Personalquerelen statt Kehrtwende beim DGB

Bundeskongress: Ideologischer Rechtsruck setzt sich fort
 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die dringend benötigte Kehrtwende erwartungsgemäß nicht vollzogen. Statt einen Kurswechsel hin zur Mobilisierung der abhängig Beschäftigten gegen Lohnraub und Arbeitsplatzvernichtung einzuläuten, dominierten Personalquerelen den Kongress des Gewerkschaftsbundes im Mai in Berlin.

von Daniel Behruzi, Berlin

Zu Beginn des Kongresses der rund 400 handverlesenen Delegierten stand die „Findungskommission“, die sich aus den mächtigen Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften zusammensetzt, im Mittelpunkt. Sie hatte die CDU-Funktionärin Ingrid Sehrbrock als DGB-Vize vorgeschlagen. Und solchen „Vorschlägen“ widerspricht man üblicherweise nicht. Doch dieses Mal war alles anders.

Streit um Vorstandsposten

Ursula Engelen-Kefer, seit 1990 stellvertretende Vorsitzende des Dachverbands, kandidierte gegen das Votum der Gewerkschaftsoberen erneut für diesen Posten. Es war die erste Kampfkandidatur zum DGB-Vorstand seit 16 Jahren. Nun ist auch Engelen-Kefer alles andere als eine Linksradikale. Hat sie als DGB-Vize doch seit 1990 jeden Rechtsschwenk des Gewerkschaftsdachverbandes und die Versuche einer kooperatistischen Einbindung der Beschäftigtenorganisationen im „Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit“, sowie in den Hartz- und Rürup-Kommissionen mitgetragen – und dem sozialen Protest hierdurch die Spitze genommen. Dennoch: Im Vergleich zur CDU-Funktionärin Sehrbrock – durch deren Wahl das Bild der Einheitsgewerkschaft gewahrt werden sollte und die sich den Delegierten konsequenterweise als „Brücke zur CDU“ anpries – ist Engelen-Kefer zumindest eine charismatische Figur mit Bezug zur Basis. Um eine Düpierung des DGB-Chefs Michael Sommer durch die Wahl seiner bisherigen Stellvertreterin zu verhindern, wurden die Delegierten dem Vernehmen nach im Vorfeld massiv genötigt, nicht gegen die „Etikette“ zu verstoßen – mit Erfolg: Engelen-Kefer unterlag mit 161 zu 212 Stimmen. Einen gewissen Unmut hat dieses Votum dennoch deutlich gemacht. Ebenso wie das Ergebnis für Sommer selbst – der DGB-Chef erhielt nur 78,4 Prozent, vor vier Jahren waren es noch etwa 94 Prozent – sowie die Tatsache, dass mit Claus Matecki die rechte Hand des IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters erst im zweiten Wahlgang ohne Gegenkandidaten durchkam.

Programmatische Fragen

Gewichtige Thesen brachte der DGB-Chef nicht vor. Die „Regulierung der internationalen Finanzmärkte“ und eine „neue Verfassungsdebatte in Europa“, lauteten zwei zentrale Forderungen. Progressiver ist da schon die auf dem Kongress – nach vierjähriger Diskussion – beschlossene Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Allerdings stellten die Gewerkschaftsoberen weder klar, wie sie diesen durchzusetzen gedenken, noch würden die beschlossenen 7,50 Euro pro Stunde tatsächlich Armutslöhne beseitigen. Und selbst Kombilöhne – die staatliche Subventierung von Billiglöhnen – schloss Sommer nicht aus.

Inhaltlich sind im DGB-Apparat also keinerlei Fortschritte festzustellen. In einem Punkt zeigt sich dennoch Bewegung. Die Entstehung der Wahlalternative WASG hat das Monopol der Sozialdemokratie – selbst bei den hauptamtlichen Funktionären im DGB – gebrochen. Während Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) von Teilen des Publikums mit Pfiffen bedacht wurde, verabschiedeten die Delegierten Lafontaine nach einer kämpferischen Rede mit langanhaltendem Beifall. Es wurde aber auch deutlich, dass die Senatspolitik der Links-partei.PDS in Berlin die „neue Linke“ angreifbar macht. So kritisierte SPD-Mitglied Sommer in seiner Replik auf Lafontaine: „Berlin ist aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten und hat für Beamte die 42-Stunden-Woche eingeführt – da stimmt die Politik mit den Worten nicht überein.“

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