Krise und Grüner New Deal

Debatte zum Vorschlag grüner PolitikerInnen


 

Dokumentiert: Für einen Grünen New Deal

Globale Finanzkrise, drohender Klimakollaps, Energie- und Rohstoffverknappung und die Zunahme des Hungers verlangen nach einem Grünen New Deal!

Auf die Finanzkrise der dreißiger Jahre reagierte der US-Präsident Roosevelt mit einem mutigen „New Deal“ sozialer und wirtschaftlicher Reformen.

Jetzt ist wieder die Zeit, weitreichende Veränderungen durchzusetzen. Wir brauchen ein internationales Programm für massive Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz wie auch in die Bildung. Das schafft Millionen neuer Jobs, bekämpft den Klimawandel und mildert die Wirtschaftskrise ab.

Die Finanzmärkte müssen konsequent reguliert werden. Wir fordern die Besteuerung von Finanztransaktionen, die Schließung der Steueroasen, die Stabilsierung der Wechselkurse und die progressive Besteuerung von Kapitaleinkommen.

Damit auch die Entwicklungs- und Schwellenländer mitziehen, brauchen wir endlich faire Regeln im Welthandel und in den internationalen Institutionen. Die Ausgaben für Armutsbekämpfung, Bildung und Gesundheit in den Entwicklungsländern müssen erhöht werden. Die Industrieländer müssen für die in den Entwicklungsländern angerichteten Klimaschäden aufkommen.

Klimaschutz und Armutsbekämpfung müssen verstärkt und dürfen nicht kurzsichtig und kleingeistig gegen die Bekämpfung der Finanzkrise ausgespielt werden.

Streiten wir gemeinsam für einen Grünen New Deal.

Aufruf von Sven Giegold, Reinhard Bütikofer und Gerhard Schick – Kandidaten und Abgeordnete von Bündnis90/Die Grünen

Grüner neuer Kapitalismus? Nein danke!

von Eckhard Geitz, Krankenpfleger, Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di, SAV-Bundesvorstand

Nimmt man nur die schon jetzt sichtbaren Folgen der Umweltzerstörung, dann erkennt man das Ausmaß der Katastrophe, egal wohin man den Blick wendet: überfischte und verschmutzte Meere, Ausweitung der Wüsten durch Klimaerwärmung, Überschwemmungen und Vernichtung von Lebensraum an den Küsten durch das Schmelzen der Polkappen und der Gletscher, Abholzung des tropischen Regenwaldes, Sauerer Regen, Zerstörung von Acker- und Weideland. Bedenkt man, dass dies erst der Anfang ist und die Umweltzerstörung rasant voranschreitet, wird klar, dass keine Zeit für halbherzige Lösungen bleibt. Wenn überhaupt, dann ist aber die Idee des Green New Deal halbherzig oder nur halb zu Ende gedacht.

Was hat die herrschenden Klassen in den letzten Dekaden davon abgehalten, das Klima zu retten und die globale Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit statt nach den Profitinteressen auszurichten? Wieso soll in der größten Krise seit achtzig Jahren plötzlich möglich sein, was in den Jahren weltwirtschaftlichen Aufschwungs nicht möglich war?

Privateigentum als Hindernis

Ein Green New Deal wird die Klimakatastrophe nicht aufhalten.

Grundlage des Kapitalismus ist das private Eigentum an den Produktionsmitteln. Die Eigentümer der Banken und Konzerne stehen deshalb in Konkurrenz zueinander. Treibende Kraft der Wirtschaft ist auf dieser Basis der Profit. Investiert wird nur, wenn es gewinnbringend erscheint. Der Unternehmer, der Geld „verschwendet“, weil er zum Beispiel im Gegensatz zu seinen Kontrahenten zuviel in Soziales oder Umweltschutz steckt, fliegt aus dem Rennen.

Wie soll dieses Profitsystem – das Motor der Umweltzerstörung, der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, der Kriege um Öl und Macht ist – nun plötzlich zum Motor werden, der die Welt aus der Wirtschafts- und Klimakrise herausbringt?

Wer dealt was mit wem?

Wie sollen kapitalistische Staaten, die die Interessen ihrer Unternehmer zu vertreten und zu verteidigen haben, und die miteinander in direkten oder in Stellvertreterkriegen beziehungsweise Konflikten verwickelt sind, sich international auf Klimaschutzziele einigen?

Offenbar denken die Repräsentanten des grünen Kapitalismus, dass die Regierungen der Staaten dieser Welt, insbesondere die der imperialistischen Staaten, diejenigen sein könnten, die das Blatt wenden. Von der Umweltzerstörung zum Klimaschutz… Den Bock zum Gärtner machen, ist eine weit untertriebene Metapher für diese Illusion.

Denn schließlich waren es die Regierungen der reichsten Staaten der Welt, die 1995 die Welthandelsorganisation (WTO) schufen; ein kollektives Instrument der Herrschenden, um die internationale Deregulierung und die neoliberale Politik voranzutreiben. Kein Lohn konnte niedrig genug sein, auch die kleinsten Umweltstandards wurden als unerträglicher Kostenfaktor gegeißelt, Mitbestimmungsrechte wurden als Standortproblem gebrandmarkt und Gesundheit, Bildung und Verkehr mussten raus aus öffentlicher Hand und möglichst der maximalen Rendite dienen.

Weder die Grünen noch Barack Obamas Demokraten, weder die SPD noch New Labour oder irgendeine andere bürgerliche Partei der Welt machten da eine Ausnahme.

Und was die Zerstörung der Sozialsysteme anbelangt, wird dieser Kurs nach wie vor beibehalten. Und es ist sicher, dass die zu erwartenden Angriffe auf soziale Errungenschaften ohne Beispiel sein werden. In Irland hat die Regierung zum Beispiel vor, das 13. Monatsgehalt der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes zu streichen. In Deutschland wird spätestens nach der Bundestagswahl ebenfalls nochmal mächtig der Rotstift gespitzt werden. Den Bürgerlichen bleibt aus ihrer Logik heraus angesichts von Rekordverschuldung und gewaltigen Steuerausfällen gar keine andere Wahl. So wie die genannten Parteien und Regierungen jahrelang die Politik des Neoliberalismus betrieben haben, und nun unter dem Druck des Kapitals Banken mit Milliarden spritzen, werden sie wie immer die Rechnung den Lohnabhängigen ausstellen.

Verschärfter Konkurrenzkampf

Die Grundwasservorräte schrumpfen international und fast zwei Millionen Kinder sterben jedes Jahr an den Folgen von Durchfallerkrankungen, weil sie keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser haben.

Angenommen, die Regierungen des Kapitals, die schon vor dem Hintergrund des globalen Aufschwungs so desaströs versagten, wollten nun gemeinsam zur Tat schreiten. Wäre das ein realistisches Szenario? Wohl kaum. „Buy American!“ oder Gordon Browns „British Jobs for British Workers!“ sowie das Hauen und Stechen in der Automobilindustrie sind Zeichen von zunehmendem Protektionismus. Woher sollte unter den Bedingungen des Profitsystems also heute eine international gleichzeitig angestrebte Trendwende hin zur klimaverträglichen Produktion kommen?

Eine grüne Lokomotive?

Wenn Umweltschutz profitabel wäre, würden die Kapitalisten ihn von sich aus betreiben und hätten damit nicht auf die Krise gewartet. Wenn Regierungen Umweltschutz durch Finanzhilfen an Unternehmen profitabel machen wollten, würden sie entweder noch mehr Schulden machen oder das Geld dafür wieder der Masse der Bevölkerung wegnehmen.

Nur die Perspektive eines noch nicht erschlossenen, Profit bringenden Sektors könnte Teile der Kapitalisten antreiben, auf die grüne Karte zu setzen. Doch Klimaschutz wäre dann ein untergeordnetes Ziel und die innerkapitalistischen Widersprüche, die zu Überproduktion führen, wären nicht beseitigt.

Im Klartext heißt das, dass ein grüner Kapitalismus sowohl weiterhin Krisen aus Überfluss produziert und weitere Zerstörung vorbereitet. Ein grün angestrichener Kapitalismus wird weder den Trend beenden, dass immer weniger Menschen weltweit Zugang zu medizinischer Versorgung haben (World-Health-Report 2008), noch wird er eine Energieversorgung fördern, die weg von den Monopolen hin zur dezentralen Versorgung in Stadtteilen und Gemeinden geht.

„Eine Wiedergeburt der Nuklearenergie könnte auch die Folge eines „Green New Deal“ sein“, so die Financial Times vom 13. März.

Gegenwehr

Franklin D. Roosevelts New Deal ist nicht am „grünen Tisch“ entstanden. Die wieder erstarkte Gewerkschaftsbewegung sowie große Proteste von Arbeitslosen in den USA der dreißiger Jahre hat der Regierung in heftigen Kämpfen Zugeständnisse abgerungen.

Und auch heute wird es keinen anderen Weg geben, als den Weg des Widerstands gegen die kapitalistische Krisenpolitik, um die Katastrophe für Mensch und Natur abzuwenden. In solchen Kämpfen ist es durchaus möglich, öffentliche Investitionen im Umweltschutz und andere konkrete Maßnahmen, die die Befürworter eines Green New Deal vorschlagen, zu erreichen. Aber die Krise des Kapitalismus können wir so ebenso wenig überwinden, wie das Roosevelts New Deal konnte. Wenn wir die Kapitalisten für Verbesserungen im Interesse von Mensch und Natur zur Kasse bitten, werden die sich mit allen Mitteln wehren. Um solche Verbesserungen nicht nur kurzfristig zu erkämpfen, sondern dauerhaft abzusichern, müssen wir den Widerstand der Herrschenden brechen und sie entmachten.

Es geht um nichts weniger als die Abschaffung des Kapitalismus. Denn er ist die Ursache. Eine Wirtschaft, die gleichzeitig die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung erfüllt und die Ressourcen schont, kann nur demokratisch geplant, international und solidarisch organisiert sein. Deswegen müssen in dieser Krise die Besitzverhältnisse zu Gunsten der Lohnabhängigen geändert werden.

Hintergrund: Was war der New Deal?

1932, auf dem Höhepunkt der 1929 begonnenen Weltwirtschaftskrise, versprach Franklin D. Roosevelt, der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, einen New Deal (= die Karten neu verteilen).

Zu Roosevelts Regierungsmaßnahmen nach seinem Wahlsieg gehörten die staatliche Überwachung der Börsen, die Verkürzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden, eine rechtliche Anerkennung von Gewerkschaften und Streiks, umfangreiche öffentliche Arbeiten und ein freiwilliger Arbeitsdienst, die Verringerung der landwirtschaftlichen Produktion und Mindestpreise für Agrarprodukte, eine staatliche Rente, eine Arbeitslosenversicherung und Mindestlöhne für Industriearbeiter, höhere Steuern für Reiche.

Allerdings wurden Verbesserungen für die Arbeiterklasse vor dem Hintergrund einer beeindruckenden Welle von Streiks und Fabrikbesetzungen erreicht. In dieser Bewegung entstand 1935 ein neuer gewerkschaftlicher Dachverband, der CIO (Congress of Industrial Organisations). Die Zahl der gewerkschaftlich Organisierten erhöhte sich zwischen 1933 und 1937 von 2,7 auf sieben Millionen Mitglieder. Erst die Streikwelle erreichte 1934 beispielsweise, dass ein neues Arbeitsgesetz beschlossen wurde – das Roosevelt ursprünglich abgelehnt hatte.

Schon 1937 führten staatliche Ausgabenkürzungen zur Eindämmung der Staatverschuldung und zu einer neuen schweren Wirtschaftskrise. Auf kapitalistischer Grundlage ließ sich die Krise nicht durch den New Deal, sondern erst durch die massive Aufrüstung und die ungeheure Vernichtung von Menschenleben und Sachwerten im Zweiten Weltkrieg überwinden.