Zum Tarifabschluss bei Eichbaum

Interview mit Georg Dohr, Vertrauensmann bei der Eichbaum-Brauerei in Mannheim
 
Das letzte Mal wo wir uns unterhalten haben war die Situation ziemlich festgefahren, Die Gesch?ftsleitung hat sich immer noch geweigert, ?berhaupt Verhandlungen zu f?hren, die Stimmung hier unter den KollegInnen war so, dass sie entschlossen waren, durchzuhalten, so lange wie es n?tig sein w?rde. Noch am Dienstag Morgen hie? es in der Lokalpresse, es gehe immer noch darum, ?berhaupt Gespr?che organisiert zu kriegen, und dann wurde am Dienstag in Laufe des Tages schon die Einigung verk?ndet. Was denn passiert dass sich die Ereignisse dann so schnell ?berschlagen haben?

Es haben sich von ausserhalb verschiedene Politiker, Kirchenvertreter und andere eingesetzt, haben unsere Vorst?nde angesprochen und ich denke das alles hat auch Eindruck hinterlassen. Was sicherlich auch dazu beigetragen hat war die Situation bei Park-Bellheim. Da hat man sich sicherlich gedacht, man will da nicht eine zweite T?r aufmachen und gleichzeitig einen zweiten Konflikt auf Ebene ACTRIS riskieren. Ich denke das waren die Gr?nde, warum man dann doch zum Schluss so schnell an den Verhandlungstisch gekommen ist, gl?cklicherweise.

Kannst du vielleicht noch etwas sagen zur Situation bei Park-Bellheim, was da passiert bzw. was da passiert ist?

Es ist so, dass dort der Arbeitgeber aus dem Tarifvertragsverband ausgetreten war, ich habe erfahren er ist jetzt auch wieder eingetreten, also da gilt es f?r die Kolleginnen und Kollegen aufmerksam zu beobachten was da passiert. Es hat ein Schlichtungstermin gegeben, weil im Tarifvertrag vorgesehen ist dass eine Schlichtung vorgenommen wird bevor die Friendenspflicht beendet ist. Dieser Termin war f?r Montag angesezt, und je nach dem wie man sich da geeinigt hat oder nicht koennte es eben auch dort zum Tarifkonflikt kommen, was auch zu einem Arbeitskampf bei Park-Bellheim f?hren koennte.

Ich habe versucht, die Situation bei Park-Bellheimer zu verfolgen, es ist sehr schnell an Informationen zu kommen ?ber die Medien. Bei den Park-Bellheimer Brauereien in Pirmasens und Bellheim gab es vor einigen Wochen, als der Streik hier bei Eichbaum gerade angefangen hatte, einen Warnstreik gegeben. Ist das alles Teil des selben Konflikts oder was das was anderes.

Ich denke, oder ich weiss das auch von den dortigen Betriebsr?ten dass sie ?hnliches bef?rchten wie das was hier f?r Eichbaum gilt. Sie gehoeren eben beide, Pirmasens und Bellheim zum Konzern ACTRIS, und es geht darum, was ich schon in unseren vorherigen Interviews betont habe, n?mlich den Konzern ACTRIS tarifvertragsfrei zu gestalten. Auch dort hat es eben auch entsprechende Signale gegeben, so dass sich die Gewerkschaft dort entschlossen hat, in einen Warnstreik zu treten, um zu sagen ?Das wollen wir nicht?.

Nochmal zu der Einigung die hier erzielt wurde: Das ist f?r Au?enstehende ein Bisschen schwer einzuordnen, in so einer Situation wo die Gewerkschaft 3,8% gefordert haben, das erste Angebot der Arbeitgeber 1,5% war, und nun hat man sich auf 37 Euro als fixe Summe geeinigt, wenn wir zun?chst mal nur den Lohnaspekt betrachten. Wie ist das als Groessenordnung einzusch?tzen im Vergleich zu der urspr?nglichen Forderung?

Unser oberstes Ziel war: keine weitere Abkoppelung von den Brauern im Land. Wir haben jetzt mit einem zweistufigen Entgelttarifvertrag sichergestellt zum einen 1,5% mehr Lohn und dann als zweiten Schritt sichergestellt dass 2006 der Tarifvertrag anerkannt wird, der im Land Baden-W?rttemberg anerkannt wurde. Somit ist im zweiten Punkt das Vorhaben der Arbeitgeber, eine Nullrunde, bei einer, sag ich mal, fragw?rdigen Gewinnbeteiligung, durchbrochen. Die Absenkung des Weihnachtsgeldes auf 95% f?r zwei Jahre l?sst sich auch sehen gegen?ber dem ersten Vorschlag der Arbeitgeber, es zun?chst auf 90% und in den folgenden Jahren dann auf 80% zu senken. Also ich denke das ist akkzeptabel, und ausserdem ist der Zusatztarifvertrag wieder in Kraft, das heisst der Tarifvertrag gilt wieder auch f?r die Neueingestellten, in sofern ist die Tarifbindung f?r Neueingestellte wieder hergestellt und damit ist, zumindest was den Tarifvertrag und die Tarifbindung betrifft, das Thema Zweiklassengesellschaft vom Tisch. Zus?tzlich konnte ein Ausgliederungs- und K?ndigungsschutz, zumindest f?r dieses Jahr in den Tarifvertrag aufgenommen werden, also da sind die Unterschiede zu dem, was seitens der Arbeitgeber eingangs gefordert wurde, schon erheblich.

Um den Punkt klarzustellen was den Tarifverband der Brauereien in Baden-W?rttemberg betrifft: Eichbaum ist da vor zwei Jahren ausgetreten, ist dieser Schritt jetzt r?ckg?ngig gemacht worden?

Nein, also das ist sicherlich ein Wunsch, in die Tarifvertragslandschaftsfl?che zur?ck zu kommen, aber das gelingt uns im Moment nicht und war auch nie eine Forderung in dieser Tarifauseinandersetzung. Wir haben gesagt wir wollen einen Haustarifvertrag mit akkzeptablen Ergebnissen, wir wollten auf keinen Fall die Distanz zum Land weiter vergroesern, das h?tte sicherlich auch einschneidende Folgen f?r den Fl?chentarif gehabt, das h?tte den Fl?chentarifvertrag endg?ltig zerschlagen.

W?hrend des Streiks war deutlich zu sp?ren, dass die Stimmung sehr entschlossen waren, dass die Streikenden wussten, dass es um sehr viel geht und auch entschlossen waren, durchzuhalten. Wie ist die Stimmung unter den KollegInnen jetzt wo der Streik zu Ende ist? Sind sie mit der Einigung zufrieden?

Es haben 96% mit ?Ja? gestimmt, allein daran sieht man, dass die Leute dazu stehen. Es ist richtig, was du sagt: wir wussten alle, es geht nicht nur um 10% Weihnachtsgeld. Dementsprechend waren hier die Leute nicht nur wegen dem neuen Tarifvertrag draussen gestanden, sondern ich habe immer gesagt, der Arbeitgeber streitet hier an zwei Fronten: unter anderem auch wegen den Forderungen, Stichwort Zweiklassengesellschaft, Stichworter Freiberger Modell, die im Betrieb vom Arbeitgeber gegen?ber den Betriebsr?ten gestellt werden. Wir haben hier in einem sehr harten Arbeitskampf ?ber vier Wochen gesagt, dass wir dieses Modell aus Sachsen nicht wollen, und die Stimmung ist aus dem Grund bis zum Schluss so gut geblieben. Das war, so koennte man sagen, ein Etappensieg, aber wir werden weiterhin gewappnet bleiben, hier im Betrieb f?r die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzutreten. Die Stimmung ist hervorragend geblieben bis zum Schluss. Man hat dann gemeinsam zum Arbeitsbeginn um 13:30 symbolisch das Betriebsgel?nde wieder betreten und unter Applaus die Mittelschicht zu ihrem Arbeitseinsatz begleitet. Man hat es bis zum Schluss gemerkt: das Tarifergebnis wird durch die Menschen getragen.

Du hast vorhin gesagt, wenn man den Abschluss vergleicht mit dem, was die Arbeitgeber eingangs gefordert haben, kann man feststellen, dass bei vielen Punkten Fortschritte erzielt wurden. In Zeiten, in denen vieles an Verschlechterungen hingenommen wird, koennte man sagen, das hier ist ein Beweis daf?r, dass es sich lohnt, f?r seine Interessen einzustehen und auch mit dem Mittel des Streiks daf?r zu k?mpfen, weil man damit eben auch Erfolg haben kann.

Das kann ich nur unterstreichen. Wobei ich betonen will, dass das, was hier erreicht wurde, an Symbolik ?ber das erreichte Tarifergebnis hinaus geht. Denn es ist sicherlich so, dass man sich das ein oder andere an weiteren Verbesserungen erw?nschen koennte, wobei man auch mit den Gegebenheiten und der Marktsituation zur Zeit leben muss. Aber richtig ist, die Menschen haben bewusst und entschlossen, sie waren auch durch den Betriebsrat und die Gewerkschaft bestens informiert, sich daf?r entschieden, dem Arbeitgeber zu sagen, auch symbolisch, dass man sich nicht alles gefallen lassen kann, auch in diesen Zeiten nicht.

Wir haben ja vorhin kurz ?ber Park-Bellheimer gesprochen. Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass die Arbeitgeber hier in Mannheim an der einen Front einen taktischen R?ckzug gemacht haben, um an einer anderen Front, wo sie weniger Widerstand erwarten, wieder in die Offensive zu gehen?

Nochmal vielleicht auch zur Korrektur: ich moechte das, was die Arbeitgeber gemacht haben, nicht unbedingt als R?ckzug bezeichnen. Wir haben einen Tarifkompromiss abgeschlossen. Ich moechte ausdr?cklich sagen, es gibt keine eindeutigen Sieger, und eben auch keine eindeutigen Verlier in dieser Situation. Das ist ein Kompromiss, wie das in Tarifsituationen h?ufig so ist.
Park-Bellheimer ist eine ganz andere Situation, da stehen die Kolleginnen und Kollegen auch vor einer ganz anderen Situation. Die sind durch eine Insolvenz durchgegangen, aber nach der Insolvenz haben diese beiden Betriebe, eingebunden in ACTRIS, wieder echte Chancen und in sofern treten die Arbeitnehmer berechtigt f?r ihre Interessen ein, ohne gleichzeitig den Betrieb zu ?berfordern. Das jetzt, wenn die Tareifauseinandersetzung in Pirmasens und Bellheim logeht, es nicht mehr moeglich ist, diese mit der in Mannheim zu verkn?pfen, schw?cht sicherlich die Position der Gewerkschaft. Nichts desto trotz muss hier f?r die berechtigten Ziele eingetreten werden.

Das Interview f?hrte S?an McGinley am 24. Februar 2005