EMMA: Ein Nachruf

Am 26.1.1977 erschien die erste Ausgabe der Frauenzeitschrift EMMA. Die Zeitschrift und vor allem ihre Herausgeberin Alice Schwarzer wurden zu Ikonen der zweiten Frauenbewegung. Als feministische Zeitschrift, die von Frauen für Frauen geschrieben wurde und unter anderem Themen wie sexistische Gewalt, Berufstätigkeit und Sexualität behandelte, wurde die EMMA bei ihrem Erscheinen heftig angegriffen. Die Süddeutsche Zeitung nannte Schwarzer eine „frustrierte Tucke“.

Von Ianka Pigors, Hamburg

Als Kind der aus der 68er-Bewegung entstandenen neuen feministischen Welle vertrat EMMA durchaus fortschrittliche Forderungen, so wurde die der Vergesellschaftung der Hausarbeit gefordert. Allerdings gab es für ihre Herausgeberin nur ein gesellschaftliches Grundübel: das Patriarchat. Der Umstand, dass wir in einer Klassengesellschaft leben, war ihr nicht wichtig, die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse nur interessant, wenn sie rein feministisch gedeutet werden konnten.

So wurde zum Beispiel in der zweiten Ausgabe aus einer erfolgreichen betrieblichen Auseinandersetzung in einem mittelständischen Betrieb mit 80% weiblichen Beschäftigten, indem es um gewerkschaftliche Rechte, Löhne und Arbeitsbedingungen ging, ein „Frauenstreik“. Dass die spontane Arbeitsniederlegung stattfand, weil der männliche IG-Metall-Bevollmächtigte vom Chef ein rechtswidriges Hausverbot erhalten hatte, wurde am Ende des Artikels nur knapp erwähnt.

Die Schlussfolgerung, dass die Kolleg*innen konkrete Verbesserungen durchsetzen konnten, weil Frauen und Männer gemeinsam gekämpft haben, wurde nicht gezogen. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, welche Kampfkraft die Arbeiter*innenklasse entwickeln kann, wenn sie sich nicht spalten lässt, sah Schwarzer alle Männer unabhängig von Klassenzugehörigkeit, ethnischer Herkunft und sexueller Orientierung als Gegner und alle Frauen als potentielle Verbündete. Viele der politischen Missgriffe, die sich die EMMA im Allgemeinen und Schwarzer im Besonderen seither geleistet haben, haben hier ihre Wurzel.

Bürgerliche Betriebsblindheit

Ein Beispiel ist Schwarzers Kampf gegen das Kopftuch. Sie erkennt richtig, dass Religionen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung traditioneller Rollenbilder spielen. Ihre Forderung nach Trennung von Kirche und Staat und der Verbannung religiöser Symbole aus öffentlichen Einrichtungen ist nicht falsch. Problematisch wird es, wenn gefordert wird, Angehörigen diskriminierter Minderheiten das Tragen religiöser Symbole, die mit ihrer ethnischen Zugehörigkeit assoziiert werden, zu verbieten.

Schwarzer fordert unter anderem ein Kopftuchverbot für Muslima, weil dieses Kleidungsstück für sie die sexistische Unterdrückung der Frau im Islam symbolisiert. Die Tatsache, dass Islamfeindlichkeit im Westen keine Religionskritik sondern eine Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist, spielt für sie keine Rolle, denn für sie geht es nur um Frauenunterdrückung. Sich als Frau nicht in erster Linie mit „der Sache der Frauen“, sondern zuerst oder auch nur auch mit der eigenen rassistisch benachteiligten Community oder der eigenen ausgebeuteten Klasse zu solidarisieren, ist nach Schwarzer keine Option.

So vertritt sie in letzter Konsequenz nur die Interessen der kleinen Gruppe der weißen gutsituierten Frauen, die neben dem Sexismus keine anderen Probleme haben.

Staatlicher Feminismus für Reiche

Es ist deshalb kein Wunder, dass die EMMA es in der aktuellen Ausgabe als Fortschritt feiert, dass immer mehr Frauen, die Unternehmen von ihren Väter erben, die Geschäftsleitung übernehmen. Gesellschaftliche Ungleichheit spielt keine Rolle solange die Frauenquote bei Ausbeuter*innen und Ausgebeuteten gleichermaßen beachtet wird.

Ohne die Klassengesellschaft und ihre Funktionsweise mit allen ineinander greifenden Formen der Diskriminierung zu verstehen, hält Schwarzer den Staat für ein neutrales Werkzeug und stellt immer wieder Forderungen nach neuen Verboten. So auch 1987, als die EMMA eine Kampagne für ein Gesetz zum Verbot von Pornographie führte. Auf dem Höhepunkt dieser „PorNo-Kampagne“ stoppte der Vertrieb die Auslieferung der Dezember-Ausgabe. Mit der Abbildung der Cover von Pornoheften hatte die EMMA angeblich selbst gegen das bestehende Pornographieverbot verstoßen. Der gesamte Vorgang ist ein Lehrstück darüber, dass staatliche Verbote und Repressionen immer ein zweischneidiges Schwert sind, das vor allem gegen fortschrittliche Bewegungen eingesetzt wird. Leider hat Schwarzer es nicht verstanden.

Auch wenn ihr Name noch vielen bekannt ist, spielt die EMMA in der aktuellen antisexistischen Bewegung keine Rolle. Eine neue Generation von Aktivist*innen beginnt zu verstehen, dass der Kampf gegen alle Formen von geschlechtsbezogener Diskriminierung, aber auch gegen Rassismus und andere Unterdrückungsverhältnisse nicht gewonnen werden kann, solange die Ausbeutung und Unterdrückung der Klassengesellschaft nicht solidarisch überwunden wird.

Der bürgerliche Feminismus der EMMA, der die Sichtweise auf einen einzigen Aspekt verengt, bietet angesichts der zahlreichen existenziellen Probleme, mit denen sich gerade Frauen im Kapitalismus konfrontiert sehen, keine Antworten.

TERFs und Transphobiker*innen

TERFs (trans-ausschließende radikale Feministinnen) sprechen trans Frauen ab, Frauen zu sein und die EMMA steht dabei an vorderster Front. In einem Online-Artikel vom 19.1.2022 spricht EMMA der Grünen-Politikerin Tessa Ganserer ab, eine Frau zu sein, nennt sie einen „physischen und juristischen Mann“ und behauptet, „er“ habe „den Frauen“ einen Quotenplatz auf der Bundestagsliste gestohlen. EMMA vertritt seit Jahren „TERF-Positionen“, kämpft gegen die rechtliche Gleichstellung von trans Menschen und warnt vor der „Fehldiagnose trans“ – wie übrigens auch die Intellektuellen-BILD „Die Welt“ in einem Artikel vom 14. Januar. Was mit TERFs nicht stimmt, woher ihre falschen Positionen kommen und wie sozialistische Feminist*innen sowohl gegen Transfeindlichkeit als auch für die Rechte aller Frauen kämpfen, diskutieren wir demnächst auf unserer Webseite sozialismus.info.