Mit Milliardären die Krise lösen?

Durch eine Reichensteuer soll wieder alles gut werden


 

16 französische Milliardäre und Topmanager fordern in einer Zeitungsanzeige: „Besteuert uns!“ Der US-Milliardär Warren Buffet fühlt sich verhätschelt, weil er prozentual nur halb soviel Einkommenssteuer zahlt wie seine Angestellten. Und die deutschen Superreichen Michael Otto vom Otto-Versand und Martin Kind vom gleichnamigen Hörgeräte-Hersteller erzählen der ZEIT, dass sie bereit seien, höhere Steuern zu zahlen.

von Fabian Thiel, Hamburg

Ganz ohne Bedingungen ist die Opferbereitschaft der Superreichen dann aber doch nicht. Maurice Lévy, der Vorsitzende des Arbeitgebervereins AFEP und der Verfasser des französischen Aufrufs, fordert als Gegenleistung für Steuererhöhungen massive staatliche Kürzungsprogramme und weniger Sozialabgaben für Unternehmen. Otto und Kind wollen ihr Geld nur für Schuldentilgung verwendet sehen. Der Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo will mehr Privatisierungen als Gegenleistung.

Mit dem System geht es bergab

Wenn Milliardäre anbieten, mehr Steuern zu zahlen, kann man sicher sein, dass der Kapitalismus in großen Schwierigkeiten steckt. In der Krise 2007-09 haben die Länder weltweit Billionen in Bankenrettungspakete und Konjunkturmaßnahmen gesteckt. Dadurch konnte der Krisenverlauf abgefedert werden. Als Folge ist die Staatsverschuldung aber auf ein Level gestiegen, das die Zahlungsunfähigkeit der schwächeren Ökonomien auf die Tagesordnung stellt. Um die steigenden Zinsen zu bedienen, werden von den Regierungen massive Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung durchgeführt.

Deutschland befindet sich dabei in einer vorübergehenden Sondersituation. Die Hartz-Reformen haben zum Beispiel einige Verschlechterungen schon vorweg genommen, die Reallöhne sind auf dem Niveau von vor 19 Jahren und durch den Euro haben die deutschen Kapitalisten außerordentlich profitiert.

Eine Minderheit der Reichen ist bereit, jetzt mehr Steuern zu zahlen, um später Schlimmeres zu verhüten. Der Absturz der Börsenkurse in den letzten drei Monaten bedeutet für sie ganz konkrete Verluste. 2008 wurden nach einer Studie der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) weltweit Vermögenswerte von 50 Billionen Dollar vernichtet. Aufgrund der Konzentration von Reichtum auf der Welt – 0,12 Prozent der Weltbevölkerung besitzen ein Viertel des Vermögens – geht es für die Superreichen daher um viel Geld. Genug Geld, um theoretisch mehrfach die Schulden zu bedienen.

Beruhigungspillen

Die verschiedenen Sonderabgaben für Reiche, die diskutiert werden, sind dagegen symbolische „Opfer“. Es geht darum, den Lohnabhängigen vorzugaukeln, dass auch die Reichen ihren Teil leisten, um aus der „gemeinsamen Misere“ herauszukommen. Die Absenkung unseres Lebensstandards lässt sich leichter durchsetzen, wenn man auf den Milliardär zeigen kann, der eine Milliardärssteuer zahlen muss. Dass der Milliardär trotz Abgabe (falls es überhaupt dazu kommt) weiter Profite macht und seinen Besitz vergrößert, während der Lebensstandard der Lohnabhängigen absolut fällt, ist Teil des Betrugs.

von wegen uneigennützig

Bei wem sind die Staaten eigentlich verschuldet? Letztendlich bei verschiedenen Großbanken. Und wem gehören die Großbanken? Letztendlich denjenigen mit genügend Kapital. Es könnte also sein, dass der Milliardär eine Abgabe leistet, damit der Staat die Schulden bei ihm zurückzahlen kann. Alles verschleiert durch die für uns anonymisierten Eigentumsverhältnisse. Die individuellen Reichen haben ihren Besitz natürlich unterschiedlich gestreut, aber betrachtet man die besitzende Klasse als Ganzes, sind sie über den Bankenbesitz die Gläubiger der Staaten. Nun wird auch klar, dass es bei der Staatsschuldenfrage darum geht, ob die Lohnabhängigen die Staatsschulden plus Zinsen an die besitzende Klasse abzahlen, oder ob sie sich verweigern.

In den letzten Jahrzehnten wurden weltweit die Steuern für die Reichen und die Banken und Konzerne gigantisch gesenkt. Das hat dazu geführt, dass die Bosse der 25 größten US-Konzerne mehr Gehalt bekommen als die Konzerne an Steuern zahlen. Wir sind für eine drastische Besteuerung von Gewinnen, Vermögen und hohen Einkommen. Das wird uns aber nicht aus Einsicht und Schuldgefühlen geschenkt werden. Notwendig ist eine Massenbewegung, die sie zum Zahlen zwingt.