Betriebe im Fokus

Nach dem 21. Oktober war nicht mehr viel los an der Protestfront. Das wollen IG Metall und ver.di jetzt zumindest ein wenig ändern. Aktionen gegen Rente mit 67 geplant.
 

von Daniel Behruzi, erschienen am 24. Oktober in der jungen Welt

Das war erst der Start«, verkündete IG-Metall-Chef Jürgen Peters, nachdem am 21. Oktober rund 200 000 Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt waren, gegen die unsoziale Regierungspolitik zu demonstrieren. Bislang ist dieser Ankündigung recht wenig gefolgt. Erst jetzt nehmen die Protestpläne konkretere Formen an. Der Widerstand gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre soll dabei im Vordergrund stehen.

Politiker und bürgerliche Medien hatten sich von den Oktoberdemonstrationen in Stuttgart, München, Frankfurt/Main, Dortmund und Berlin nur mäßig beeindruckt gezeigt. Die Gewerkschaften selbst, von denen man »nur Gemaule und Blockade« höre, seien »das eigentliche Standorthindernis für Deutschland«, hatte CSU-Generalsekretär Markus Söder getönt. »Solche Äußerungen haben lediglich den Zweck, uns Machtlosigkeit zu suggerieren – aber so ohnmächtig sind wir nun auch wieder nicht«, erklärte Axel Gerntke von der Grundsatzabteilung der IG Metall am Donnerstag gegenüber junge Welt. Die Beteiligung am 21. Oktober sei aus Sicht der IG Metall »gar nicht schlecht« ausgefallen, obwohl das Teilnehmerspektrum weitgehend auf »das gewerkschaftliche Kernklientel« beschränkt geblieben sei. Eine Schlußfolgerung der IGM aus den Demonstrationen sei es, die Auseinandersetzung mit der Regierung nun auf die Frage des Rentenalters zuzuspitzen. »Es hat sich gezeigt, daß in dieser Frage eine große Betroffenheit herrscht und unsere Alternativen leichter nachzuvollziehen sind als beispielsweise bei der Gesundheitsreform«, sagte Gerntke. Statt Rente mit 67 will die IG Metall einen flexiblen Übergang in den Ruhestand bis zum 65. Lebensjahr. Konkret fordert die Gewerkschaft die Verlängerung der Regelungen zur Altersteilzeit, eine bessere Ausgestaltung der Erwerbsminderungsrenten, die Möglichkeit, nach 40 Versicherungsjahren ohne Abschläge in Rente zu gehen, sowie eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Freiberufler, Selbständige und Beamte einbezogen werden.

Die Metallergewerkschaft plant, in den kommenden Monaten vor allem auf betrieblicher Ebene Druck für diese Positionen zu entwickeln. Bis Jahresende soll dort eine Informationskampagne laufen. Im Januar und Februar könne es dann »durchaus auch zu Aktionen während der Arbeitszeit kommen«, so Gerntke. Ähnliche Planungen gibt es bei ver.di. Im Vorfeld der ersten Lesung des Rentengesetzes im Bundestag will die Dienstleistungsgewerkschaft in Baden-Württemberg am 14. Dezember in allen Betrieben und Dienststellen Infoaktionen zum Thema Rente mit 67 und »Gesundheitsreform« organisieren. Das geht aus einem Brief an ver.di-Funktionäre in Stuttgart hervor. »Wir haben natürlich nichts dagegen, wenn in dem einen oder anderen Betrieb bereits an diesem Tag öffentlichkeitswirksame Aktionen laufen«, erläuterte Bernd Riexinger, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart-Ludwigsburg, auf jW-Nachfrage. Vor allem solle aber Ende Januar/Anfang Februar, wenn die zweite Lesung vor der Tür steht, »in den Betrieben deutlich Flagge gezeigt werden«. »Es geht darum, an einem Tag Tausende vor den Betrieben zu versammeln, die gegen die Vorhaben der Koalition protestieren«, heißt es in dem ver.di-internen Schreiben.

Obwohl der Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Aktivitäten in der nächsten Zeit in den Betrieben liegen werde, müsse man sich auch überlegen, was man zusammen mit den sozialen Bewegungen auf die Beine stellen könne, betonte Riexinger. Gerntke sagte ebenfalls, man werde mit den Sozialinitiativen im Gespräch bleiben und auf lokaler Ebene gemeinsame Aktionen durchführen. Auch die Linksfraktion im Bundestag will sich weiter in die Auseinandersetzungen einbringen. Für kommenden Mittwoch hat sie Beschäftigtenvertreter zu einer Betriebsrätekonferenz eingeladen. Zudem plant die »Initiative für einen Politikwechsel« um das ehemalige Vorstandsmitglied der IG Metall, Horst Schmitthenner, für den 10. Dezember in Frankfurt/Main eine Veranstaltung zum Thema.