Angebot im öffentlichen Dienst: Schlicht unannehmbar

Im öffentlichen Dienst ist auch die dritte Verhandlungsrunde an einem schlechten Angebot von Bund und Kommunen gescheitert. In den nächsten Wochen kann aber nicht gestreikt werden – die Arbeitgeber haben eine Schlichtung erzwungen. 

von Thies Wilkening, Reinbek

Am 30. März hat die Bundestarifkommission von ver.di das Angebot der Arbeitgeber über eine in zwei Stufen aufgeteilte Lohnerhöhung um 8% bei 24 Monaten Laufzeit, also deutlichen Reallohnverlust, abgelehnt. Sie hat damit – zumindest vorerst – dem Druck der bürgerlichen Medien widerstanden, die nach dem Megastreiktag im Verkehr am 27.3. verstärkt gegen die Gewerkschaften, ihre „unnötigen“ Streiks und die „überzogenen“ Forderungen gehetzt hatten. Jetzt haben die Arbeitgeber die Schlichtung angerufen – damit gilt ab dem 1. April Friedenspflicht, Streiks sind bis zum Ende des Schlichtungszeitraums am 18.4. verboten. Nach der Schlichtung wird erneut verhandelt, erst danach kann es eine Urabstimmung über die Empfehlung der Schlichtungskommission oder, falls keine zustande kommt, über das Angebot der Arbeitgeber geben. Wenn in der Urabstimmung 75% der Kolleg*innen das Angebot oder die Empfehlung ablehnen, sind unbefristete Streiks möglich. 

Für echten Inflationsausgleich: Druck aufrechterhalten!

Es ist richtig, dass ver.di parallel zur Schlichtung die Urabstimmung vorbereitet und “Streikhelfer*innen” organisiert, um in den Dienststellen und Betrieben die Abstimmung vorzubereiten. Allerdings besteht die Gefahr, dass durch die mindestens drei Wochen Wartezeit zwischen Beginn der Schlichtung und Einleitung der Urabstimmung Dynamik verloren geht, während die Tarifkommission dem Druck der Arbeitgeber*innen und der Medien für einen “guten Kompromiss” ausgesetzt ist und die Kolleg*innen selbst keinen Druck auf der Straße machen können. Nach der Schlichtung und auch nach der Urabstimmung können erneute Verhandlungen stattfinden. In so einer Situation hat ver.di bei der Post einen schlechten Abschluss akzeptiert. Damit das im öffentlichen Dienst nicht passiert, braucht es die Beteiligung der ver.di-Mitglieder an der Basis. Betriebsgruppen sollten während der Schlichtung und möglichen Urabstimmung über die Situation diskutieren und Resolutionen für die Fortsetzung der Streiks beschließen. In der Zwischenzeit sollten weitere Demonstrationen und andere öffentlichkeitswirksame Aktionen folgen, damit die Dynamik nicht im Sand verläuft.

Jedoch braucht es starke, entschlossene und anhaltende Streiks mit Kolleg*innen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst und der Pflege, aus dem Nahverkehr, aus der Verwaltung und aus Bereichen, die hohen wirtschaftlichen Druck erzeugen können: Flughäfen, Schleusen, Häfen und andere Infrastrukturbetriebe. Weitere gemeinsame Streikaktionen mit Kolleg*innen von der Bahn können den Druck weiter erhöhen.

Die Streiks müssen so lange fortgesetzt werden, bis die Forderungen voll durchgesetzt sind.. Eine Laufzeit über zwei Jahre oder noch länger ist inakzeptabel, ebenso wie eine tabellenwirksame Erhöhung unterhalb der Inflationsrate. Die Verhandlungsführung muss in der Frage der Einmalzahlung konsequent bleiben – Christine Behle, Frank Werneke und andere Mitglieder der Bundestarifkommission haben immer wieder und zu Recht erklärt, dass eine Einmalzahlung eben kein Inflationsausgleich ist, sondern eher ein nettes Extra. Es darf kein Einknicken wie bei der Post geben, wo aus einem völlig inakzeptablen Angebot plötzlich ein „sehr gutes“ wurde und die Tarifkommission Argumente des Arbeitgebers übernahm, die sie vorher selbst widerlegt hatte.