Der gläserne Schüler!

Der SPD-LINKE-Senat in Berlin verfolgt nach wie vor das Ziel, eine zentrale Schülerdatei einzuführen. In einer Datensammlung sollen SchülerInnen mit bis zu 16 Merkmalen erfasst werden, von der Anschrift über die Muttersprache bis zum Förderbedarf. Am 12. Januar passierte der Entwurf den Innenausschuss. Noch im Januar soll das Gesetz in trockenen Tüchern sein. Statt mehr LehrerInnen und bessere Lernbedingungen gibt es mehr Überwachung.


 

von Jakob Treptow, Berlin

Eine Verbesserung der Schulen soll mit dem angeblichen Verwaltungsorgan „Schülerdatei“ geschaffen werden. Die Regierenden wollen so die Daten besser aufnehmen können um die Probleme an den Schulen schnell auf einen Blick zu haben und diese lösen zu können. Sieht auf den ersten Blick nicht schlecht aus. Aber sollten SPD und vor allem die LINKE nach all den Schülerstreiks und Lehrerprotesten die Probleme an den Schulen nicht schon längst kennen oder ist ihnen unbekannt, dass die Klassen zu groß sind und der Unterricht zu langweilig?

Wenn man also ein bisschen weiter denkt, kommt man schnell darauf, dass die angebliche Verbesserung der Schulen nicht der Sinn dieser Schülerdatei ist.

Die Schülerdatei speichert keineswegs Daten, um zu zeigen welcher Schüler in welchem Fach Nachholbedarf hat, so dass man ihn besser individuell fördern könnte oder welches Fach dem Schüler Spaß bereitet. Auch die "Entschärfung" des Gesetzentwurfs – eine Anonymisierung mancher Daten wie der Muttersprache – ist nur oberflächliche Kosmetik an einem 22 Millionen Euro teuren Überwachungsprojekt.

Nach wie vor soll anhand dieser Daten ein „Entwicklungsprofil“ entstehen, welches inklusive der Daten verschiedenen staatlichen Stellen zur Verfügung stehen soll. Diese individuellen Entwicklungsprofile werden dann statistisch gesammelt und für Planungszwecke genutzt.

Länderübergreifend sollen die Daten, welche als Identifikationsnummer auftreten und einen von Einschulung bis zum Eintritt in das Berufsleben begleiten, den jeweiligen Behörden zur Verfügung stehen. Das Problem dabei ist vor allem das man damit SchülerInnen sehr leicht wegen ihrer Herkunft abstempeln kann.

Jüngste Beispiele bei Kreditkartendaten oder Telefonnummern bei der Telekom zeigen, dass man nie vor Datenmissbrauch geschützt ist. Die vorgeschriebene Mitbestimmung bei eigenen Daten ist im Gesetzentwurf nicht gegeben. Viel mehr würde dann eine „informationelle Fremdbestimmung“ vorliegenden, welche eigentlich verfassungswidrig ist, wie es Datenschützer schon mehrfach kritisierten.

Schulschwänzer

„Diese Schülerdatei ist eines der wichtigsten Mittel, um effektiv gegen Schulschwänzer und junge Straftäter vorzugehen. Wir können nicht länger darauf warten“, sagte die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Zwar verfolge die Sammlung der Schülerdaten laut dem Berliner SPD-Bildungssenator Jürgen Zöllner„im Kern schulische Zwecke“. Jedoch wird das nicht wirklich deutlich wenn man nochmal einen genaueren Blick auf die Aussage der Justizsenatorin wirft.

Man möchte anscheinend die sogenannten „Problemkinder“ schneller aus dem Verkehr ziehen und so die Bildungssituation verbessern, durch Repression und informelle Fremdbestimmung. Und das mit dem Geld, das man gut in anderen Brennpunkten der Bildung bräuchte. Man denke nur an den Hilferuf der Schulen des Stadtbezirks Mitte.

Der Gesetzentwurf erscheint noch lächerlicher, wenn man bedenkt, dass seit Jahren Sozialarbeiterstellen gestrichen werden und das Geld für die Bildung anscheinend nicht da ist.

Man versucht nun die offensichtlich schlechte Bildungssituation zu verbessern, indem man repressiv gegen Schulschwänzer und Jugendstraftäter vorzugehen, statt die Ursachen ihrer Taten zu bekämpfen. Es gibt sehr viele andere Bedürfnisse die Schüler haben, welche von unserem jetzigen Bildungssystem nicht gedeckt werden.

Widerstand nötig!

Im Kapitalismus geht es um die Profite einiger Weniger und nicht um das Wohle aller. Es werden mal eben 500.000.000.000 Euro für die Rettung der Bankenbesitzer investiert und an allen Enden der Bildung gespart. Auch das Konjunktur-Paket wird da keine Abhilfe schaffen. Eine bessere Bildung ist notwendig und auch möglich. Es ist genügend Geld vorhanden, es ist nur falsch verteilt. Protest gegen die Schülerdatei ist dringend angesagt. Ein erster Schritt wäre die Abstimmung im Abgeordnetenhaus zu stören.

Obwohl die Partei DIE LINKE im Bund gegen Schäubles Überwachungspläne auftritt und mit dagegen demonstriert, verteidigt die Berliner LINKE den Regierungskurs und stimmt der Schülerdatei zu. Das kann nicht einfach hingenommen werden. Linksjugend [`solid] sollte sich wie schon der Studierendenverband SDS dagegen aussprechen und gemeinsam mit anderen SchülerInnen, LehrerInnen und Beschäftigten für eine Verbesserung der Bildungssituation und gegen die Schülerdatei kämpfen.

Sozialistische Alternative

SozialistInnen lehnen Überwachungsmethoden und Zentraldateien ab. Sie sollen im Interesse der Herrschenden nur zeigen, wo am besten gekürzt werden kann und wer die Schule schwänzt. In einer sozialistischen Gesellschaft wäre genug Geld für Bildung, Arbeit und Soziales vorhanden. Wenn es doch Probleme in der Schule gäbe, könnten SchülerInnen, LehrerInnen, SozialarbeiterInnen und Eltern gemeinsam nach einer Lösung suchen – ohne eine Zentraldatei.