Imperialismus: Die Welt in Ketten

In Schulen und Hochschulen, in Zeitungen, im Fernsehen und in den Reden von Politikern heißt es, dass es schon lange keinen „Imperialismus“ mehr gibt. Das sei etwas aus der Antike, aus dem Mittelalter; manchmal heißt es, das hätte vielleicht noch vor hundert Jahren eine Rolle gespielt.
 

Wie sieht es wirklich aus? Gibt es heute noch imperialistische Staaten? SozialistInnen sehen den Kampf gegen Imperialismus als aktueller und dringender denn je an.

von Marcus Hesse, Aachen

Seit der Kapitalismus das Feudalsystem abgelöst hat, geht es nicht mehr vorrangig um Sklaven, Ländereien, Gold und Gewürze. Es geht um die Profitbedürfnisse von Industriellen und Bankern, um Märkte für Fertigwaren, den Zugang zu Rohstoffen und um billige Arbeitskräfte.

Im 19. Jahrhundert wurden unzählige kleine Unternehmen aus dem Rennen geworfen. Monopole bildeten sich heraus. Trusts und Syndikate entstanden, um den Wettbewerb zu beseitigen. Die herrschenden Klassen stellten sicher, dass Staatsapparat und Regierung in ihrem Interesse auf dem ganzen Erdball nach Bodenschätzen und billigen Agrarprodukten jagten und neue Absatzmärkte suchten. Bis heute sind die „unterentwickelten Länder“ wirtschaftlich abhängig von den Industriestaaten.

Monopolkapitalismus

Der russische Revolutionär Lenin bezeichnete den Imperialismus, der sich vor hundert Jahren durchgesetzt hatte, als „höchstes Stadium des Kapitalismus“. In seinem gleichnamigen Buch von 1916 schrieb er: „Der Imperialismus ist seinem innersten Wesen nach Monopolkapitalismus.“

Der Imperialismus hat folgende Merkmale:

1. Die Produktion konzentriert sich in immer größeren Betrieben und führt zur Entstehung von Monopolen, die an die Stelle der freien Konkurrenz treten.

2. Die Banken verwandeln sich von bloßen Vermittlern von Krediten zu Leitern der Produktion. Es kommt zur Verschmelzung von Banken- und Industriekapital zum Finanzkapital.

3. Banken und Monopole beherrschen den Staat, die nationalen Grenzen werden für den Expansionsdrang des Kapitals immer enger. Nicht nur Waren, sondern auch Kapital wird exportiert. Es beginnt ein Wettlauf um Einflusssphären, Ressourcen und Märkte – die unvermeidliche Folge sind Kriege.

Bis 1900 hatten Großbritannien, Frankreich und Deutschland 80 Prozent der kolonialen Welt erobert. Die Welt war weitgehend aufgeteilt. Rivalisierende imperialistische Staaten taten sich zusammen, um die Welt neu aufzuteilen. Die Folge waren zwei Weltkriege.

Heute hat die Kapitalkonzentration nie geahnte Ausmaße erreicht. Von den 100 größten Wirtschaftseinheiten der Welt sind 51 Banken und Konzerne sowie 49 Nationalstaaten. Konzerne wie Wal-Mart beschäftigen eine Armee von 1,8 Millionen ArbeiterInnen.

Die zehn größten Konzerne verfügten im Jahr 2003 über ein Gesamtvermögen von 2,6 Billionen Dollar. Von den 100 größten Konzernen stammen 59 aus Europa, 24 aus den USA und neun aus Japan.

1989 war auf der Liste der 50 größten Unternehmen übrigens keine einzige Bank zu finden, 2005 kamen dagegen 17 der 50 größten Unternehmen aus dem Finanzbereich.

Neues Wettrüsten

Auf das Ende des Zweiten Weltkrieges folgte eine Serie von kolonialen Revolutionen. Immer wieder musste die Unabhängigkeit zugestanden werden. An die Stelle der direkten Beherrschung von Kolonien trat dann aber eine indirekte. Mit IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation (WTO) haben die imperialistischen Mächte sich wichtige Instrumente geschaffen. Die Kreditpolitik und die „Strukturanpassungsprogramme“ sind Maßnahmen im Interesse der kapitalistischen Banken und Konzerne.

Mitte der siebziger Jahre ging die lange Aufschwungsperiode, die durch den Verlauf des Zweiten Weltkrieges bedingt war, weltweit zu Ende. Trotz konjunktureller Aufschwünge erleben wir heute Massenarbeitslosigkeit, Schuldenberge, Wirtschafts- und Finanzkrisen. Vor diesem Hintergrund verschärfte sich die Plünderung und Unterjochung von Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika sogar noch. Damit einher gehend gewinnen die innerimperialistischen Konflikte – vor allem seit dem Zusammenbruch von Ostblock und Sowjetunion – gewaltig an Schärfe. Das explosionsartige Ansteigen der Militärausgaben ist ein schlagender Beweis dafür. So erreichten die Militärausgaben letztes Jahr 1.000 Milliarden Dollar – 155 Dollar pro Kopf. Allein in den letzten fünf Jahren sind die Rüstungsausgaben und Kosten für Militäreinsätze um 18 Prozent angestiegen. Davon stellen die USA die Hälfte und europäische Staaten ein Viertel.

Auch in Deutschland wird kein Hehl mehr daraus gemacht, dass man den „ungehinderten Zugang zu Rohstoffen“ und die „Sicherung des freien Welthandels“ militärisch erzwingen will (so das aktuelle „Weißbuch“ der Bundeswehr).