Überall Kameras, nirgendwo Gerechtigkeit

Im Kölner Stadtteil Kalk gingen eine Woche vor Weihnachten 80 Menschen auf die Straße, um gegen die ab Januar geplante Überwachung durch von der Polizei aufgestellte Kameras zu protestieren.

Von Claus Ludwig, Köln

Entlang der gesamten Einkaufsstraße sowie in einer Seitenstraße und vor einer S-Bahn-Station sollen 26 Kameras installiert werden, die dauerhaft alle filmen, die sich dort bewegen. Damit gäbe es in Köln 106 stationäre Kameras, die Hälfte aller überhaupt in Nordrhein-Westfalen installierten Geräte.

Angeordnet wurde die Überwachung vom Kölner Polizeipräsidenten. Die Bereitstellung der Mittel erfolgt durch das Land NRW. Der Rat der Stadt Köln und die Bezirksvertretung wurden nicht gefragt, Letztere wurde nicht einmal darüber informiert. Es gab im Stadtteil keinen öffentlichen Dialog.

Die Demonstration wurde kurzfristig auf Initiative von SAV-Mitgliedern organisiert und angemeldet. Die Initiative „Kameras stoppen“ informierte in ihrem Beitrag über ihre Erfolge im Kampf gegen die Überwachung. Mit Mobilisierung und Klagen vor Gerichten gelang es der Initiative, die Kameraüberwachung des Breslauer Platzes am Kölner Hauptbahnhof zu stoppen, weil die Polizei nicht nachweisen konnte, dass dieser Platz ein Kriminalitätsschwerpunkt ist. Weitere Reden gab es vom „Solidaritätsnetzwerk“ und von Manuela Grube, Vorsitzende der Grünen in der Bezirksvertretung.

Kriminalität sinkt nicht

Angeblich sollen die Kameras dazu dienen, Kriminalität zu verhindern. Doch alle Untersuchungen deuten daraufhin, dass die Kameras für Straftäter*innen nicht abschreckend wirken und Straftaten bestenfalls in andere, nicht überwachte Straßen verdrängt werden. “Knapp 4,5 Millionen Kameras sind in den Straßen, Bahnhöfen und Einkaufszentren Großbritanniens montiert. Scotland Yard nennt die Video-Überwachung jetzt ein Fiasko.”(SZ,17.05.2010).

Die Argumente von Kamera-Befürworter*innen handeln oft nicht von Kriminalität, sondern von “gefühlter Sicherheit”. Ihnen ist der Stadtteil zu dreckig. Es hielten sich dort viele Menschen mit Problemen auf, Drogen oder Alkohol, Obdachlose, bettelnde Menschen, es würde zu viel gepöbelt. Durchaus richtig, vor allem die Zahl der Obdachlosen hat zugenommen. Aber das ist keine Kriminalität. Diese Probleme können nicht polizeilich bearbeitet werden, es geht um Armut, Wohnungsnot, hohe Mieten, Mangel an Sozialarbeit und psychologischer Hilfestellung. Die Entkriminalisierung von Drogenkonsum würde die statistische Kriminalität deutlich sinken lassen. Kameras und Polizei helfen dabei nicht. Die Kameras setzen vor allem Menschen polizeilicher Beobachtung aus, die als “verdächtig” gelten, Drogenkonsument*innen, Wohnungslose, Migrant*innen, Schwarze Menschen. Mehr Kameras bedeuten mehr racial profiling.

Die ohne demokratische Debatte von der Polizei verhängte Überwachung ist ein Angriff auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller Anwohner*innen. Sie führt zu einer (weiteren) Stigmatisierung des Stadtteils als krimineller Brennpunkt.

Die Demonstrierenden forderten in Sprechchören und Plakaten bezahlbare Wohnungen und gute Gesundheitsversorgung für alle sowie Jobs, von denen man existieren kann. Mehr Polizei führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr Gerechtigkeit, sondern zu mehr Unterdrückung, Ausgrenzung und Gewalt.