25. Gewerkschaftstag der IG Metall: Licht und Schatten

Vom 22. bis zum 26. Oktober fand der 25. ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt/Main statt. Neben der Neuwahl des Vorstandes ging es um Themen wie die „sozial-ökologische Transformation“, den Kampf gegen rechts, Mitbestimmung, gewerkschaftliche Gestaltungsmacht und die Kriegsfrage.

Von Marc Treude, Aachen und Michael Lerch, Unna, Delegierte zum Gewerkschaftstag

Unter dem Motto „Klimaschutz ist Klassenkampf!“ hatten SAV-Mitglieder aus Aachen, Köln und Unna – davon auch zwei Delegierte – zu Beginn des Gewerkschaftstages mit einem Transparent und Flugblättern die ankommenden Delegierten begrüßt. Mit dem Slogan „Klimagerechter, demokratischer Umbau der Autoindustrie in öffentlicher Hand“ brachte die SAV einen Diskussionsbeitrag zur Transformation der Autoindustrie ein. Es gab viele positive Rückmeldungen und gute Diskussionen, vor allem über die Frage der Vergesellschaftung der Automobilindustrie im Kampf gegen den Klimawandel. Der Leitantrag selbst wurde allerdings nicht diskutiert, sondern ohne allgemeine Debatte bürokratisch und unter Zeitdruck durchgewunken, lediglich ergänzende Anträge wurden beraten. Der Redebeitrag von Marc Treude, Delegierter der IG Metall Aachen, wurde nicht zugelassen.

Erstmals Frau an der Spitze

Mit Christiane Benner, bisher 2. Vorsitzende, wurde zum ersten Mal eine Frau an die Spitze der IGM gewählt, mit einem Rekordergebnis von 96,4%. Bisher war es stets so, dass der zweite Vorsitzende dem Ersten folgt. Dieses Mal hatte auch der Bezirksleiter aus Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, seinen Hut in den Ring geworfen. Die Diskussionen endeten allerdings mit einem Rückzug Zitzelsbergers, „aus gesundheitlichen Gründen“. Christiane Benner – wie ihr Vorgänger SPD-Mitglied – reiste in den vergangenen Monaten durch das Land und besuchte die Basis der IGM, sie wurde auf der Frauenkonferenz fast einstimmig nominiert. Sie gab sich frisch und basisnah. Stellvertreter im von sieben auf fünf verkleinerten geschäftsführenden Vorstand wurde der bisherige Kassierer Jürgen Kerner. Das langjährige linke Mitglied im Vorstand, Hans-Jürgen Urban, wurde mit 95,2% im Amt bestätigt. Neu in den Vorstand wurden Nadine Boguslawski und Ralf Reinstädtler gewählt.

Der Gewerkschaftstag war von zwei gegensätzlichen Tendenzen geprägt: einerseits die Grußworte von Wirtschaftsminister Habeck (Grüne), Arbeitsminister Heil sowie Kanzler Olaf Scholz (beide SPD). Andererseits gab es immer wieder Aktionen von Delegierten und Gewerkschaftsjugend. So wurden Habeck und Scholz mit lauten Rufen von Stahlarbeiter*innen auf eine Zusage zum sogenannten Brückenstrompreis unterbrochen. Habeck sagte Ja, Scholz Nein.

Die Rede von Arbeitsminister Heil zeigte auf, welche Rolle die Bürokratie der Gewerkschaft spielt. Sie dient der Einbindung der Gewerkschaften in die Verwaltung der kapitalistischen Wirtschaft und dem Einhegen von Klassenkämpfen – Co-Management und Kompromisse statt Mobilisierung zum Kampf der Belegschaften. Dafür wurde die sozialdemokratische Seele vieler Delegierter und Vorstandsmitglieder von Heil gestreichelt. Dieser erhielt den größten Applaus, während Kanzler Scholz sich in seiner Rede wenig Freund*innen machte. Scholz verteidigte die zunehmend rigide Politik gegenüber Geflüchteten, behauptete aber gleichzeitig, man schaffe gerade das freundlichste Zuwanderungsgesetz der Welt. Bei seiner Rede zeigte ein Großteil der Delegierten Schilder mit der Aufschrift „Refugees welcome!“ (Geflüchtete willkommen!).

Rüstungskonversion statt Waffenlieferungen

Der Leitantrag des Vorstandes „Für eine verantwortliche Politik für Frieden und Sicherheit“ wurde durch Änderungsanträge verbessert und einstimmig verabschiedet. Auf Antrag der Geschäftsstelle Hanau-Fulda wurden mehrere Sätze gestrichen (jeweils Auszüge): „In der Ukraine wird kein Stellvertreterkrieg des Westens ausgefochten (…) Waffenlieferungen können legitim sein, wenn demokratische Staaten ihr Recht auf Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff wahrnehmen (…)“ und ersetzt durch: „Eine Fixierung auf Waffenlieferungen verlängert diesen Krieg und führt auf beiden Seiten zu tausenden Toten und Verletzten. Daher ist der Schwerpunkt auf diplomatische Lösungen zu legen, um zunächst einen schnellen Waffenstillstand zu vereinbaren (…) ein Denken in den Kategorien ‘Sieg’ oder ‘Niederlage’ ist der falsche Weg (…) Außerdem setzen wir uns gemeinsam für Rüstungskonversion ein.“ Damit hat sich die IG Metall deutlich besser positioniert als ver.di einen Monat zuvor.

Eine breite Debatte gab es zum Umgang mit der AfD. Die Geschäftsstelle Jena-Saalfeld hatte einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit Funktionären und Mitgliedern der AfD eingebracht. Vorstand und Antragsberatungskommission argumentierten formal: dies böte der AfD unnötige Möglichkeiten, dagegen juristisch vorzugehen. Stattdessen solle die IG Metall überall in den Betrieben und auf der Straße Haltung zeigen. Diese Position war umstritten, viele Delegierte meldeten sich zu Wort und forderten die Unvereinbarkeit. Nach einem „Machtwort“ der neuen Vorsitzenden Christiane Benner stimmten die Delegierten dem Antrag aber nur als Material an den Vorstand zu. Zusammen mit der Aktion der IGM-Jugend zeigte der Kongress jedoch „klare Kante“ gegen Rechts. Die Initiativanträge „Haltung gegen Rechts!“, „Solidarität statt Populismus! Fluchtursachen bekämpfen!“ sowie „Recht auf Asyl!“ wurden einstimmig angenommen und vertieften den Graben zwischen IGM und dem Kurs von Kanzler Scholz.

Kapitalmarktrente gestoppt

Die mit 33 Wortmeldungen längste Debatte gab es zu einem Ergänzungsantrag zum Leitantrag „Beschäftigung und Sozialstaat zukunftsfest machen“. Der von über 200 Delegierten unterschriebene Ergänzungsantrag diente dazu, das vom baden-württembergischen Bezirksleiter und verhinderten Vorsitzenden-Kandidaten Zitzelsberger favorisierte „Sozialpartnermodell“ zu blockieren. Dieses Modell sieht vor, den Arbeitgebern per Tarifvertrag zu ermöglichen, mit der Betriebsrente am Kapitalmarkt zu spekulieren. Delegierte fürchteten, dass die Beschäftigten am Ende weniger rausbekommen als sie einzahlen. Sie forderten stattdessen eine Stärkung der gesetzlichen Rente. Viele Bezirke hatten sich im Vorfeld dagegen ausgesprochen, viele Delegierte waren „on fire“, um diese Öffnung Richtung Spekulation zu verhindern. Der Antrag wurde mit 272 zu 139 Stimmen abgelehnt.

Nach wie vor besteht eine enge Bindung an die Sozialdemokratie und diese wird von der Führung gefördert. Doch die Bruchlinien werden angesichts der realen SPD-Regierungspolitik deutlich, Scholz hatte keinen leichten Stand. Es gibt eine etwas stärkere kämpferische Stimmung. Die Hoffnung, durch Abkommen oder runde Tische etwas zu erreichen, ist gering. In vielen Diskussionen äußerten Delegierte, dass Gewerkschafter*innen nur auf die eigene Kraft vertrauen können.

Die zentrale Frage des Umbaus der Mobilitätsindustrie wurde nicht beantwortet. Die von der IG Metall befürwortete Antriebswende zum E-Auto unter Kontrolle des Kapitals wird keineswegs Jobs sichern, von Klimagerechtigkeit ganz zu schweigen. Schon jetzt geraten die deutschen Konzerne massiv unter Druck der Konkurrenzdruck, rufen nach staatlicher Absicherung und klammern sich wie Ertrinkende an den Verbrenner und fette, teure E-Autos samt Raser-Autobahnen als Alleinstellungsmerkmal. Ihre Art des Umbaus wird zehntausende Arbeitsplätze kosten, bei den Zulieferern und den Herstellern. Der Leitantrag zur Transformation, der nicht einmal diskutiert wurde, war eine verschwendete Gelegenheit. . Eine Korrektur in die Richtung, Jobs und Einkommen zu verteidigen und den klimagerechten Umbau durchzusetzen durch Vergesellschaftung und demokratische Kontrolle ist nötig, je schneller, desto besser.