Schlichtungsempfehlung im Öffentlichen Dienst: Kleine Verbesserung – trotzdem ablehnen!

Die Empfehlung der Schlichtungskommission sieht eine Lohnerhöhung um 200 Euro plus 5,5%, insgesamt mindestens um 340 Euro im März 2024 vor, zuvor soll es keine Erhöhung der Entgelttabellen, sondern insgesamt 3000 Euro Einmalzahlungen geben.

von Thies Wilkening, Reinbek

Ein Nullmonat weniger und etwa ein Viertel mehr Gehaltserhöhungen – der Schlichterspruch stellt zwar eine Verbesserung gegenüber dem Arbeitgeber-Angebot von Ende März dar, erfüllt aber für fast alle Entgeltgruppen weniger als die Hälfte der Forderung.

Statt 500 Euro auf 12 Monate bekämen z.B. Kolleg*innen in E8 Stufe 4 396,57 Euro, in E5 Stufe 6 386,15 Euro und in E4 Stufe 4 369,61 Euro mehr Lohn – auf die doppelte Laufzeit, und vor allem erst ab März 2024.

Die 3000 Euro steuer- und abgabenfreie Zahlungen werden wie schon zuvor bei Post und Metall als „Inflationsausgleich“ bezeichnet, sind das aber nach wie vor nicht. Extra-Zahlungen von Juni 2023 bis Februar 2024 wirken zwar auf den ersten Blick attraktiv, helfen aber eben nur kurzfristig, während die Inflation auch im Jahr 2024 weitergeht.

Medienberichte über die „schnell sinkende“ Inflationsrate ignorieren den Basiseffekt, der seit März die Statistik verzerrt. Weil die Inflation immer auf ein Jahr gerechnet wird, sind jetzt nämlich die zu Beginn des Kriegs in der Ukraine blitzartig gestiegenen Preise die Berechnungsgrundlage. Wenn gegenüber diesen Preisen die jährliche Erhöhung „nur“ 6 oder 7 statt 8% beträgt, ist das für alle, die die gestiegenen Preise im Alltag zahlen müssen, sicher kein Grund zum Jubeln. Zudem sind die 3000 Euro kein Ausgleich für die weiter steigenden Preise 2023, sondern eher eine nachträgliche Entlastung für die horrenden Energierechnungen und Lebensmittelpreise in 2022.

Anders als bei den Preisen gibt es bei den Löhnen eben keinen „Basiseffekt“ – wenn ein Tarifvertrag auf zwei Jahre abgeschlossen wird, gibt es erst nach diesen zwei Jahren wieder die Chance auf eine Lohnerhöhung.

Die in der Schlichtungsempfehlung vorgesehene Erhöhung kommt außerdem erst im März 2024 – sie müsste dann also die gesammelte Inflation seit der letzten Mini-Erhöhung vom April 2022 ausgleichen. Deshalb sind zwei Jahre Laufzeit zu lang und 14 Nullmonate deutlich zu viel.

Es gilt weiter die ursprüngliche Forderung: 500 Euro Lohnerhöhung rückwirkend ab Januar 2023. Die Einmalzahlung kann dafür kein Ersatz sein, sondern allenfalls eine Zugabe.

Schlichtungsempfehlung ablehnen, Urabstimmung durchführen!

Bei den ab 21.4. anstehenden Verhandlungen ist kein wesentlich besseres Angebot der Arbeitgeber zu erwarten. Die Vorbereitungen für Urabstimmung und Erzwingungsstreik laufen. Jetzt ist entscheidend, dass die Bundestarifkommission nicht einknickt und einem Abschluss auf Grundlage der Schlichtungsempfehlung zustimmt. ver.di erlebt seit Jahresbeginn das größte Mitgliederwachstum seit über 20 Jahren, mehr als 70.000 Kolleg*innen sind in die Gewerkschaft eingetreten, weil eine gute Forderung aufgestellt und dafür gestreikt wurde. Durch die Kampagne zur Urabstimmung und weitere Streiks können noch mehr Mitglieder gewonnen und ver.di weiter gestärkt werden.

Wenn aber ein enttäuschendes Ergebnis angenommen wird, drohen Resignation und Austritte. In sozialen Netzwerken und Chatgruppen von Kolleg*innen wird deutlich, dass kaum jemand die Schlichtungsempfehlung annehmbar findet.

Immer wieder hört man von nicht organisierten Kolleg*innen „streiken ist ja richtig, aber am Ende kommt doch wieder nichts dabei heraus“. Nach den Ergebnissen vieler Tarifrunden in den 2000er und 2010er-Jahren ist dieser Eindruck verständlich. Jetzt haben ver.di und GEW die Chance, zu zeigen dass es anders geht und damit eine Trendwende hin zu stärkeren Gewerkschaften zu schaffen. Während der größten Streikwelle in Deutschland seit langem  muss der öffentliche Dienst eine Vorreiterrolle für die Tarifabschlüsse bei der Deutschen Bahn, im Handel und in anderen Bereichen spielen, in denen in diesem Jahr Tarifrunden anstehen.