Entscheidung zu Opel-Übernahme

Keine Entwarnung


 

Nach monatelangem Hin und Her hat sich der Verwaltungsrat von General Motors (GM) nun endlich entschieden: Das Konsortium des kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna und der russischen Sberbank soll bei Opel einsteigen.

von Herbert Wulff

Über die Einzelheiten des Deals wird allerdings weiter verhandelt. Falls es dabei bleibt – in den letzten Wochen war GM ja für so manche abrupte Kehrtwende gut – kann Bundeskanzlerin Angela Merkel womöglich doch noch zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) am kommenden Donnerstag in Frankfurt/Main wahlkampfgerecht die „Rettung“ des angeschlagenen Autobauers verkünden. Aber eine Entwarnung für die rund 26 000 Opelaner ist das nicht. Noch weniger können sich ihre Kollegen in den spanischen, belgischen, britischen und polnischen GM-Fabriken in Sicherheit wiegen. Denn die Zukunft der Standorte und Arbeitsplätze bleibt bedroht.

Die von hiesigen Politikern, Betriebsräten und Gewerkschaftern befürwortete Übernahme durch Magna ist eine „deutsche Lösung“. Ein Großteil der im Magna-Konzept vorgesehenen Vernichtung von zunächst rund 10 000 Arbeitsplätzen soll im europäischen Ausland stattfinden. Die Werke in Antwerpen (Belgien) und Luton (Großbritannien) stehen vor dem Aus, in Zaragossa sollen überdurchschnittlich viele Stellen gestrichen werden. Dafür werden die deutschen Steuerzahler mit 4,5 Milliarden Euro den Löwenanteil der finanziellen Absicherung tragen. Und die Spitzen von IG Metall und Gesamtbetriebsrat haben bereits die Bereitschaft „der Belegschaft“ verkündet, drastische Lohneinbußen hinzunehmen – allerdings ohne die Betroffenen nach ihrer Meinung zu fragen.

Aber auch die Zukunft der deutschen Werke ist trotz der Magna-Zusage, hier keine Standorte zu schließen, nicht garantiert. Besonders Bochum wird nach den Magna-Plänen vom Abbau betroffen sein: Hier sollen nach früheren Darstellungen mehr als 2000 Jobs wegfallen. Derartige Einschnitte würden die Perspektive des Standorts mit seiner traditionell widerständigen Belegschaft in Frage stellen. Auch das Eisenacher Werk ist nicht sicher. Lediglich das Stammwerk Rüsselsheim hat mit der Produktion des neuen Astra eine scheinbar sichere Perspektive – auf Kosten von Bochum und Antwerpen, denen diese Investition zuvor zugesagt war.

Mit seiner vehementen Unterstützung für den „Retter Magna“ hat der Opel-Gesamtbetriebsrat die Beschäftigten bei den anstehenden Auseinandersetzungen um Stellenabbau und Lohnkürzungen in eine schwierige Lage gebracht. Die in Gewerkschaftskreisen viel gepriesene Solidarität zwischen den europäischen Belegschaften hat – zumindest auf der Ebene betrieblichen Interessenvertreter – ernsthaften Schaden genommen. Dabei wird es in den kommenden Konflikten von entscheidender Bedeutung sein, dass sich die Beschäftigten nicht entlang von Standort- oder Ländergrenzen gegeneinander ausspielen lassen.

Der Artikel erschien zuerst in der jungen Welt vom 11.9.09