Ein Jahr „Krisenbekämpfung“ durch die G20

Das Elend für die arbeitenden Menschen geht weiter


 

von Vincent Kolo, chinaworker.info

Der Aufschwung an den Börsen der letzten Monate deutet darauf hin, dass der globale Kapitalismus seine „Nahtoderfahrung“ von vor einem Jahr, die durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 ausgelöst wurde, überstanden hat. In den letzten Wochen wurden aus dem Reden über „grüne Triebe“ zunehmend optimistische Voraussagen einer Wirtschaftserholung. Die Finanzmärkte haben diese unterstellte Erholung schon eingepreist, was ihre dramatische Erholung im letzten halben Jahr belegt. Der MSCI-World-Index, der alle führenden Börsen misst, ist seit dem 8. März um 68 Prozent gestiegen – der größte Anstieg, seit er 1970 eingeführt wurde. Dies bedeutet den „größten Aktienboom seit den 1930ern“, rief ein Analyst aus, dem anscheinend die Ironie in diesen Worten entging.

Was an den Finanzmärkten passiert, steht völlig im Widerspruch zum wirklichen Zustand der Wirtschaft. Sie haben begonnen, die spektakulären Verluste der vergangenen 18 Monate auf der Grundlage einer beispiellosen Welle von staatlich finanzierter Liquidität wettzumachen. Banken, die Rettungspakete im Billionenumfang erhielten, beteiligen sich wieder an hochriskanten Spekulation und „machen Gegendruck“, um Joseph Stiglitz zu zitieren, gegen Versuche, ihnen strengere Regulierungen und eine Beschränkung solcher Tätigkeiten aufzuzwingen. Die politischen Führer und Notenbanker der Welt haben es also geschafft, durch beispiellose Staatseingriffe eine neue Finanzblase zu schaffen, die allerdings wahrscheinlich kurzlebig sein kann und schnell einer weiteren Welle von Finanzpanik Platz machen kann. Dies ist besonders der Fall, wenn, wie es am wahrscheinlichsten ist, die viel beschworere Erholung nicht Wirklichkeit wird oder in eine Rezession mit „doppeltem Eintauchen“ oder in „W-Form“ zurück gleitet.

Der Internationale Gewerkschaftsdachverband (ITUC) wies in seiner Pittsburgher Erklärung vor dem G20-Treffen vom September darauf hin, dass „die Saat einer neuen Krise bereits gesät wird“. Die massiven Geldspritzen durch die Regierungen der Welt, Rettungsmaßnahmen für Banken plus Konjunkturprogramme wie Steuersenkungen und Unterstützung für Wohnungs- und Autoverkäufe, haben es vorübergehend geschafft, den wirtschaftlichen Fall abzupolstern, aber um den Preis, Rekorddefizite aufzutürmen und schon unhaltbare Ungleichgewichte in der globalen Wirtschaft zu verschlimmern.

Man sollte sich daran erinnern, dass die, die heute das Ende der globalen Rezession verkünden, die selben „Experten“ sind, denen die Gefahrenzeichen das letzte Mal entgingen. Hier passen die Worte von George Orwell sehr gut: „Politische Sprache dient dazu, dass Lügen wahr klingen und Mord respektabel und um dem reinen Wind einen Anschein von Festigkeit zu geben.“ In Wirklichkeit gibt es bestenfalls eine Stabilisierung der Weltwirtschaft auf einem neuen niedrigeren Niveau, auf das es Ende 2008 stürzte. Der Leitartikel der „Financial Times“ vom 27. Juli fasste das zusammen, als er erklärte: „Die Erholung entspricht zu einem Gutteil dem Gesetz der Physik. Wenn man etwas auf den Boden fallen lässt, hüpft es wieder hoch.“

Der Welthandel, der das Wirtschaftswachstum jahrzehntelang antrieb, wird sein erstes Schrumpfen über einen Jahreszeitraum seit 1982 erleben, aber diesmal wird der Fall viel größer sein – rund 10 Prozent. Die Europäische Union gab kürzlich bekannt, dass ihre eigene „Erholung“ begonnen habe. Trotzdem erwartet sie immer noch ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,1 Prozent dieses Jahr und ein 0,1-Prozent-Schrumpfen 2010. Die jüngste Vorhersage des IWF für die US-Wirtschaft ist ein Fall um 2,7 Prozent dieses Jahr. Stiglitz sagt voraus: „Wir gehen in eine ausgedehnte Periode einer schwachen Wirtschaft, einem wirtschaftlichen Unwohlsein.“ Sein Mitkeynesianer Nouriel Roubini warnt, dass ein „doppeltes Eintauchen“ oder eine lang gezogene „U-förmige“ Rezession am wahrscheinlichsten sind. Die Einschätzungen der nüchterneren Bourgeois bestätigen, wofür das CWI und MarxistInnen eingetreten sind. Wir haben gewarnt, dass die Welt nicht vor einem „normalen“ Konjunkturabschwung steht, sondern vor einer organischen, strukturellen Krise des Kapitalismus, die sich über Jahre erstrecken wird und weitere scharfe Schrumpfungsperioden und vorübergehende Erholungen umfassen wird – aber schwache Erholungen, die jede Erleichterung für Arbeiterhaushalte weitgehend ausschließen.

Die keynesianische Erholung – wer gewinnt?

Regierungen haben weltweit, angeführt vom US-Kapitalismus, beispiellose keynesianische (benannt nach dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes 1883-1946) Rettungsprogramme aufgelegt, um Banken zu stützen, und auch die Zinsen auf Null gesenkt und massive Geldbeträge durch „quantitative Lockerung“ (was Laien „Geld drucken“ nennen) in die Wirtschaft gepumpt. Der IWF schätzt, dass reiche Länder 9,2 Billionen (9.200.000.000.000) Dollar an staatlicher Unterstützung für den Finanzsektor ausgegeben haben, während ärmere „sich entwickelnde Wirtschaften“ 1,6 Billionen Dollar ausgegeben haben, die ebenfalls atemberaubend sind. Wie ein Leitartikel in der „South China Morning Post“ (15. September) kommentierte: „Die Krise hat die Ideologie des freien Marktes ernsthaft geschwächt … Sie hat Staatskapitalismus und Intervention Schwung verliehen, eine Regierungsweise, die von vielen sich entwickelnden Ländern, besonders von China favorisiert wird. Von den fortgeschrittensten kapitalistischen Ländern bis zu armen Entwicklungsländern hat man in einem Großteil der Welt gesehen, dass der Staat der vorherrschende wirtschaftliche Akteur wurde.“

Es wird aber täglich klarer, dass hauptsächlich die Reichen, die Banker und Spekulanten von dieser Politik gewinnen. Regierungen in den führenden kapitalistischen Staaten haben Verluste des Finanzsektors in den öffentlichen Sektor verschoben, also den Steuerzahlern aufgebürdet. Dies ist „Sozialismus für die Reichen“, wie es viele Wirtschaftskommentatoren genannt haben, oder wie andere sagen, „Sozialismus mit amerikanischen Besonderheiten“. Es ist unnötig zu sagen, dass diese Politik – die dazu da ist, den Kapitalismus in einer Krisenperiode zu verteidigen – überhaupt nichts mit Sozialismus gemeinsam hat. Aber trotz der Aufgabe des Neoliberalismus in Worten und Angriffen auf den „Kult des Marktes“, wie das der französische Präsident Sarkozy nennt, setzen die Regierungen für die Masse der Bevölkerung neoliberale Angriffe in Form von Lohnkürzungen, Privatisierung und brutalen Haushaltskürzungen fort.

In der herrschenden Klasse geht eine Debatte über eine „Ausstiegsstrategie“ weiter, die anzeigt, dass sie die gegenwärtige keynesianische Phase als vorübergehend sehen. Die meisten kapitalistischen Regime verstehen, dass eine „Ausstiegsstrategie“ – Haushalte wieder ausgleichen, Erhöhen der Zinsen und ein Ende der Konjunkturprogramme – in dieser Phase unmöglich ist. Aber ihre Diskussionen sind eine Warnung vor dem, was kommen wird: dieser „Ausstieg“ ist eine Umschreibung für noch größere Kürzungen und eine koordinierte Kampagne, die Arbeiterklasse die Rechnung für die heutigen Krisenmaßnahmen bezahlen zu lassen. Alan Greenspan, der frühere US-Zentralbankchef, platzte kürzlich heraus, dass an einem Punkte die US-Regierung keine Wahl haben werde als Steuern zu erhöhen und auch eine Verbrauchssteuer einzuführen, um sich aus den Rekorddefiziten herauszugraben. Diese Angriffe werden in den meisten Fällen in den Farben der „nationalen Rettung“ geschmückt sein, mit Appellen, für das gemeinsame Wohl Opfer zu bringen, wenn sie in Wirklichkeit meinen, dass die Armen Opfer zum Wohle der Reichen machen müssen.

Die Fortsetzung des unverdünnten Neoliberalismus ist am offenschtlichsten in den Wirtschaften, die durch die Krise in die Nähe des Bankrotts gebracht wurden. In Lettland wurden unter der Ferse der IWF- und EU-Programme die Hälfte der Krankenhäuser geschlossen, um strikte Haushaltskürzungen zu erfüllen, während das Gehalt der LehrerInnen um ein Drittel gekürzt wurde. Island wurde durch seine privatisierten Banken ruiniert und bekam vom IWF gesagt, es solle seinen Staatshaushalt in den nächsten drei Jahren um ein Drittel kürzen. Aber die fortgesetzte Reichweite der neoliberalen Angriffe ist nicht auf diese „Krisenstaaten“ beschränkt. Japan beschritt lange vor den meisten anderen Ländern den Weg einer Form keynesianischer Konjunkturausgaben und wieder ist es nicht die Arbeiterklasse, die den Nutzen von dieser Politik hatte: zwischen 1994 und 2007 fiel das durchschnittliche jährliche Hauhaltseinkommen um 16 Prozent. Die Zunahme der Armut – Japans Armutsrate ist jetzt die vierthöchste in den 30 Ländern der OECD – ist zweifellos ein wichtiger Faktor hinter der Erdrutschwahl, die Liberaldemokraten im August aus dem Amt zu jagen.

Die Konjunkturpolitik hatte wenig Auswirkung auf die Arbeitslosigkeit, die in allen Teilen der Weltwirtschaft anschwillt. In China berichtet die höchste Denkfabrik der Regierung, die Chinesische Akademie der Sozialwissenschaft, dass in den letzten 12 Monaten 41 Millionen Arbeitsplätze vernichtet wurden – ein Weltrekord bei Arbeitsplatzvernichtung. Dies bedeutet umgerechnet den Verlust von 3,4 Millionen Arbeitsplätzen jeden Monat. Weniger als die Hälfte, etwa 18 Millionen ArbeiterInnen fanden nach dem Bericht der CASW neue Arbeitsplätze. In den USA gingen 7,2 Millionen Arbeitsplätze seit Ende 2007 verloren. Dies hat die reale Arbeitslosigkeit auf über 25 Millionen erhöht, dass heißt, wenn man die mitzählt, die zu Teilzeitjobs gezwungen sind, und die, die aufgegeben haben, Arbeit zu suchen. Das ist nicht nur eine Verurteilung für das vorherrschende Wirtschaftssystem – dass zig Millionen aus dem wirklichen Produktionsprozess ausgeschlossen sind im Unterschied zu den illusorischen Gewinnen, die von den Bankern und Finanztricksern geschaffen wurden –, sondern Massenarbeitslosigkeit und fallende Einkommen ziehen die Wirtschaft weiter herunter, pressen den Konsum zusammen und erhöhen die Zahl derjenigen, die Kredite nicht zurückzahlen können. Steuererhöhungen und eine Verbrauchssteuer, wie sie Greenspan vorschlägt, würden diese Trends weiter verschärfen.

Trotz des Geredes von einer Erholung sagt die OECD voraus, dass weitere 25 Millionen ArbeiterInnen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ihre Arbeitsplätze bis Ende nächstes Jahr verloren haben werden. Abgesehen von Arbeitslosigkeit, fügen die Konzerne den ArbeiterInnen auf vielfältige Weise Leiden zu: mehr als ein Sechstel der US-Firmen hat ihren ArbeiterInnen unbezahlten Urlaub aufgezwungen, und 20 Prozent haben aufgehört, in die Betriebsrenten ihrer Beschäftigten einzuzahlen. Eine wichtige Lehre von Japans lang gezogener Krise von 1990-2003 war, dass fallende Einkommen einen Teufelskreis von niedrigerer Nachfrage und steigender Haushaltsverschuldung schufen. Dies ist zunehmend der Entwicklungsweg für einen Großteil der kapitalistischen Welt.

Globale Koordination – oder Handelskrieg?

Die Krise hat auch zu einer beispiellosen Zurschaustellung von globaler Koordination gehört, hauptsächlich durch das relativ neue Forum der G20. Dieses Gremium, das ältere westliche Mächte und aufsteigende Wirtschaftsmächte, besonders in Asien und Lateinamerika zusammen bringt, hielt sein drittes Krisentreffen in weniger als einem Jahr in Pittsburgh am 24-25. September ab. Der Aufstieg der G20 spiegelt den Grad der wechselseitigen Durchdringung der Wirtschaften der Welt heute und die Verschiebung der Wirtschaftsmacht wider, die zwischen den älteren und neueren industrialisierten Mächten, besonders in Asien, im Gange ist. Laut McKinsey stiegen die jährlichen Kapitalflüsse über die Grenzen auf 11,2 Billionen Dollar 2007 an, das ist mehr als 20 Prozent des globalen BIP. 1990 waren es noch 1,1 Billionen oder 5,2 Prozent des globalen BIP. Die Geschwindigkeit und Zerstörungskraft der von den USA ausgehenden Bankenkrise zeigt auch, dass die kapitalistischen Staaten in einem Grad wechselseitig abhängig sind, den es in der Geschichte nie gab.

Aber auf einer kapitalistischen Grundlage kann eine gemeinsame Aktion über nationale Grenzen hinweg nur gewisse begrenzte Formen annehmen. Jede kapitalistische Regierung kämpft für Vorteile für ihre eigenen Firmen und Märkte. Die Entscheidung in Pittsburgh, die Stimmrechte für ärmere „aufstrebende Wirtschaften“ im IWF auf zusammen fünf Prozent der Gesamtsumme zu erhöhen, zeigt, wie zögerlich die diese Institution beherrschenden älteren kapitalistischen Wirtschaften der USA, der Europäischen Union und Japans sind, Macht und Einfluss mit neuen Herausforderern wie China, Indien und Brasilien zu teilen. Die USA allein haben 17 Prozent der Stimmrechte im IWF, was ihnen ein faktisches Veto bei der Politik des Fonds gibt.

Wie Michael Pettis von der Guanghua Managementschule an der Peking Universität kommentierte, war das G20-Treffen „eine Gelegenheit für Weltführer, beruhigende Dinge über den globalen Handel zu sagen, aber ohne eine ernsthafte Koordination der Politik gibt es wenig, um einen intensivierten Konflikt zu vermeiden.“ [South China Morning Post, 28. September] Dies wird unterstrichen durch den scharfen Handelskonflikt, der zwischen China und den USA über den Handel mit Autoreifen ausgebrochen ist, der zu eskalieren droht und, wenn er nicht ziemlich schnell entschärft wird, zu Zusammenstößen wegen wichtigerer Fragen, wie Chinas Unterstützung für den Dollar, führen könnte. Das chinesische Regime investiert weiterhin seinen Handelsüberschuss in US-Staatsanleihen, obwohl die Zinsen auf einem Rekordtief sind. Chinas gesamte Devisenreserven erreichten 2,13 Billionen Dollar letzten Monat.

Das chinesische Regime hat heftigen Protest gegen Obamas Entscheidung eingelegt, eine sogenannte „Schutzklausel“ mit Zöllen von bis zu 35 Prozent auf in China gefertigte Autoreifen festzulegen. Wenn man die Autoreifen außer Acht lässt, die nur rund 1,8 Milliarden Dollar der chinesischen Exporte im Wert von 340 Milliarden Dollar in die USA ausmachen, sind die Probleme für China viel größer und gehen auf seine Aufnahme in die WTO 2001 zurück. Damals ging die frühere Regierung unter Zhu Rongji auf einseitige und benachteiligende „Schutzklauseln“ ein, die über WTO-Regeln hinausgehen und bis 2013 gegen China genutzt werden können. Chinas Unterhändler akzeptierten diese Bedingungen nicht nur mit Washington – Dutzende von Chinas anderen Handelspartnern könnten ähnliche Maßnahmen, um Chinas Waren fernzuhalten, beschließen – nur zögernd. Angeregt durch Obamas Autoreifenzölle, rufen andere Gruppen wie die Papierindustrie der USA nach ähnlichen Maßnahmen gegen chinesische Importe. Deshalb wird Beijing wahrscheinlich stark auf die Autoreifenzölle reagieren. Anfänglich wird sie sich auf das moralische hohe Ross in Ablehnung gegen den Protektionismus schwingen, aber es hat schon Vergeltungsmaßnahmen gegen Importe von US-Hähnchen und Autoteilen angekündigt. Die Ironie in dieser Lage ist, dass die meisten US-Firmen in dieser Frage gegen Obama sind – mehreren US-Firmen gehören chinesische Reifenfabriken, die von diesen Zöllen getroffen werden.

Nationale Gegensätze sind im kapitalistischen Handelssystem verwurzelt, auch wenn sich diese Gegensätze dialektisch entwickeln und wirtschaftliche und politische Veränderungen widerspiegeln. Neue kapitalistische Bündnisse werden geschaffen und brechen dann auseinander. Wie vorauszusehen, gab es bei den G20 neue Forderungen, die „Doha-Runde“ der Welthandelsgespräche durch das Mittel der WTO zu beenden, weil die Kapitalistenklasse manche Lehren aus den 30ern gelernt hat, als ein 25-Prozent-Absturz des Welthandels die Wirtschaftskrise massive verschärfte. Aber gleichzeitig steigen die Spannungen weit über den Zusammenstoß zwischen den USA und China um die Frage der Autoreifen hinaus. Insgesamt haben 17 der G20-Staaten im letzten Jahr gegen einander protektionistische Maßnahmen ergriffen. Die Flugzeugindustrien der USA und Europäischen Union (Boeing und Airbus) stecken in einem heftigen Kampf um die Marktbeherrschung fest, bei dem Europa/Airbus kürzlich eine entscheidende WTO-Entscheidung zu „unfairen“ Subventionen verloren hat. In Wirklichkeit sind solche Subventionen und andere Formen von Staatsunterstützung oder „Wohlfahrt für Konzerne“ überall im Ansteigen und oft in die jüngsten keynesianischen Konjunkturpolitiken eingebettet.

Die kranken Banken – ein „deja vu“-Erlebnis!

Als Ben Bernanke von der Obama-Regierung für eine neue vierjährige Amtszeit als Vorsitzender der Federal Reserve (US-Notenbank) nominiert wurde, wurde er weithin gepriesen für die „Abwendung einer zweiten Großen Depression“. Das Lob ist unverdient – Bernanke ist einer der Architekten des Lehman Brothers Debakel und der Kreditblase, die ihm voraus ging. Es kann sich auch als voreilig erweisen. Die Gefahr einer richtigen Depression ist zwar kurzfristig als Ergebnis der massiven Staatseingriffe in der Nach-Lehman-Periode zurückgegangen, wurde aber nicht ständig ausgetrieben und kann es auch nicht auf einer kapitalistischen Grundlage. Kapitalistische Regierungen bereiten neue Krisen vor, selbst jetzt, wo sie mit der gegenwärtigen klarzukommen versuchen.

Dieses Jahr sind bisher 92 US-Banken pleite gegangen, im Vergleich zu 25 letztes Jahr und drei 2007. Fast alle der Bankrotte dieses Jahr waren Regionalbanken, aber unter ihnen war die Colonial Bank, die im August von Staatsregulatoren geschlossen wurde, was die sechstgrößte Bankenpleite in der US-Geschichte war. Wie AFP kommentierte: „Die Regionalbanken haben eine Explosion von faulen Krediten erlebt, besonders in Staaten, die von der Rezession hart getroffen wurden“ wie Kalifornien und Georgia. Regionalbanken haben mehr Kredite im Gewerbeimmobiliensektor (im Unterschied zum Eigenheimsektor, wo sich die „subprime“-Krise entwickelte) vergeben und dies ist ein Zeichen für wachsende Schwierigkeiten in dem Sektor, wo die Zahlungsunfähigkeit zunimmt. Zahlungsunfähigkeit von Kreditkartenkunden stellt eine weitere tickende Bombe für die Banken dar.

Inzwischen fallen die Preise für Eigenheime in den USA weiterhin, trotz Steuernachlässen und anderen Maßnahmen, um den Sektor zu stützen, weshalb manchen der größten Banken weitere Schwierigkeiten drohen. Hauspreise sind seit dem Höhepunkt 2006 (Case-Shiller Index) um 32 Prozent gefallen und werden laut Deutsche Bank Securities bis 2011 weiter fallen. „Man muss extrem weit in die Ferne schauen, um eine Rückkehr der Eigenheimpreise auf den Wert, den sie auf ihrem Höhepunkt hatten, zu sehen … es könnten auf manchen Märkten 15 bis 20 Jahre sein“, argumentierte ein Sprecher der Immobilienfirma Zillow.com.

In Japan fielen die Immobilienpreise um mehr als 50 Prozent nach dem Platzen ihrer Finanzblase 1990. sie fielen dreizehn Jahre lang weiter, stabilisierten sich dann kurz, bevor sie ihren Rückgang nach 2007 wieder aufnahmen. Besonders wenn ansteigende Arbeitslosenzahlen und fallende Löhne in die Gleichung einbezogen werden, ist die Bühne für mehr Zwangsversteigerungen und neue Megaverluste für die Banken bereitet. Heute hat einer von vier US-Hauseigentümern höhere Schulden als ihr Haus Wert ist. Vorhersagen von weiteren 150 bis 200 US-Bankpleiten gelten als Mainstream. Roubini glaubt, dass mehr als 1.000 Finanzinstitutionen pleite gehen könnten: „Das Finanzsystem ist schwer beschädigt und es sind nicht nur die Banken“.

In der Depression der 1930er war das schlimmste Jahr der Bankpleiten 1933, das vierte Jahr der Krise. Die gegenwärtige Krise geht jetzt in ihr drittes Jahr. Sie hat schon viel mal mehr gekostet als die Krise der 1930er – 25 mal so viel nach den Berechnungen von TheStreet.com (23.108 Dollar pro Person in der gegenwärtigen Krise im Vergleich zu 821 Dollar pro Person in der Großen Depression, gemessen in Dollars von 2009).

Trotz populistischer Angriffe von Politikern aller Spielarten auf die „Gier“ und „Bonuskultur“ der großen Banken und beim G20 Treffen wiederholten Rufen nach strengerer Regulierung und Kontrolle, sind alle Faktoren, die uns in den globale Finanzkernschmelze führten, wieder völlig ausgebildet. Die New York Times (12. September) wies darauf hin: „Ein Jahr nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers Holdings ist die Überraschung nicht, wie viel sich in der US-Finanzbranche geändert hat, sondern wie wenig.“ Dieser Artikel kommentierte, dass die größten Banken nur kosmetische Umstrukturierungen vorgenommen haben. Als Beleg dafür hat eine neue Bonus-Welle begonnen, bei der führende Wall Street Banken planen, in den kommenden Monaten 18,4 Milliarden Dollar zu verteilen. Präsident Obama warnt die Wall Street vor der „Rückkehr zu rücksichtslosem und unkontrolliertem Verhalten“ und sagt ihnen, es werde „keine weiteren Rettungspakete“ geben. Aber diese harte Botschaft steht in völligem Widerspruch zur gegenwärtigen Praxis.

300.000 Angestellte wurden von den größten Banken in den USA und Europa entlassen, seit die Krise begann. Gleichzeitig behielten die meisten Vorständler ihre Jobs und ihre Gehälter steigen auf die Niveaus vor der Krise empor. Gillian Tett bemerkte in einem Artikel in der Financial Times (4. September), wie wenige US-Finanziers für Fehlverhalten während der Krise verurteilt wurden, wogegen über 1000 Funktionäre für ihre Rolle in dem viel kleineren Sparkassen- (S&L;) Skandal der 1980er verurteilt wurden: „Verglichen mit den Tagen von S&L; scheint mit anderen Worten das Niveau der Strafe bisher fast nicht existent zu sein“.

Die Politik der US und anderer Regierungen hat nicht einmal eine Delle in die monströsen Niveaus der faulen oder „vergifteten“ Schulden gemacht, durch die der Finanzsektor nach unten gezogen wird. Folglich haben sie die Gefahr neuer Schocks, Bankenzusammenbrüche und Finanzpaniken auch nicht bedeutsam verringert. „Die Probleme sind schlimmer als sie 2007 vor der Krise waren“, sagt Stiglitz. „In den US und vielen anderen Ländern sind die Banken, die zu groß sind, um Pleite zu gehen, noch größer geworden.“

Lenin wies darauf hin, dass das Monopol eines der Merkmale des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus ist, ebenso wie die Vorherrschaft des Finanzkapitals. In Lenins Studien, besonders von deutschen Firmen und Banken vor Hundert Jahren, notierte er auch, wie eine Krise oder Depression die Tendenz zum Monopol beschleunigen kann. Die kleinen „Fische“ und selbst manche großen werden von den größten gefressen. Heute, nach 18 Monaten von riesigen Rettungspaketen und Fusionen haben drei Banken – JPMorgan Chase, Wells Fargo und Bank of America – jetzt 30 Prozent aller US-Einlagen. Ihre Marktmacht hat sich enorm vergrößert. Aber trotz einer Welle von Fusionen bleibt der Bestand der Banken an faulen Krediten unvermindert. Praktisch haben sich die US-Regierung und die meisten anderen dafür entschieden, sich durch die Bankenkrise „durchzuwursteln“ und alle Hoffnungen auf eine Erholung (und daran liegt der Haken!) zu setzen, die es den Banken ermöglichen soll, durch Wachstum ihren Weg aus der Krise zu finden. Stiglitz erklärt:

„Die Banken wiederholen das Sparkassen-Debakel der 1980er Jahre, indem sie schlechte Buchführungspraktiken verwenden (ihnen wurde zum Beispiel erlaubt, de facto wertlose Vermögenswerte in ihren Büchern ohne Wertberichtigung stehen zu lassen mit der Idee, dass sie bis zur Fälligkeit gehalten werden könnten und bis dahin wieder an Wert gewinnen könnten). Schlimmer noch, sie können zu niedrigen Zinsen Kredite von der US-Notenbank aufnehmen auf der Grundlage von minderwertigen Sicherheiten und zugleich riskante Geschäfte machen… Aber damit wird man die Wirtschaft nicht schnell wieder in Fahrt bringen. Und wenn die Wetten schief gehen, werden die Kosten für die US-Steuerzahler noch größer sein.“ (Joseph Stiglitz, Project Syndicate, 11. Mai 2009).

Die Banken sind also heute wieder bei ihren alten Tricks. Die großen Banken haben eine kurzfristige Rückkehr zu Profiten gehabt, die weitgehend auf „kreativer“ Buchführung beruht – die fünf größten US-Banken verdoppelten ihre Profite im zweiten Quartal im Vergleich zum selben Quartal 2008. Die Rückkehr zum Profit kommt von der Seite der Investmentbanken (im Zusammenhang mit Finanz’innovation" dass heißt Spekulation) und nicht durch kommerzielle Bankkredite (verbunden mit der Wirtschaft insgesamt). Der Boom an den Aktien- und Anleihemärkten, der Anstieg der Rohstoffpreise und ein Wiederbeginn von Fusionen (Firmenübernahmen) hat wieder saftige Spekulationsmöglichkeiten geschaffen. Für die Banken ist das eine „bei Kopf gewinnen sie, bei Zahl verlieren wir“-Situation. Wie Stiglitz in dem obigen Artikel argumentiert, werden sie wieder gerettet werden, wenn ihre Wetten wieder daneben gehen – was auch immer Obama sagt – während alle Profite ihnen gehören und sie sie verwenden, wie sie wollen (dass heißt höhere Boni und riskantere Wetten).

Stiglitz weist darauf hin, dass die Banken heute nicht nur „zu groß sind, um pleite zu gehen“ (dass heißt die Regierung hat keine Wahl als sie zu retten), sondern jetzt auch „zu groß sind, um gemanagt zu werden“. Es ist zwar nicht Stiglitz" Absicht, aber seine Argumente sind ein mächtiges Argument für die Verstaatlichung der Banken unter demokratischer Arbeiterkontrolle und -verwaltung – dass heißt wirkliche Verstaatlichung, nicht mehr Wohlfahrt für Konzerne. Die führenden Banken sind so wenig „zu managen“, dass nicht nur die Regulatoren ständig das Nachsehen haben; selbst die eigenen Vorstände der Banken üben keine wirkliche Kontrolle aus, so komplex sind manche ihrer Geschäfte. Stiglitz möchte gemeinsam mit manchen führenden europäischen Politikern die Größe der Banken begrenzen. Solche Politiken sind schon früher versucht wurden, aber kapitalistische Monopolkonzerne finden immer Wege, das zu umgehen – angesichts der erdrückenden Macht, die sie innerhalb einer kapitalistischen Wirtschaft haben. Dies war zum Beispiel der Fall in den 1930er Jahren, als Franklin D. Roosevelt Anti-Trust-Gesetze einführte. Aber wie Leo Trotzki betonte: „Roosevelts Kampf gegen Monopole war mit nicht mehr Erfolg gekrönt als der Kampf aller seiner Vorgänger“. [Trotzki, Marxismus in unserer Zeit, 1938]

Es ist eine Banalität, dass man nicht kontrollieren kann, was einem nicht gehört, ganz zu schweigen von der effektiven Planung der Dinge. Deshalb verlangen SozialistInnen eine wirkliche Verstaatlichung der Banken und der größeren Industriekonzerne, mit minimaler Entschädigung (nichts für die Geldsäcke) und unter demokratischer Kontrolle als Teil einer weiteren sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft im Interesse der Lohnabhängigen und ProduzentInnen, nicht der Geldleute. Die Idee der Verstaatlichung ist in den letzten Jahrzehnten von der neoliberalen Propaganda angegriffen worden, die Staatseigentum – oft mit völlig abstrusen Statistiken – als „verschwenderisch“ und „ineffizient“ und Privateigentum als überlegen darstellte. Der Zusammenbruch der früheren stalinistischen Staaten in der früheren Sowjetunion und Osteuropa diente auch als ideologische Stütze für den Kapitalismus. Aber in der nächsten Periode wird Unterstützung für öffentliches Eigentum in der politischen Debatte immer mehr Boden gewinnen.

China als Rettung?

Es gibt weit verbreitete Hoffnung unter den Kapitalisten international, dass China die Welt aus der Rezession herausziehen wird. Sie ist nicht berechtigt. Im Vergleich mit den Problemen der US- und europäischen Wirtschaften scheint natürlich allein die Tatsache, dass China auf dem Weg ist, dieses Jahr rund acht Prozent BIP-Wachstum zu haben, beeindruckend zu sein. Aber wie immer sagen die Schlagzeilen nicht die ganze Geschichte oder auch nur die halbe Geschichte. Erinnern wir uns daran, dass vor zwei Jahren Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao sagte, dass seine Wirtschaft „unausgeglichen, unstabil, unkoordiniert und unnachhaltig“ sei. Dies war zu einer Zeit, als China fast doppelt so schnell wie heute wuchs.

Das chinesische Regime legte letzten November sein eigenes Rettungspaket im Wert von ungefähr 600 Milliarden Dollar auf. Vor einem Jahr fiel die Wirtschaft „von einer Klippe herunter“ – zu Beginn dieses Jahren kam das BIP-Wachstum wahrscheinlich auf Null (unabhängig davon, was die offiziellen Daten behaupten). Aber die seitdem erreichte Kehrtwende ist hauptsächlich durch eine Rekordinjektion von Kredit durch die staatseigenen Banken unter der „moderat lockeren“ Geldpolitik des Regimes erreicht worden – 8,15 Billionen RMB (etwa 1,19 Billionen Dollar) in den ersten acht Monaten 2009. Diese neue Kreditvergabe und nicht das Novemberpaket ist die wirkliche Story in China. Der Betrag neuer Kredite ist ein Weltrekord, er entspricht fast 25 Prozent des BIP, wobei die Banken „Geld aus der Tür schaufeln“, wie es ein Kommentator formuliert.

Dies hat den Zusammenbruch der Produktion teilweise umgekehrt, den es als Ergebnis des Verlusts seiner Exportmärkte erlitt (Chinas Exporte waren im selben achtmonatigen Zeitraum um 23 Prozent niedriger). Aber es hat auch mehr Probleme für die Zukunft aufgehäuft. Chinas Problem ist nicht die Notwendigkeit, die Produktion zu steigern oder neue Produktionskapazität zu erhöhen. Sein Problem ist eines der Nachfrage: wer wird seine Produkte kaufen angesichts des niedrigen Niveaus der chinesischen Löhne und des scharfen Rückgangs im Welthandel? Die Regierung kann diesen Kreis über einen gewissen Zeitraum quadrieren, aber nicht unbeschränkt. Besonders, wenn Provinzrivalitäten, Verschwendung, Verdoppelung von Projekten und Korruption ins Spiel kommen hat die riesige Kreditexpansion der jüngsten Monate die vier „un“ ungeheuer verschärft, die Wen Jiabao 2007 anführte („unausgeglichen, unstabil, unkoordiniert und unnachhaltig“).

Das krasseste Ungleichgewicht, das auch noch wächst, ist das zwischen Investitionen (45 Prozent des BIP) und Konsum (nur 35 Prozent des BIP). Investitionen, die von der lockeren Kreditpolitik des Regimes erzeugt worden sind, machten in der ersten Hälfte dieses Jahres fast 90 Prozent des BIP-Wachstums aus, was ebenfalls beispiellos ist. Das Ausmaß, in dem diese Investitionen, einschließlich Infrastruktur und neue Industrieprojekte, verschwendet wird, wird oft von Wirtschaftskommentatoren unterschätzt, die von dem Ausmaß der betreffenden Summe hypnotisiert sind. Wie der Sekretär der Kommunistischen Partei von Guangdong, Wang Yang, kürzlich in einer Rede notierte: „Zum Beispiel ist der Bau einer Brücke BIP; sie zu zerstören, ist mehr BIP; sie dann wieder aufzubauen, ist auch BIP. Eine Brücke trug dreimal zum BIP bei, wobei riesige gesellschaftliche Ressourcen vergeudet wurden, aber nur einmal wirklicher gesellschaftlicher Reichtum geschaffen wurde.“

Im Stahlsektor gibt es eine Schwemme neuer Projekte, die illegal gebaut werden, nachdem die Regierung versucht, gegen unkontrollierbare – und letztlich verschwenderische – Expansion gegenzusteuern. „Manche Regionen haben illegal gehandelt. Wir sehen erneut Fälle von illegitimer Zustimmung, von Baubeginn, bevor es bestätigt wurde, und von Baubeginn, während der Bestätigungsprozess noch läuft“, beklagte sich die Website der Regierung am 30. September.

Eine kurze Krise?

Das chinesische Regime handelt in dem Glauben, dass die globale Krise vorübergehend ist und sie sich wieder mit ihrer riesigen und wachsenden Industriekapazität mit dem globalen Markt wieder verbunden wird, wenn die Wirtschaft wieder normal läuft. Wir MarxistInnen bestreiten dieses Szenario und würden argumentieren, dass die kapitalistische Welt in eine völlig neue Periode getreten ist; die Krise ist nicht vorübergehend, und eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität auf der Grundlage der Bedingungen der ersten Jahre nach 2000 ist ausgeschlossen.

Stahlproduktion – das Skelett einer industrialisierten Gesellschaft – ist ein Beispiel der schwerwiegenden Ungleichgewichte, die schon in China sichtbar sind. Die Branche hat eine atemberaubende Ausdehnung erlebt: China hat jetzt 7.000 Stahlwerke, doppelt so viele wie 2002. Ende dieses Jahres werden die chinesischen Werke einschließlich der 58 Millionen Tonnen unter Verletzung des Regierungsverbots gebauter „illegaler“ Extrakapazität die Kapazität haben, jährlich 700 Millionen Tonnen Stahl zu produzieren. Aber nach dem Ministerium für Industrie und Informationstechnologie wird die Gesamtnachfrage für den Inlandsverbrauch und den Export gerade 462 Millionen Tonnen dieses Jahr betragen, selbst mit der massiven Injektion durch das Konjunkturprogramm. Entsprechend wird die Kapazitätsauslastung auf 74 Prozent dieses Jahr von 83 Prozent nächstes Jahr fallen. Der Eisen- und Stahlverband von China warnte vor bevorstehenden harten Zeiten, wenn das gegenwärtige lockere Kreditregime zu einem Ende kommt. „Überkapazität ist das vorherrschende Thema für Chinas Stahlindustrie“, sagt der Chefökonom des Verbands, Li Shijun. „Hohe Niveaus der Stahlproduktion können nicht aufrechterhalten werden, wenn sich Anlageninvestitionen wegen geringerer Bankkredite verlangsamen.“

Es ist genau diese Furcht, dass die Regierung gezwungen sein wird, die Kreditbedingungen zu verschärfen, die scharfe Schwankungen an der Shanghaier Börse in den letzten Wochen ausgelöst hat. Wie Professor Xu Xiaonian von der China Europe International Business School in Shanghai warnte: „China wird Dampf verlieren und sich verlangsamen. Acht Prozent scheinen leicht zu erreichen, aber sie werden bald ein Luxus werden. Überkapazität ist schon ein Problem … und jeder wird die Krise fühlen. Die Erholung ist nicht nachhaltig; die Regierung dehnt den Kredit wie verrückt aus.“

Nach einer Untersuchung von RBS sind fast die Hälfte der neuen Kredite (über 4 Billionen RMB!) in rein spekulative Kanäle gegangen – den Aktien- und Immobilienmarkt. Wenn diese neue Finanzblase platzt, was unvermeidlich ist (die Kurse an der Shanghaier Börse sind 2009 um unwahrscheinliche 90 Prozent gestiegen), wird ein Anstieg an faulen Krediten das wahrscheinliche Ergebnis sein. Ähnlich ist der jüngste Anstieg der Immobilienpreise weitgehend durch die lockere Geldpolitik angetrieben und die Preise können ihren Fall wieder aufnehmen, sobald das gegenwärtige lockere Kreditregime endet.

Chinas „Erholung“ ist daher zerbrechlich (wie auch Wen Jiabao anerkennt) und voller Potential für ein Umschlagen, das nicht so verschieden von der allgemeinen Weltlage ist. Die Idee, die von kapitalistischen OptimistInnen vertreten wird, dass China die globale Wirtschaft aus der Krise ziehen wird, ist Fantasie. Chinas „pygmäenhafter“ Konsumsektor hat einen Wert von etwa 1,5 Billionen US-Dollar, im Vergleich zu zusammen 22 Billionen Dollar in den USA und der Europäischen Union. Daher würde es eine Steigerung der Konsumausgaben in China um 15 Prozent erfordern, um einen Rückgang um 1 Prozent in den reichen Ländern auszugleichen. Aber die Konjunkturpolitik des Regimes hatte eine minimale Wirkung auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Vergrößerung der Endnachfrage, dass heißt der Konsumption. Es ist ein relativ dünnes Segment von vielleicht 10 Prozent der Bevölkerung – wohlhabendere StadtbewohnerInnen – die den Löwenanteil des Konsums in China ausmachen. ArbeiterInnen habe Lohnkürzungen wie ihresgleichen in anderen Ländern erlitten und fühlen sich nicht wirtschaftlich „stimuliert“.

Diese wenigen Fakten unterstreichen, wie Prozesse in der chinesischen Wirtschaft mit den Weltprozessen verwoben sind. China ist nicht immun oder „abgekoppelt“ von der globalen kapitalistischen Krise und die Versuche des Regimes, zu überbrücken, was sie irrtümlich als einen Fleck von extremen aber vorübergehenden wirtschaftlichen Turbulenzen sehen, sind zum Scheitern verurteilt und erzeugen neue wirtschaftliche Schocks. Ein solcher Schock könnte der Beginn einer chinesischen Bankenkrise sein, die gerade von der gegenwärtig praktizierten „gemäßigt lockeren“ Politik herbeigeführt wird. Ein anderer könnte eine Eskalation der Handelsspannungen sein, die dazu führen, dass das chinesische Regime beginnt, seine riesigen Dollarreserven abzubauen, wodurch eine globale Flucht aus dem Dollar drohen würde. Diese Schocks werden wiederum Auswirkungen auf die globale Ebene haben und Hoffnungen in China als Retter für den Weltkapitalismus erschüttern. Die Notwendigkeit einer sozialistischen Alternative weltweit, einer demokratisch geplanten ökologisch sicheren Wirtschaft war nie wichtiger und dringender.