Asylsuchende beginnen mutigen Protest gegen die unmenschlichen Bedingungen
Im März begann für die Flüchtlinge eine neuer Abschnitt im Kampf gegen die Lebensbedingungen in den Asyllagern. Auslöser hierfür war unter anderem der Selbstmord des iranischen Flüchtlings Mohammad Rahespar in Würzburg. Die sechsmonatigen Proteste gipfelte im Refugees Protest March.
von Franziska Sedlak, Berlin
Sie brachen mit der Residenzpflicht (Gesetz, das Flüchtlinge zwingt, eine kleine Region, nicht zu verlassen) und machten sich zu Fuß am 8. September, auf den über 600 km langen Weg, von Würzburg über Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg nach Berlin. Auf dem Weg nach Berlin stoppten sie in verschiedenen Asyllagern. Immer mehr Asylsuchende und UnterstützerInnen schlossen sich der Bewegung an und machten sich gemeinsam auf den Weg nach Berlin.
Die Situation von Asylsuchenden ist mehr als prekär in diesem System. Sie ist geprägt vom Warten in Asyllagern. Warten auf die nächste Duldung immer unter der ständig drohenden Abschiebegefahr. Die Prozesse des Asylrechtsverfahrens dauern eineinhalb bis acht Jahre. In der Zeit müssen die Menschen in Ungewissheit leben, ohne Arbeitserlaubnis und im Zwang der Residenzpflicht. Für Flüchtlinge geht es immer um das blanke Überleben. Flucht, Schlepper, Vergewaltigungen, Krieg, Angst, Hoffnung, Hunger, Durst, Krise, Armut und Tod, dass alles sind die Gründe warum Menschen fliehen.
Das Asylbewerberleistungsgesetzes soll Flüchtlingen nicht helfen, sondern versucht sie um jeden Preis abzuschrecken. Diese Politik demütigt die Menschen deren Schutzbedürftigkeit auf der Hand liegt!
In Berlin gab es am 13.10.2012 eine Großdemonstration mit über 5000 TeilnehmerInnen. Dies war ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Am Dienstag versuchten Flüchtlinge die nigerianische Botschaft zu stürmen, um auf die Zusammenarbeit der Botschaft mit dem deutschen Staat aufmerksam zu machen. Die Flüchtlinge wurden hierbei stellenweise von der Polizei stark verletzt. Zwei mussten direkt ins Krankenhaus und die anderen wurden festgenommen. Am Abend gab es daraufhin eine spontan Demo zur Gefangenensammelstelle (Gesa) in Berlin, für die sofortige Freilassung der Flüchtlinge. Nach mehreren Stunden des Protestes von 1000 Menschen wurden alle Flüchtlinge wieder freigelassen.
Protest der Asylsuchenden geht weiter..
Die Flüchtlinge (derzeit leben circa 80 Menschen im Camp in Berlin) haben bekannt gegeben, die Camps nicht zu verlassen, bis alle ihre Forderungen durchgesetzt wurden. „Wir werden keine Ruhe geben, bis unsere Forderungen vollständig erfüllt sind.“ Solidarität und Proteste sind dringend nötig um die Bewegung weiter zu unterstützen.
Eine Gruppe der Flüchtlinge, 20 Menschen befinden sich seit Ende Oktober im Hungerstreik. Sie haben versucht, ein weiteres Protestcamp am Brandenburger Tor zu errichten. Dies wurde aber unter massiver Gewalt von der Polizei zerstört. Die Flüchtlinge sind jetzt am Pariser Platz lediglich im Form einer Mahnwache geduldet. Decken, Isomatten und Wärmflaschen, welche immer wieder von Anwohnern gespendet wurden, wurden sofort von der Polizei in Beschlag genommen. Es gab eine Welle der Empörung über das unmenschliche Verhalten in der Netzgemeinde.
Am Samstag zogen 200 Flüchtlinge und AktivistInnen gemeinsam vom Abschiebeknast in Schönefeld zu der Asylunterkunft Wassmannsdorf. Ursache hierfür waren die Angriffe auf die Unterkunft in Wassmannsdorf. In der Nacht zu Dienstag wurde das Flüchtlingsheim angegriffen. Ein Steinwurf zerstörte ein Fenster.
Der Stein landete ersten Angaben zufolge im Zimmer einer schlafenden Bewohnerin. Die Täter sprühten ein Hakenkreuz und den Spruch „Rostock ist überall“ an die Wand, womit die weltweit bekannt gewordenen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen aus dem Jahr 1992 gemeint sein dürften. Die Flüchtlinge rufen am Sonntag, dem 04. November erneut zu einer Demonstration gemeinsam mit der Demo zur Jährung der Skandale der NSU Morde auf.
DIE LINKE
DIE LINKE stellte zusammen mit der Piratenfraktion und Bündnis 90/Die GRÜNEN einen Eilantrag an den Senat gestellt das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen, dieser wurde aber direkt in die Ausschüsse verwiesen. Ende Oktober gab es dazu eine Debatte im Abgeordnetenhauses. Von einer „dramatischen Situation“ sprach Elke Breitenbach von der Linksfraktion, auf deren Antrag über die Lage der Asylbewerber diskutiert wurde. Sie machte darauf aufmerksam, dass sich die Lage der Flüchtlinge in Berlin deutlich verschlechtert hat. Flüchtlingsheime sind überfüllt, deren Mitarbeiter überlastet, Asylsuchende dürfen nicht arbeiten und ihre Kinder nicht zur Schule gehen. Sie kritisierte auch Bundesinnenminister Peter Friedrich (CSU), der vor steigenden Flüchtlingszahlen warnte und den Asylbewerbern die Leistungen kürzen will. „Das ist eine Aufforderung zum Verfassungsbruch.“ Die Linke setzt sich dafür ein dass Asylsuchende nicht länger mit nur 60 Prozent von dem auskommen müssen, was Menschen zusteht, die von Hartz IV oder anderen Sozialleistungen leben. Erst im Juli hatte das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Leistungen, die nach dem Gesetz an Asylbewerber gezahlt wurden, für zu niedrig und verfassungswidrig erklärt. Zudem brachten die Linken gemeinsam mit den beiden anderen Oppositionsfraktionen der Piraten und der Grünen den Antrag ein, dass Berlin sich für die Abschaffung des Asylbewerberleistungstungsgesetzes einsetzen und eine Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen, Brandenburg und Schleswig-Holstein unterstützen soll. Auch der Jungendverband Linksjugend [‘solid] Berlin erklärte sich solidarisch mit dem Flüchtlingsprotest und wird eine Sachspende an das Camp übergeben.