Polen: Grubenunglück in Ruda Slaska

Einer Explosion in der Halemba-Mine in Polen fallen 23 Bergleute zum Opfer.
 

Paul Newberry, Grupa na rzecz Partii Robotniczej (GPR; Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Polen), Warschau, 24. November 2006, übersetzt von Gerd Schuster

Die Tragödie geschah am vergangenen Dienstag, als eine Methan-Explosion einen Grubenschacht zerriss und 23 Bergleute tötete, die sich in diesem Schacht befanden. 23 Bergleute waren in diesen Schacht, der für seine gefährlich hohen Methan-Konzentrationen bekannt ist, geschickt worden, um Gerät im Wert von 17,9 Mio. Euro von dort abzutransportieren.

Im vergangenen Jahr hat die GPR in Kampagnen zu Arbeitnehmer-Rechten eng mit den Bergleuten der Halemba-Mine zusammen gearbeitet. Die Kumpel haben die Klischees widerlegt, nach denen der polnische Arbeiter stereotypisch tief religiös und konservativ ist. In jüngster Vergangenheit sind Bergleute der Halemba-Mine nach Warschau gekommen, um dort eine Demonstration für das Recht auf Abtreibung zu unterstützen. Das war die Antwort auf den Versuch der "Liga der polnischen Familie", Abtreibungen generell — also auch im Falle von Vergewaltigung, Inzest und bei Lebensgefahr für die Schwangere — durchzusetzen. Vor dieser Demo waren schon einmal Mitglieder derselben Gewerkschaft nach Warschau gekommen, um Feministinnen, Schwule und Lesben bei ihrerm Marsch am 8. März zu unterstützen. Fast jeden Monat fahren ganze Busladungen mit Bergleuten durchs Land und unterstützen Streikaktionen oder Demonstrationen. Sie zeigen ihre Solidarität mit anderen Gruppen protestierender ArbeiterInnen und opfern dafür häufig ihre Freizeit.

Die Medien beklagen nun den tragischen Verlust von Menschenleben, nachdem sie jahrelang dazu beigetragen haben, der polnischen Gesellschaft weis zu machen, dass die Beschäftigten im Bergbau eine Last für die Gesellschaft darstellen würden und es nicht einzusehen ist, weshalb die Kumpel früher in Rente gehen dürfen als andere ArbeitnehmerInnen. Einen anderen widerlichen Anblick bieten die Regierungsmitglieder mit ihren Krokodilstränen nach dem Unglück; besonders der Premierminister, Jaroslaw Kaczynski, der sich sofort nach Bekanntwerden des Unglücks zur Mine begab. Es wurde viel davon geredet, dass die Mine "unter einem schlechten Stern" stehe und davon, dass es man "Pech gehabt" habe. Damit soll die Rolle von Geschäftsführung und Privatwirtschaft übertüncht werden, die diese bei dem Unglück spielten. Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen sind zurückgefahren worden, um Profite über Menschenleben zu setzen.

Die Tragödie ist vermeidbar gewesen. Boguslaw Zietek, Vorsitzender der größten Gewerkschaft in der Halemba-Mine, Sierpien 80, sagte uns: "Sie wurden in den Tod geschickt, um unter lebensgefährlichen Bedingungen Gerätschaften aus dem stillgelegten Schacht zu bergen, von dem bekannt war, dass sich dort Methan in der Luft befand. Vor einem Jahr gab es schon einmal einen Unfall und der Schacht wurde daraufhin geschlossen. Er wurde dann nach einigen Wochen wieder geöffnet, um die Gerätschaften zu bergen. Von Anfang an war klar, dass dort weiterhin hohe Methankonzentrationen vorhanden waren. Die ganze Mine wusste Bescheid über diesen Fakt, aber nichts wurde dagegen unternommen. Es geht in der Mine zu wie beim Militär: Es gibt eine Order und du musst sie erfüllen — keine Diskussion." Zietek fügte hinzu: "Es gibt Hunderte von Möglichkeiten, die Sensoren, die dort unten angebracht sind, zu manipulieren."

Der ganzen Sache kommt ein weiterer fader Beigeschmack bei, wenn mensch weiß, dass die Mehrheit der Toten nicht Beschäftigte der Mine selbst, sondern Mitarbeiter einer Privatfirma waren, die von einem ehemaligen Mitglied der Geschäftsführung einer benachbarten Mine gegründet wurde. "Diese Kollegen arbeiten für´n Apfel und´n Ei und sie machen mit ihnen, was sie wollen. Ganz anders als die Beschäftigten der Mine selbst." erklärt Zietek.

Gestern wurde im Fernsehen ein Bergmann mit dem Rücken zur Kamera gezeigt, der aus Angst vor Repressalien seine Identität nicht preisgeben wollte. Er versicherte, dass bewusst fehlerhafte Sensoren zur Feststellung der Methankonzentration angebracht wurden, um die Gewinne nicht einbrechen zu lassen.

Krzysztof Labadz, Mitglied von Sierpien 80 aus einer anderen Kohlenzeche in der Region, zählte die wahren Gründe für diese Tragödie auf, als er die Geschäftsführung anklagte, Gewinne über Menschenleben zu setzen.

Die Halemba-Mine hält den traurigen Rekord schwerer Unfälle. 1990 tötete eine Explosion 19 Bergleute. Ein Jahr später wurden 5 Kumpel bei einem Absturz getötet. Seit 2003 starben über 80 Bergleute in polnischen Zechen. Die Gewerkschaften beklagen die viel zu geringen Investitionen und die gewissenlose Gier nach Profiten.

Sierpien 80 fordert die Entlassung der Halemba-Geschäftsführung, damit Bergleute und Zeugen des Unglücks frei und ohne Angst vor Strafe die Tragödie aufarbeiten und aussagen dazu machen können. Die Bergleute verlangen nach der Wahrheit über Halemba — keine weitere Vertuschung von Tatsachen!