Lesetipp: Huschke Mau zur Prostitution

Entmenschlicht

Prostitution ist gesellschaftlich geduldete sexuelle Gewalt, sagt Prostitutionsüberlebende Huschke Mau, deren Buch „Entmenschlicht“ den Untertitel „Warum wir Prostitution abschaffen müssen“ trägt. In einem Werk, das halb Autobiographie und halb Bestandsaufnahme der Situation in der BRD ist und das einem beim Lesen teils auf den Magen schlägt, macht sie eindrücklich deutlich, wie die sozial Schwächsten unter uns in das System Prostitution geraten, dort festgehalten und ausgebeutet werden, wie sie das verändert – und was getan werden muss, um die Situation zu verbessern.

Von Saskia Nitschmann, Berlin

Huschke Mau wurde bereits in ihrer Kindheit vom Vater misshandelt. Mit 17 lief sie von Zuhause weg und fand Unterkunft in einem Mädchenheim, musste aber schnell lernen, dass sich für Mädchen wie sie bei den Ämtern niemand zuständig fühlt. Aus Geldnot ging sie auf eine Anzeige ein und geriet an ihren ersten Zuhälter – einen Polizisten.

Schwer zu ertragen

„Entmenschlicht“ ist nicht nur die Lebensgeschichte einer bestimmten Frau, sondern auch die des deutschen Prostitutionssystems einschließlich der Gesetzgebung und ihrer Auswirkungen. Huschke Mau erlaubt ihren Leser*innen, sie durch ihren Alltag im Escort und in zwei Wohnungsbordellen zu begleiten, durch die Annoncen, die Gespräche mit Freiern, die Termine, die Zusammenbrüche und die Drogenabhängigkeit, die die täglichen Misshandlungen erträglich machen soll. Sie zeigt, wie Prostitution tatsächlich aussieht, und was das mit einer macht, Nacht für Nacht Männern, die sie nicht will, eine Rolle vorzuspielen und sich von ihnen anfassen lassen zu müssen.

Besonders eindrücklich erzählt sie von den Männern, wegen denen Prostitution stattfindet: den Zuhältern und den Freiern, die gemeinsam von der sexuellen Ausbeutung von Frauen profitieren. Männer, die von der Zwangslage der meisten Frauen wissen und denen es bestenfalls egal ist. Männer, denen die deutsche Gesetzeslage zur Prostitution in die Hände spielt. Das ist manchmal schwer zu lesen, denn die geschilderte Gewalt, die zutiefst frauenfeindliche und abwertende Behandlung und das Besitz- und Anspruchsdenken der Freier sind massiv und eindeutig. Besonders bedrückend war das beispielhafte Telefonat zur Terminabsprache, in dem die Leser*innen aufgefordert werden, sich selbst gedanklich oder laut einem hypothetischen Freier zu beschreiben, um diesen zur Buchung zu bewegen – ein Einblick in die Objektifizierung und Entmenschlichung, die prostituierte Frauen tagtäglich über sich ergehen lassen müssen, um an Geld zu kommen.

Normaler Job?

Sie schreibt auch über ihren Ausstieg, darüber, wie wenig die zuständigen Stellen sensibilisiert sind und sich niemand für die prostituierten Frauen zuständig fühlt. Selbst spezialisierte Beratungsstellen boten ihr keine Hilfe dabei, die Prostitution zu verlassen – denn die Politik hat diese zum normalen Job erklärt, eine Einstellung, die für Huschke Mau realitätsfern ist. Ihre Forderung: das Nordische Modell auch in Deutschland einzuführen, gesellschaftlich aufklären, und den Frauen, die größtenteils durch Armut, Missbrauch und Einstiegshelfer, also Zuhälter, in die Prostitution geraten und dort dann festsitzen, Ausstiegshilfen bereitzustellen. Den Ausstieg schaffte Huschke Mau letztendlich trotzdem auch ohne die Beratungsstellen, mühsam und allein. Frauen in ähnlicher Situation können sich nun an das von ihr gegründete Netzwerk Ella wenden.

Abwechselnd mit eigenen Erlebnissen, Statistiken und Zitaten (auch von Freiern) macht sie deutlich, dass Ausbeutung, Menschenhandel und sexuelle Gewalt keine Einzelfälle oder schlechte Arbeitsbedingungen sind, sondern setzt das System Prostitution selbst auf die Anklagebank. Sollten wir als Gesellschaft eine Industrie dulden, die mit Frauenkörpern handelt, Gewalt erlaubt, rassistische Stereotypen vermarktet, sexuellen Konsens durch Geld ersetzt und ein Bild von Sex normalisiert, bei dem nur ein Beteiligter Spaß, Lust, oder eine eigene Sexualität hat? Huschke Mau sagt nein, und wir sollten uns ihr anschließen.

Huschke Mau. Entmenschlicht: Warum wir Prostitution abschaffen müssen. Edel Books 2022. ISBN 9783841907943, 19,95 Euro. Website/Blog von Huschke Mau: https://huschkemau.de/

Zur Debatte um Prostitution findet ihr hier unseren letzten ausführlicheren Artikel: https://www.sozialismus.info/2021/10/debatte-zur-prostitution-verbieten-oder-akzeptieren/

Bild: Edel Books