Angriff des Putin-Regimes auf trans Personen

Im Juni wurde im russischen Parlament ein Gesetzentwurf zum Verbot der „Geschlechtsumwandlung“ (Wortlaut des Parlamentes) in erster Lesung behandelt. Er beinhaltet ein Verbot der Änderung der Geschlechtskennzeichnung in sämtlichen Dokumenten sowie der Hormontherapie für trans Personen und aller medizinischen Eingriffe im Zusammenhang mit der Transition.

Wie schon beim LGBTQ-Propaganda-Gesetz versucht das Putin-Regime, sich auf die konservativsten Schichten der russischen Gesellschaft zu stützen. Diese Rückständigkeit hat ihre Wurzeln in Atomisierung und der Perspektivlosigkeit. Dieses Gesetz gegen trans Personen versucht, sie als Feind der gesamten Gesellschaft darzustellen, indem man sie sowohl für das Versagen der Sozialpolitik – angeblich „zerstören sie die Institution der Familie“ – als auch für das Versagen an den Fronten in der Ukraine verantwortlich macht. So behauptete ein Abgeordneter: „[…] Sie wechseln das Geschlecht, um sich vor der Mobilisierung zu verstecken.”

Diese Entwicklungen gelten nicht exklusiv für Russland. Rechte Politiker*innen auf der ganzen Welt greifen die Rechte von trans Personen an, um die Unterstützung der rückständigen Schichten in stark polarisierten Gesellschaften zu finden.

Eine schreckliche Wahl

Das Verbot der legalen Geschlechtsangleichung stellt diese verletzliche Gruppe Menschen vor eine schreckliche „Wahl“: ihre eigene Dysphorie (1) durch geschlechtsaffirmative (2) Maßnahmen zu verringern, aber ihr Leben und ihre Gesundheit aufgrund des unterschiedlichen Aussehens und der Geschlechtskennzeichnung in den Dokumenten zu riskieren. Oder auf geschlechtsangleichende Maßnahmen zu verzichten und das Risiko von Belästigungen zu verringern, aber dafür mögliche Verschlechterungen der psychischen Gesundheit bis hin zu Suizidalität in Kauf nehmen, weil der Leidensdruck der Gendersdysphorie kaum gelindert werden kann.

Durch das Verbot, den Geschlechtseintrag zu ändern, wird es fast unmöglich, Statistiken über Hassverbrechen zu erstellen. Die Möglichkeit des Polizeischutzes, der solche Verbrechen bereits jetzt weitgehend ignoriert, wird gänzlich verschwinden. Selbst Der Zugang zu medizinischer Routineversorgung wird aufgrund des Unterschiedes zwischen Aussehen und Geschlechtsidentität noch schwieriger.

Teil des  Gesetzes ist auch ein Verbot von geschlechtsangleichenden medizinischen Eingriffen, was den Zugang zu Hormontherapien erschwert und verteuert, von Operationen ganz zu schweigen. Das Verbot macht jedoch eine Ausnahme: Intersexuelle Babys dürfen operiert werden. Solche Operationen basieren, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf nichts Anderem als dem Ziel der Angleichung aller an die binäre (weibliche/männliche) Norm, ohne Rücksicht auf die Interessen des Kindes.

Ohne die Möglichkeit eines Rezeptes von eine*r entsprechenden Fachärzt*in und medizinische Informationen wird die transweibliche Transition die Verwendung von Medikamenten erfordern, die dafür nicht vorgesehen sind – wie z. B. orale Verhütungsmittel, die auf lange Sicht leberschädigend sind. Die „Alternative“ wären dann illegal hergestellte überteuerte und qualitativ minderwertige Medikamente.

Noch schlimmer sieht es bei der transmännlichen Transition aus: Testosteronhaltige Medikamente sind nicht rezeptfrei erhältlich, so dass es nur die illegale Variante gibt. Die Erhöhung der Kosten für die Hormontherapie wird das durchschnittliche Einkommen von trans Personen, das in den meisten Fällen ohnehin schon niedrig ist, weiter verringern. Ein Verbot von Operationen würde die Lebensqualität verschlechtern, da die Dysphorie nicht gemindert werden kann.

Wie die Erfahrung vieler trans Personen zeigt, ist es sehr schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn die Geschlechtsmarkierung in den Dokumenten nicht mit dem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmt. Besonders schlimm ist die Situation für Jugendliche, die bisher die Hoffnung hatten, ab dem 18. Lebensjahr ihre Lebensqualität durch eine Operation, Hormontherapie oder Geschlechtsangleichung zu verbessern. Auch diese Perspektive wird ihnen nun verwehrt.

Was tun?

Eine erste Notmaßnahme ist es, möglichst viele trans Menschen dabei zu unterstützen, ihre Transition oder ihren Dokumentenwechsel abzuschließen, bevor das Gesetz in Kraft tritt. Die Sozialistische Alternative in Russland startet eine Aufkleber-Kampagne, um LGBTQIA+-Menschen und ihre Verbündeten zu informieren und zu finden. Wir appellieren an die Solidarität der Jugendlichen und Arbeiter*innen , die an den Pride-Märschen in aller Welt teilnehmen wird. Nein zu Angriffen auf die Rechte von trans Menschen – in Russland, in den USA, in Großbritannien, überall!

Ohne organisiertes und gemeinsames Handeln zum Schutz der Rechte von trans Personen bleibt diesen nicht viel übrig: Auswanderung – was für den Großteil der Betroffenen nicht realistisch ist, ein Leben im tiefen persönlichen „Untergrund“ oder gar Suizid.

Trans Menschen gab es, gibt es und wird es auch weiterhin geben. Das kann man von Putins Regime oder dem Kapitalismus und dem Patriarchat nicht behaupten.

(1)ICD 11 Geschlechtsdysphorie ist ein Leidensdruck, der durch eine Diskrepanz zwischen der Geschlechtsidentität und dem zugewiesenen Geschlecht entsteht. Sie kann durch verschiedene Faktoren verstärkt oder vermindert werden, z. B. durch das Gefühl, von anderen akzeptiert zu werden, oder umgekehrt, falsch geschlechtlich zugeordnet zu werden.

(2) Geschlechtsbestätigende Maßnahmen – Maßnahmen, die das Aussehen und den Körper einer Person in einen Zustand versetzen, in dem sie sich selbst als angemessen empfindet und/oder von anderen als dem richtigen Geschlecht zugehörig angesehen wird. Zum Beispiel in Form von Make-up und Kleidung, Hormontherapie und/oder Operationen.