Bankenkrise 2.0?

Finanzsektor drohen neue Erschütterungen


 

„Die Talsohle ist durchschritten“, „Licht am Ende des Dunkels“, „Erholung in Sicht“… Wenn es nach den Politikern geht, ist die globale Wirtschaftskrise bald vorbei. In der Tat wird an den Aktienmärkten wieder viel Geld verdient, große Banken weisen Gewinne aus.

von Rafael Reimann, Hamburg

Kapitalistische Krisen sind Krisen aus Überfluss. Auch die gegenwärtige Rezession ist eine Folge von Überkapazitäten und Überakkumulation von Kapital. Dieses wahnwitzige System setzt vor einem neuen Aufschwung eine weitreichende Entwertung von Kapital und Vernichtung von Produktionskapazitäten voraus. Aktienverluste, Firmenpleiten, Werksschließungen fanden zwar in den letzten zwei Jahren statt – aber längst nicht in dem Ausmaß, wie es aus kapitalistischer Sicht nötig wäre. Darum ist eine umfassende ökonomische Erholung nicht zu erwarten.

Konsumeinbruch

In der Bundesrepublik hat sich die Große Koalition mit Abwrackprämie und Ausweitung der Kurzarbeit „Zeit erkauft“ (FAZ.NET vom 23. August). Letztere wird kurz nach der Bundestagswahl in den meisten Betrieben auslaufen. Vielen Firmen wird es trotz staatlicher Subvention schon jetzt zu teuer, diese Beschäftigten nicht zu entlassen. Das wird den Einzelhandel weiter schwächen.

In den USA gibt es zwar keine vergleichbare Kurzarbeitergeld-Regelung, aber auch dort wird der Konsum – wie in vielen anderen Ländern – weiter einbrechen. So endet im Herbst in den Vereinigten Staaten für zwei Millionen Menschen die Arbeitslosenunterstützung, die von 26 auf 46 Wochen verlängert wurde. Das wird weitere Zwangsversteigerungen von Häusern und eine Kreditkartenkrise zur Folge haben. Auch Banken werden stark belastet. Die Kreditausfälle, die mit den nächsten Entlassungswellen drohen, sind da noch gar nicht berücksichtigt.

Kreditausfälle und Schulden

Generell deutet Vieles auf eine neue Bankenkrise hin. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) drohen in den USA neue Kreditausfälle in Höhe von 410 Milliarden Dollar, diesmal bei Gewerbeimmobilien. Genau wie bei den Privathäusern wurden diese Kredite verbrieft und an Anleger weltweit weiterverkauft – an Banken, an Versicherungen, an Fonds und so weiter.

Dazu kommen die bereits laufenden und weitere Insolvenzen. Laut einem Report der Wirtschafts-Nachrichtenagentur Bloomberg sind 150 US-amerikanische Banken akut von der Pleite bedroht, andere Schätzungen gehen von 300 Banken aus, die um ihr Überleben fürchten müssen. Laut Financial Times Deutschland werden deutsche Banken besonders betroffen sein, da viele faktisch „pleite“ sind. Der IWF schätzt, dass die Banken international zum Beginn der Rezession auf nicht eintreibbare Schulden von etwa vier Billionen US-Dollar saßen (deutsche Banken sollen dabei mit 500 Milliarden Dollar faulen Krediten zu tun haben), von denen erst bis zu 1,5 Billionen abgeschrieben wurden.

Dabei sind die Verluste und Ausfälle, die sich aus dem bisherigen Krisenverlauf ergeben haben, noch gar nicht alle bekannt oder gar bewältigt. Weder die Folgen der Lehman-Brothers-Pleite im letzten Jahr noch die Finanzprobleme bei Hypo Real Estate oder HSH Nordbank sind beispielsweise abgearbeitet. Viele Banken und Versicherungen haben immer noch wertlose Lehman-Papiere, deren Abschreibung sie mit Tricks und staatlicher Hilfe hinauszögern, um nicht den Bankrott erklären zu müssen.

Weiteres Krisenpotenzial

Die FAZ titelte am 21. August: „Erholung des Bankensystems gerät ins Stocken.“ Verwiesen wird darauf, dass „es den Banken immer noch an Eigenkapital fehlt“. Und weiter: „Nun drohen ihnen neue Verluste aus der beginnenden Insolvenzwelle.“

Ein weiterer Auslöser für eine neue Finanzmarktpanik könnte die katastrophale Lage in Osteuropa sein. Gerade deutsche und andere westeuropäische Banken, die in den vergangenen Jahren viel Geld dorthin verliehen haben, könnten so ins Trudeln geraten. N

Wie die Wirtschaft die Politik bestimmt

Im September fanden zwei Treffen von Bankern, Aufsichtsbehörden und Regierungsvertretern statt. Davon gibt es 17 Protokollseiten. Diese wurden inzwischen von der Bankenaufsicht Bafin veröffentlicht. Danach erklärte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann auf den Treffen, dass das gesamte deutsche Bankensystem – nach der Lehman-Brothers-Pleite und angesichts der Krise von Hypo Real Estate (HRE) – nur noch um Haaresbreite von einem völligen Zusammenbruch entfernt sei. Es waren Ackermann und Co., die von der Bundesregierung weitere Milliardengelder für die HRE sowie die sofortige Verstaatlichung dieser Bank verlangten. Als die Regierungsvertreter bei der zweiten Zusammenkunft noch zauderten, stürmte Ackermann aus dem Raum und kam erst zurück, als die Regierung den Forderungen der Banker weitgehend nachkam.