Buchrezension: Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde

Eine politische Lösung will Ole Nymoen mit seinem Buch, wie er selbst schreibt, nicht bieten. Wer aber erstmal nur eine andere Art der Auseinandersetzung mit der Frage der “Kriegstüchtigkeit” sucht, wird sie in „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ finden. 

Von Flora, Köln

Im ersten Teil erklärt er, dass Staaten sowohl nach innen, gegenüber den eigenen Bürger*innen, als auch nach außen, in Konkurrenz mit anderen Staaten, Gewalt ausüben, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Bürger*innen müssten ihre eigenen Bedürfnisse ständig denen des Staates und des Kapitals unterordnen, und sogar an die Front gehen und sterben, um die staatlichen Machtansprüche durchzusetzen. Im zweiten Teil versucht Nymoen, die Sinnlosigkeit von Krieg zu erklären, indem er typische Argumente von Kriegstreiber*innen entkräftet. 

Für die Freiheit sterben?

Zuletzt widmet er sich den bürgerlichen “Höchstwerten” Freiheit, Demokratie und Gemeinschaft, die es in den Augen bürgerlicher Liberaler bis zum Tod zu verteidigen gelte. Für die Freiheit, zu entscheiden, ob man sein Leben lang für den Profit des Kapitals schuftet oder auf der Straße verhungert, lohne es sich nicht zu sterben. Vor allem, weil diese Freiheit im Kriegsfall sowieso nicht mehr bestünde, weil man im wehrfähigen Alter an die Front gezwungen wird. Ebenso wenig sei es sinnvoll, sein Leben für eine Demokratie zu opfern, in der man nur alle vier Jahre entscheiden darf, wer Politik gegen die eigenen Interessen macht, anstatt auch das Wesen des Staates selbst wählen zu können. Im Falle eines Krieges sollen die Bürger*innen zusammenhalten und die nationale Interessensgemeinschaft verteidigen. Und das, obwohl in dieser Gemeinschaft massive Sozialkürzungen und nicht die Interessen der Mehrheit auf der Tagesordnung stehen würden. “Kurzum: Die Unterordnung unter Staat und Kapital wird so vehement gefordert wie lange nicht mehr.” (S.15)

Dass Nymoen die Landesverteidigung ablehnt, mit der Begründung, er wolle nicht sterben, fällt im medialen Diskurs positiv auf. Sein Verständnis von Staat und Herrschaft bleibt aber abstrakt. Nymoen zufolge ist der Staat das Ergebnis von Gewalt und kann nur durch Gewalt fortbestehen. Er geht jedoch nicht darauf ein, dass der Staat das Ergebnis von Klassenwidersprüchen ist: Die kleinere Klasse der Kapitalist*innen beutet die größere Klasse der Lohnabhängigen aus. Wegen dieses Machtverhältnisses benötigt die kapitalistische Klasse ein Organ, das das Zusammenleben bestimmt und durch seine Apparate (Gewalt) reguliert.

Lenins Imperialismustheorie

Dieses Verständnis vom Klassencharakter des Staates fehlt Nymoen auch bei der Außenpolitik, was er mit seinem Versuch einer Kritik an Lenins Imperialismustheorie anschaulich beweist. Für ihn ist die Ausdehnung der staatlichen Einflusssphäre ein Selbstzweck. “Auch hier soll im Folgenden davon ausgegangen werden, dass es nicht partikulare Kapitalinteressen sind, die wesentlich hinter militärischen Konfrontationen stecken – sondern die Staaten mit ihren Macht- und Gewaltansprüchen” (S.54), schreibt Nymoen über den Falklandinsel-Konflikt.

Lenin versucht, staatliches Handeln und Kriege aus der Ökonomie zu erklären. Nymoen unterstellt Lenin, den Staat als bloßen Diener des Kapitals ohne eigene Interessen zu verstehen, sodass Kriege immer nur im direkten Profitinteresse des Kapitals geführt würden. Das ist aber ein Zerrbild von Lenins Theorie: dieser bezeichnet den Staat als “ideellen Gesamtkapitalisten”, der langfristig die besten Bedingungen für das Wachstum des Kapitals seiner gesamten Kapitalist*innenklasse herstellen möchte, zur Not auch gegen das Interesse einzelner Kapitalist*innen(fraktionen). Und zwar in erster Linie nicht, weil alle Politiker*innen vom Kapital gekauft sind (auch wenn das vorkommt), sondern weil seine eigene ökonomische Macht auf dem Wachstum seines Kapitals aufbaut.

Dies führt zu einer der größten Schwächen seines Buches: während Nymoen darlegt, warum es sich nicht lohnt, für sein Vaterland in den Tod zu ziehen, liefert er keine Erklärung für die Ursache von Kriegen, sondern führt sie letztendlich auf willkürliche und irrationale Machtansprüche der Staaten zurück. Daher kann er den Lesenden dann auch keine Perspektive aufzeigen, was man eigentlich dagegen tun kann, außer sich selbst dem Dienst an der Waffe zu verweigern. In der kapitalistischen Staatenwelt muss es jedoch notwendigerweise zu Kriegen kommen – man kann sie am Ende also nur verhindern, indem man ihre ökonomische Grundlage, nämlich den Kapitalismus mit seinem unendlichen Profitdrang, überwindet.