Heard vs. Depp – Medien und Fans vs. Frauen

Einen gewalttätigen Partner anzuzeigen ist schwer und mutig. Im Verleumdungsprozess Depp vs Heard betrachteten die Medien und sozialen Netzwerke Amber Heard von Beginn an als „schuldig bis zum Beweis der Unschuld“ und Johnny Depp als „armen Mann, der von einer verrückten Frau diffamiert wird“. Das ist ein Angriff gegen alle Personen, insbesondere Frauen, die unter Gewalt eine*r Partner*in leiden.

Ben Wallach und Linda Fischer

Die zehn Millionen Euro Entschädigung für Johnny Depp sind eine Warnung an Betroffene: Wenn du den Täter öffentlich beschuldigst, kann er dich wirtschaftlich ruinieren. Das schafft eine weitere Ebene der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom (Ex-)Partner über das Ende der Beziehung hinaus.

Während des Prozesses gab es ständig Vorwürfe gegen Heard wegen ihres Verhaltens im Gerichtssaal. . Ein Jurymitglied äußerte in einem Interview, dass die Jury Ambers „Krokodilstränen“ nicht geglaubt habe. Wenn sie nicht weinte wurde behauptet, dass eine Überlebende von Gewalt sich nicht so apathisch verhalte. Über Johnny Depp hieß es, dass er glaubwürdig sei, weil er während des Prozesses so „emotional stabil“ war. Diese Aussagen verdeutlichen, wie tief verwurzelt Sexismus in unserer Gesellschaft, den Medien und bei Gericht ist. 

Es gab unendlich viele Zeitungsartikel, Paparazzi-Bilder und Angriffe in den sozialen Medien, teilweise über Bots organisiert. Unzählige Memes, die sich über Heard lustig machen, verharmlosen Gewalt gegen Frauen.

Gewalt gegen Männer

Frauen und genderqueere Personen sind viel häufiger von häuslicher Gewalt als Männer betroffen, aber es gibt Fälle von Gewalt gegen Männer.. Viele der Depp-Verteidiger*innen nutzen diesen Gerichtsprozess nicht, um männliche Betroffenen zu unterstützen, sondern um Heard anzugreifen und weibliche Betroffene zu diskreditieren. Jede*r soll die Möglichkeit haben, eine gewaltsame Beziehung zu verlassen und gegen den*die gewalttätige*n Partner*in vorzugehen. Wenn es Depps Fans um Unterstützung männlicher Betroffener gehen würde, wären Informationen über Beratungsstellen und die Forderung nach Unterstützungsangeboten wie Schutzhäuser sinnvoll. Egal, ob man Depp oder Heard glaubt, Heard zu haten bringt hier keine Verbesserungen. 

Auswirkungen auf alle Betroffenen

Seit #MeToo gibt es immer häufiger Verleumdungsklagen gegen Betroffene. Depp wollte Heard vor Gericht erniedrigen. In einem Zivilprozess zwischen reichen Stars können beide Seiten viel Geld dafür ausgeben. Eine Betroffene aus der Arbeiter*innenklasse würde dadurch ruiniert. Urteile wie dieses zwingen Betroffene zu schweigen, weil sie sich finanziell und emotional so einen Kampf nicht leisten können.

Was für eine Alternative?

Auch in Deutschland kommen nur sehr wenige sexualisierte Gewalttaten und Vergewaltigungen zur Anzeige, und noch weniger werden verurteilt. Viele Frauen haben Angst, von Behörden und ihrem Umfeld gedemütigt und selbst verurteilt zu werden. Prozesse und die öffentliche Berichterstattung wie bei Heard vs. Depp verstärken diese leider berechtigte Angst. Juristische Verurteilungen helfen Betroffenen außerdem zum Teil nicht weiter. In sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaften etwa führt eine Geldstrafe des Täters indirekt zu finanziellen Einbußen für Opfer und Kinder.
Auf Justiz und Staat ist kein Verlass, da diese Institutionen selbst zutiefst patriarchal geprägt sind und Klassenjustiz betreiben. Wir müssen uns gegen sexistische Gesetzgebung und Rechtsprechung organisieren. Wir fordern die Wähl- und Abwählbarkeit von Richter*innen, Staatsanwält*innen und polizeilichen Ermittlungsbeamt*innen – sie müssen der öffentlichen Kontrolle durch Jurist*innen, Gewerkschaften und Frauen*organisationen unterliegen. Wir brauchen kostenlose juristische, soziale und psychologische Betreuung für Frauen und Kinder, die Opfer sexualisierter oder häuslicher Gewalt wurden und ein flächendeckendes Angebot an gut ausgebauten selbstverwalteten transinklusiven Frauenhäusern, Beratungsstellen, Notrufen und Notfallwohnungen!

Sexistische Gewalt nimmt weltweit zu und wurzelt vor allem in der patriarchalen Familienstruktur, die von Anfang an eine wirtschaftliche und soziale Grundlage der Klassengesellschaft war. Die meisten Gewalttaten gehen von einer einzelnen Person aus, in der Regel von einem männlichen Partner oder Familienmitglied. Bei dieser Gewalt geht es im Kern um die Kontrolle über die Sexualität und den Körper der Frauen. 

Sexistische Ideen und Verhaltensweisen spiegeln die Art der Gesellschaft wieder, in der wir leben. Der Kapitalismus basiert auf Ausbeutung und ungleichen Machtverhältnissen. Die Spaltung der Arbeiter*innenklasse, einschließlich des Sexismus, der den Tätern geschlechtsspezifischer Gewalt die Illusion von Macht vermitteln kann, ist damit im Interesse der Herrschenden, ihres Staates und ihrer Medien.

Foto: Socialist Party (Irland)