Buchbesprechung: Die Autobiografie der Mother Jones

Im August jährt sich der Geburtstag der US-amerikanischen Arbeiter*innenführerin. Sie hatte wenig gemein mit ihren Zeitgenoss*innen wie Lenin oder auch Luxemburg. Sie kam nicht jung in die Bewegung – sondern wurde erst im Alter von 70 Jahren politisch aktiv. Sie machte keine größere theoretische Arbeit, kämpfte keine Streitfragen mit anderen Linken aus. Sie war nicht mal Mitglied einer Partei. In ihren Erinnerungen schreibt sie über ihren leidenschaftlichen Kampf für die Rechte der Bergarbeiter*innen und Stahlarbeiter*innen, deren Frauen und Kindern, dem sie ihre letzten 30 Lebensjahre widmete.

Mother Jones Erinnerungen kommen daher wie sie: Unauffällig, ohne Prunk und betagt (in Deutschland wird das Buch seit 40 Jahren nicht mehr aufgelegt, und es Bedarf Glück ein Exemplar zu bekommen). Es handelt sich auch nicht – wie bei anderen Marxist*innen – um eine Erklärung ihrer Haltung zu bestimmten Themen oder Rechenschaft über ihre Taten. Dabei erinnert sie sich in den einzelnen Kapiteln an Kämpfe zu denen sie gereist ist, oft im Auftrag oder mit der Unterstützung der UMW (Gewerkschaft der Minenarbeiter). Immer wieder kommt sie in Orte, in denen die Arbeiter*innen unter schrecklichen Bedingungen hausen, entrechtet werden, Gewalt ausgesetzt sind und hungern. Sie wird Zeugin von Kinderarbeit, Misshandlungen, Not und Elend. Die Arbeiter – die sie oft „ihre Jungs“ nennt, organisiert sie in der Gewerkschaft (oft heimlich in der Nacht), hält flammende Reden, und führt Aktionen durch. Dabei ist sie ein Teil der Bewegung, und kommt nicht um die Menschen zu belehren. Sie lebt unter ihnen, hilft wo sie kann. Sie teilt Suppe aus, pflegt Kranke, passt auf Kinder auf. Ihr Name kommt nicht von ungefähr, sondern gibt wieder, wie sie sich für die Bewegung einsetzte. Für die Jüngsten engagiert sie sich ohnehin besonders. Mehrfach organisiert sie Märsche von Kindern, die in jungen Jahren schon vor der schweren Arbeit in Spinnereien verkrüppelt und verstümmelt sind. Sie kämpft für einen besseren Schutz vor Kinderarbeit, für Schulen und Arbeitszeitbegrenzung. Immer wieder berichtet sie in ihren Erinnerungen emotional von dem schrecklichen Leid der Kinder, vor dem sie nie die Augen verschloss.

Sie hatte ein unglaubliches Gespür für die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse. Sie führte viele Aktionen gezielt mit den Frauen der Arbeiter*innen durch (bei denen sie zum Beispiel Streikbrecher mit Mobs bewaffnet davon jagten), gleichzeitig lehnte sie jedoch den bürgerlichen Feminismus, der nur für ein Frauenwahlrecht kämpfte, ab, und argumentierte dafür, die Frauen in den Kämpfen ihrer Klasse zu organisieren. Immer wieder machte sie Solidaritätsarbeit und setze sich gegen Spaltung jeglicher Art ein und redete gegen Vorteilsnahme und Bürokratie.

Auch wenn nicht jede Position die Mother Jones vertreten hat, richtig war – zum Beispiel war sie für die traditionelle Rollenaufteilung der Geschlechter – und sie oft Illusionen in die Regierung, Staatsmänner, Priester und Geschäftsleute hatte. So war sie vor allem eines: eine glühende Kämpferin der Arbeiter*innenklasse. Und ihre Erinnerungen, die sie mit fast 100 Jahren aufschrieb, sind ein glühendes Zeugnis der Kämpfe, die sie anführte: Mitreißend, hoffnungsvoll, inspirierend.