Mitte Juli wurden die Inhalte der Einigung über einen „Sanierungstarifvertrag“ im größten deutschen Stahlkonzern veröffentlicht: bis 2030 wird zwar auf eine Standort-Schließung verzichtet, aber Tausende Arbeitsplätze werden vernichtet.
Von Marc Treude, Aachen
Die IG Metall schreibt in ihrem Flugblatt zur Einigung, „die Beschäftigten von thyssenkrupp Steel haben nun wieder eine Perspektive“ – nur eben nicht alle. Man sei “an die Schmerzgrenze gegangen”, um Standorte und Arbeitsplätze zu erhalten, dies gelte auch für die Arbeitgeberseite. Dies darf bestritten werden: Ziel der Arbeitgeber war es, im Stahlbereich 5000 Stellen zu streichen, in der Produktion sollen nun 1600 Stellen wegfallen, in anderen Bereichen 3700 – macht insgesamt 5300, Ziel erreicht.
Ziel der Konzernbosse ist es, von den jetzt noch rund 27.000 Beschäftigten auf etwa 16.000 zu kommen, also insgesamt 11.000 Stellen zu streichen. Wenn jetzt die IGM davon spricht, man habe nur dort Zugeständnisse gemacht, wo es wirklich notwendig gewesen sei, begibt sie sich auf eine Argumentationslinie, die die gewünschten weiteren Stellenstreichungen vorab legitimiert – wenn sie in naher Zukunft aus Sicht des Konzerns notwendig werden.
Ziel des Konzerns ist es, die Stahlproduktion in Deutschland von derzeit 11,5 Millionen Tonnen auf 9 Millionen Tonnen zu senken. Dies wird von der IGM kaum kritisiert, sie verweist auf notwendige Investitionen, die nun folgen müssten. Verfangen in der Standortlogik, scheint die IG Metall kein Interesse daran zu haben, wirkliche Argumente für den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen zu bringen. Es gibt sowohl einen gesellschaftlichen Bedarf am Erhalt guter, tariflich abgesicherter Arbeitsplätze als auch an der klimafreundlichen Produktion aus grünem Stahl, für den Bau von Schulen, Wohnungen und weiterer Infrastruktur.
Am Standort Bochum soll die Produktion Ende 2028 auslaufen, für den Standort Kreuztal (bei Siegen, NRW) solle es „kurzfristig ein Konzept zur Optimierung“ geben. Presseberichte sagen einen Einkommensverlust für die Beschäftigten in Höhe von rund 8% voraus: durch Verkürzung der Arbeitszeit auf 32,5 Stunden ohne Lohnausgleich sowie durch Kürzungen beim Urlaubsgeld und anderen Leistungen. Rund 100 Millionen Euro dürfte der Konzern bis 2030 auf dem Rücken der Beschäftigten einsparen. Dies ist weder ein Erfolg noch überhaupt ein Beispiel für die Macht der IG Metall. Sie hätte kämpfen müssen, im Verbund mit den Belegschaften anderer Stahlhersteller wie auch mit weiteren gesellschaftlichen Akteuren aus den Reihen der Beschäftigten, der Umweltbewegung und der Linken.
Foto: Bernd Röttgers, igmetall.de

