbeitszeiten in diesem Bereich anzuheben, Verträge zu unterlaufen etc.

Trotz der Zaghaftigkeit der Gewerkschaftsbürokraten muss der 14. November in Italien als ein relativer politischer Erfolg gewertet werden. „N14“ zeigte den Willen zu kämpfen und Widerstand zu leisten. An der Basis der Gesellschaft verbreitet sich dieser Wille mehr und mehr: beim Aluminiumhersteller ALCOA in Sulcis genauso wie bei IKEA, COOP, unter den MetallarbeiterInnen, LehrerInnen, den prekär Beschäftigten und LeiharbeiterInnen oder unter den jungen Leuten und Studierenden.

Jetzt ist es wichtig, die Reihen zu schließen und sich umgehend auf eine Mobilisierungsstrategie für den nächsten Kampftag vorzubereiten. Wir müssen uns auf einen massenhaften, 24-stündigen Generalstreik vorbereiten, um das gesellschaftliche Kräfteverhältnis wieder ins Lot und die Kraft wieder ins Spiel zu bringen, die tatsächlich in der Lage ist, die Angriffe auf unsere Rechte, den Abbau im Bildungsbereich, bei der Gesundheitsversorgung im Transportwesen etc. zu stoppen. Nur mit einer umfassenden und gut vorbereiteten Mobilisierung der Arbeiterklasse wird es möglich sein, die momentane Politik, die uns tiefer und tiefer in die Rezession treibt, wieder umzukehren. Denn auch eine neue Regierung – sei sie erneut technisch und von oben eingesetzt oder neu gewählt – wird mit dem momentanen Kurs fortfahren; egal, was die Wahlen im Frühjahr bringen werden.