Kapitalismus und Krieg

Der preußische General Clausewitz prägte den Satz, der Krieg sei die „bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Krieg fällt nicht vom Himmel, er ist nichts Unverständliches, Überraschendes, er resultiert aus den Interessen derjenigen, die Politik machen, aus den Interessen der jeweils Herrschenden.

von Claus Ludwig, Köln

Im Kapitalismus ist der Krieg die Fortsetzung der Konkurrenz der Unternehmen mit anderen Mitteln. Das Kapital ist international in dem Sinn, dass es eine weltweite Arbeitsteilung gibt, Produktion und Absatz eines Konzerns in vielen Ländern stattfinden. Aber es nach wie vor national in dem Sinn, dass die Unternehmen den Staat, in dem sie am stärksten verankert sind, nutzen, um ihre Interessen auf der politischen Ebene durchzusetzen, ob diplomatisch oder militärisch. Angela Merkel kämpfte in Brüssel wie eine Löwin, um die deutschen Autofirmen vor allzu strengen Abgasnormen zu schützen. Das US-Militär half 1953, den gewählten iranischen Präsidenten Mossadegh zu stürzen, damit die Mineralölkonzerne Zugriff auf das iranische Öl bekommen.

Der Kapitalismus kann nie ganz friedlich sein. Das System selbst ist durch kriegerischen Raub entstanden. Die ursprüngliche Akkumulation des europäischen Kapitalismus wurde finanziert durch die Plünderung der Edelmetalle Lateinamerikas.

Weniger Frieden nach 1990

Es gibt Gründe, warum die herrschende Klasse eines Landes vor einem Krieg zurückschreckt – der Gegner zu stark, die Operation zu riskant, die Bevölkerung zu sehr dagegen. Vor 1990 begrenzte der Systemgegensatz mit den nicht-kapitalistischen Staaten des Ostblocks die militärischen Konflikte, nicht nur aufgrund der Gefahr der gegenseitigen atomaren Vernichtung, sondern auch, weil es sich um eine bipolare Ordnung mit klaren Fronten handelte. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks ist dieser Faktor weggefallen.

Heute konkurrieren diverse kapitalistische Staaten um Absatzmärkte, Rohstoffe und geostrategische Machtpositionen. Der ökonomische und politische Verfall des US-Imperialismus ist unaufhaltbar, ebenso der Aufstieg Chinas. Daneben existieren allein in der Nahen und Mittleren Osten sowie Südasien starke regionale Mächte wie die Türkei, Iran, Israel, Saudi-Arabien, Pakistan und Indien, die teilweise und zeitweise in der Lage sind, eine eigene Agenda zu verfolgen. Dazu kommt Russland, wirtschaftlich angeschlagen, aber militärisch-geostrategisch eine harte Konkurrenz zum westlichen Block.

30-jähriger Krieg

Aus heutiger Perspektive war der US-geführte Angriff auf den Irak 1991 der Beginn eines nun schon 30 Jahre dauernden Krieges im Nahen und Mittleren Ostens.

Der Machtblock um die USA hat die Kriege im Irak, gegen Serbien und in Afghanistan gewollt, organisiert und geführt. Weitere Konflikte sind entstanden, weil Staaten, die zu Verlierern der kapitalistischen Konkurrenz wurden, ökonomisch und politisch zerfielen, in Libyen, Syrien oder Mali. Das Eingreifen verschiedener regionaler und weltweiter Mächte hat diese Kriege angeheizt und verlängert.

Während die Niederlagen des Westens im Irak und Afghanistan zu einer Beruhigung dieser Region führen könnten wird das Südchinesische Meer zu einem Aufmarschgebiet. Die USA versuchen, ein Bündnis gegen China zu schmieden, mit Vietnam, Japan, Südkorea und anderen Staaten. Alle Seiten rüsten massiv auf.

Kommende Konflikte

Ein Krieg zwischen den großen Mächten steht nicht auf der unmittelbare Tagesordnung. Während die USA und China stark konkurrieren, ist gleichzeitig die ökonomische Abhängigkeit sehr groß. Dazu kommt das Risiko umfassender Zerstörung durch die atomare Bewaffnung aller Seiten.

Doch eine gefährliche Eskalation von Stellvertreterkriegen kann in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen werden. Der Kapitalismus ist ein System des Raubes. Seine Protagonist*innen können nicht immer „vernünftig“ sein, ihre wirtschaftlichen Interessen treiben sie über die Vernunft hinaus. Das System ist nicht durch die UNO oder Abkommen zähmbar.

In der Aufstiegsphase war der Kampf um Absatzmärkte dominant. In dieser Zeit der Verschärfung der Klimakrise, welche den Zugang zum Beispiel zu Wasser und ertragreichen landwirtschaftlichen Flächen zu einem Machtfaktor werden lässt, rückt der Kampf um knappe Ressourcen in den Fokus.

Endgültig werden wir die Kriegsgefahr nur überwinden, wenn wir den Kapitalismus stürzen und ihn durch ein demokratisches System mit einer geplanten Wirtschaft im Interesse der Mehrheit der Menschen und die Konkurrenz durch internationale Kooperation ersetzen.