Wer hat eine Lösung für die Klimakrise?

In einem Artikel mit dem Titel „Verstehen, welche Herausforderung es ist, eine entsetzliche Zukunft abzuwenden“ kommen 17 Klimaforscher*innen aus unterschiedlichen Ländern zu dem Schluss: „Das Ausmaß der Bedrohungen für die Biosphäre und all ihre Arten, darunter auch die Menschheit, ist derart groß, dass es selbst für gut unterrichtete Expert*innen schwierig ist es zu erfassen“.

Rebecca Green, Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SAV und Sektion der ISA in den USA)

Dass die Temperaturen global ansteigen werden, ist uns allen bekannt. Die o.g. Wissenschaftler*innen haben nun aber eine wesentlich längere Liste an Symptomen vorgelegt, die uns als Folge einer ungehemmten Klimakatastrophe bevorstehen: massenweises Artensterben, ein nie dagewesenes Ausmaß an Migrationsbewegungen, Zunahme von Pandemien, extreme Wetterphänomene sowie Lebensmittel-, Trinkwasser- und Bodenknappheit. Zu dieser vielschichtigen Mehrfach-Krise wird es kommen, wenn wir nicht von oben bis unten für eine Grunderneuerung der Gesellschaft und das Ende des profitgetriebenen Wirtschaftssystems namens Kapitalismus kämpfen.

Unter der Zwischenüberschrift „Politisches Unvermögen“ liefern diese Wissenschaftler*innen Details zur widersprüchlichen Realität einer sich rapide verschlechternden Klimasituation und der verstärkten Kollision von Landesinteressen, die – sollten sie weiter fortbestehen – der Art von internationaler Zusammenarbeit im Wege stehen, die nötig ist, um eine ausgewachsene Klimakatastrophe zu verhindern.

Die Lage ist derart gravierend, dass sich ein Teil der herrschenden Klasse schon zum Handeln gezwungen sieht. So wurde das „Weltwirtschaftsforum 2020“ vom Magazin „Time“ bereits zur „Klimakonferenz“ hochstilisiert. US-Präsident Biden hat seine vom Klimawandel geprägten Vorschläge für ein Infrastruktur-Programm vorgelegt und Unternehmen haben Zusagen zur Reduzierung ihrer Emissionen gemacht. Für manche ist all dies Grund zur Hoffnung. Doch selbst, wenn Einigkeit herrschen würde, dass man gegen den Klimawandel kämpfen muss, geht der Wandel, der auf Grundlage einer auf Wettbewerb basierenden freien Marktwirtschaft möglich ist, viel zu langsam vonstatten. Wir brauchen eine sozialistische Transformation der Gesellschaft auf ökologischer Grundlage, die nur durch eine echte Revolte der weltweiten Arbeiterklasse erreicht werden kann.

Das Klima – eine Situationsbeschreibung

Die Marke von einem Grad Celsius weltweiten Temperaturanstiegs im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ist bereits durchbrochen. Aktuell befinden wir uns auf dem Weg, zwischen 2030 und 2052 die Anstiegsmarke von 1,5°C zu erreichen. Selbst wenn die Ziele zur Reduzierung der Emissionen aus dem viel gepriesenen Pariser Klimaabkommen erreicht werden (was bisher fast nirgendwo der Fall ist), würden wir im Jahr 2100 bei einem Temperaturanstieg von 2,6°C bis 3,1°C liegen. Angaben der „international scientific community“ (Wissenschaftsgemeinschaft) zufolge wäre aber alles über der 1,5°C-Marke eine Katastrophe.

Mit der durch die Kohle befeuerten industriellen Revolution und dem Aufstieg des britischen Kapitalismus haben die Mengen an ausgestoßenem CO2, Methan und Stickstoff (drei langlebige Treibhausgase, die zur Erderwärmung beitragen) seit 1750 begonnen dramatisch zuzunehmen. Der Imperialismus hat dann die Methoden der Verbrennung fossiler Energieträger, des Ressourcenabbaus und der industriellen Produktion auf den gesamten Globus ausgeweitet.

Heute sind die Strom- und Wärmeerzeugung die größten Quellen für Treibhausgase. Mit weltweit 25 Prozent tragen sie vor allem zur Erwärmung des Planeten bei, gefolgt von der Land- und Forstwirtschaft und anderen Formen der Bodennutzung (24 Prozent) sowie der Industrie mit 21 Prozent. Seit 1992 haben die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft und der Industrie um 60 Prozent zugenommen. Von 1990 bis 2005 sind die Emissionen in der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen. Der absolute Großteil dieser Treihausgas-Emissionen seit dem Aufstieg des Kapitalismus bis heute stammt unmittelbar von den Konzernen.

Wissenschaftler*innen haben davor gewarnt, dass wir eine Reihe von entscheidenden Momenten entweder erreicht oder schon überschritten haben, bei denen es sich im Klimasystem um „unumkehrbare Wegmarken“ handelt – mit nicht mehr vermeidbaren dramatischen Folgen. Die Umwandlung des Regenwalds am Amazonas in eine Savannenlandschaft, das Abschmelzen des Eisschilds in der westlichen Antarktis und der völlige Zusammenbruch des Golfstroms sind bereits in vollem Gange. Die Konsequenz ist ein Kollaps der Biodiversität, riesige Kohlenstoff- und Methanablagerungen in der Atmosphäre, ein extremer Anstieg des Meeresspiegels sowie nicht mehr zu kontrollierende Wetterverhältnisse.

In den letzten 20 Jahren hat die Anzahl an klimarelevanten Extremwetter-Phänomenen weltweit um 83 Prozent zugenommen, wodurch 1,23 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben. Große Überschwemmungen sind doppelt so oft vorgekommen, und um 40 Prozent häufiger zu verzeichnen waren schwere Stürme. Im vergangenen Jahr kam es im Westen zur schlimmsten Waldbrandperiode seit Aufzeichnung der Wetterdaten. Der Südosten hat alle Rekorde bei der Anzahl der Tropenstürme und Hurrikane gebrochen.

All dies wird sich exponentiell noch zuspitzen. Gerade jetzt erleben die Menschen an der Westküste die schlimmste Dürre seit 1.200 Jahren. Ausbleibender Regen und eine zu geringe Schneedecke (gefrorene Reservoirs, aus denen im Frühjahr und Sommer Wasser abgegeben wird) deuten darauf hin, dass uns die schlimmste Saison bevorsteht, die es jemals gegeben hat. Und schon jetzt wüten jeweils zwei Flächenbrände in Kalifornien, Arizona und Neu Mexiko. Mit einer Erwärmung des Klimas und immer schlimmeren Dürren wird es den Prognosen der Bundesregierung zufolge bis 2040 westlich des Missouri „nahezu flächendeckend“ zu extremer Wasserknappheit kommen. Der Grundwasserleiter Ogallala Aquifer, der fast ein Drittel der Grundwassermengen des Landes liefert und von dem ein Sechstel der weltweiten Getreideproduktion abhängt, könnte bis Ende des Jahrhunderts versiegen.

Als Reaktion auf die Dürren haben die Behörden des Bundesstaats New Mexico die Landwirt*innen, die Wasser aus dem Rio Grande und anderen Flüssen entnehmen, angewiesen, den Anbau von Getreide zu unterlassen, wenn es nicht absolut nötig ist. Überschwemmungen, Dürren, Stürme, Flächenbrände und die globale Erwärmung stellen eine dramatische Bedrohung für unsere Wohnungen, unsere Wohnviertel und unsere Wasser- und Lebensmittelversorgung dar. Weltweit leben bereits eine halbe Milliarde Menschen an Orten, die aufgrund zerstörerischer landwirtschaftlicher Praktiken und der Erwärmung zu Wüsten werden. Dadurch werden die Möglichkeiten eliminiert, überhaupt noch etwas anbauen zu können. Was die Lebensmittelversorgung angeht, hängen weltweit eine Milliarde Menschen von Korallenriffen ab. Jetzt droht ihnen wegen der Erwärmung der Meere die Vertreibung.

Der auf das Schmelzen des Polareises zurückzuführende Anstieg des Meeresspiegels wird extreme Überschwemmungen, den Verlust bisheriger Küstenbereiche für die Lebensmittelproduktion und die Umsiedlung ganzer Siedlungsflächen nach sich ziehen. Bis 2060 geht man von 13 Millionen Menschen aus, die allein in den USA gezwungen sein werden, die dann überschwemmten Küstenbereiche zu verlassen. Das entspräche der größten Migrationswelle innerhalb des Landes in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

2019 haben wetterbedingte Gefahrenlagen 24,9 Millionen Menschen in 140 Ländern zum Wegzug gezwungen. Schätzungen gehen davon aus, dass es bis 2050 mit Bezug auf die dauerhafte Lebensmittel- und Wasserknappheit zu einer umweltbedingten Migrationswelle kommen wird, von der 200 Million bis eine Milliarde Menschen betroffen sein werden. Das bedeutet, dass im schlimmsten Fall einer von sieben Menschen weltweit gezwungen sein wird, wegen des Klimawandels in den nächsten 30 Jahren seinen angestammten Wohnort zu verlassen. In den USA ist bereits jetzt ein historischer Andrang an Menschen an der Südgrenze zu verzeichnen, der größtenteils auf verheerende Hurrikane und anhaltende Dürren in El Salvador und Honduras zurückzuführen ist.

Eine massive Abwanderung wird darüber hinaus zum Rückgang der zur Verfügung stehenden Ressourcen beitragen. Ein Beispiel: Es ist möglich, dass Atlanta (Bundesstaat Georgia) bis zum Jahr 2100 eine Viertel Million mehr Einwohner*innen haben wird, die nur aufgrund des steigenden Meeresspiegels in die Stadt getrieben werden. Doch bis dahin könnte Atlanta seine Wasservorräte wegen der Dürren verlieren und von sich verschlimmernden Flächenbränden betroffen sein, die wegen steigender Hitze auftreten.

Und als ob all dies noch nicht schlimm genug wäre, drohen zunehmend bevölkerte Städte in vielen Ländern und eine durch klimabedingte Migration angespannte öffentliche Daseinsvorsorge zu wesentlich dramatischeren Verläufen im Falle künftiger Ausbrüche von Krankheiten zu führen. Wissenschaftler*innen warnen schon jetzt vor viel mehr Todesfällen durch Pandemien in der Zukunft, was sie vor allem mit großflächiger Entwaldung und der Verringerung der Biodiversität in Verbindung bringen.

Eine der erschreckendsten und medial nur wenig beachteten Wahrheiten ist, dass wir uns „wissenschaftlich unbestreitbar“ bereits auf dem Weg in die sechste große Welle des Artensterbens befinden. Eine Million (von sieben bis 10 Millionen existierenden) Gattungen sind unmittelbar vom Aussterben bedroht. 40 Prozent der Pflanzen gelten als vom Aussterben bedroht und bei den Insekten (darunter auch Bestäuber, die bei der Befruchtung und somit bei der Lebensmittelproduktion unverzichtbar sind) ist ein rapider Rückgang festzustellen. Ein Artensterben dieses Ausmaßes wird tiefgreifende und komplexe Konsequenzen für die globalen Ökosysteme haben. Dadurch wird die Erwärmung weiter verstärkt, die Lebensmittelknappheit verschärft, die Luft- und Wasserqualität verringert, Überschwemmungen und Flächenbrände werden an Häufigkeit und Intensität zunehmen und der Gesundheitszustand der Menschen somit noch mehr beeinträchtigt.

Die Kosten der Klimakrise

All diese beängstigenden Folgen des hemmungslosen Verbrauchs fossiler Brennstoffe sind den Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und Unternehmensvorständen seit Jahrzehnten bekannt. Doch als die Wissenschaftler*innen in den frühen 1980er Jahren tatsächlich begannen, Alarm zu schlagen, führte die Deregulierung der Industrie und die globale Expansion unter der Ägide des Neoliberalismus dazu, dass der CO2-Ausstoß auf ein Höchstmaß gesteigert wurde. Die regelrecht schrankenlose Plünderung der Umwelt durch den Kapitalismus im Namen der Profite ist so weit gegangen, dass sie nun zur Bedrohung der eigenen ökonomischen und politischen Sicherheit führt.

Der Kapitalismus hat die Folgen für die Umwelt in die Berechnung seiner Profite nie mit einbezogen. Und das, obwohl es eine Tatsache ist, dass all der Reichtum erst aus den Rohstoffen der Erde und der Arbeit entsteht, die die Arbeiter*innen leisten. Einem kürzlich veröffentlichten Bericht der UNO ist zu entnehmen, dass kein Unternehmen mehr profitabel wäre, würde es die Kosten für den Schaden an der Umwelt übernehmen, den es angerichtet hat. Seit Jahrhunderten schon herrscht ein schwerwiegendes Klima-Problem. Doch unser ökonomisches und politisches System hat diese Tatsache offenkundig ignoriert, weil eine nachhaltige Lebensweise fundamental dem Drang des Kapitalismus entgegensteht, konstant zu expandieren, Kosten zu senken und Profite zu maximieren.

Schätzungen gehen davon aus, dass in Folge klimabedingter Extremwetter-Ereignisse in den letzten 20 Jahren weltweit ökonomische Kosten i.H.v. 2,97 Billionen US-Dollar entstanden sind. Folgt man den extremsten Szenarien zur Erderwärmung, so könnten allein den USA aufgrund von Schäden durch den Klimawandel Kosten i.H.v. 520 Milliarden Dollar jährlich entstehen. Lebensmittel- und Wasserknappheit, zerstörte Infrastruktur, noch schlimmere und mit wesentlich stärkerer Verbreitung auftretende Krankheiten und damit einhergehende Instabilität, der Kollaps der Tourismusbranche und weitere zu erwartende Folgen werden außerordentliche Kosten verursachen.

Die „Internationale Energiebehörde“ (IEA), die die Politik weltweit in Klimafragen berät und die bis dato immer dazu geraten hat, auf fossile Brennstoffe zurückzugreifen, hat diesen Monat einen schockierenden Bericht veröffentlicht, in dem das Ziel definiert wird, die CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zurückzufahren. Das bedeutet demnach, ab dem Jahr 2035 den Verkauf von neuen PKW mit Verbrennungsmotor zu verbieten, bis 2040 sämtliche mit Kohle und Öl betriebenen Anlagen stillzulegen und neue Investitionen in Öl oder Erdgas bereits in diesem Jahr zu unterbinden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Entwicklung von erneuerbaren Energietechnologien auf ein massiv höheres Niveau anzuheben und neue zu schaffen. Um die gigantische Veränderung zu illustrieren, die dazu erforderlich wäre, so wird weiter ausgeführt, müsste für den Bereich der Solarenergie „der zur Zeit weltgrößte Solarpark so gut wie jeden Tag neu in Betrieb“ genommen werden. Dazu wäre bis 2030 eine weltweite Verdreifachung der Investitionen in saubere Energien auf dann rund vier Billionen Dollar nötig.

Leider hat sich die IEA selbst mitschuldig gemacht, indem sie eine globale Wirtschaft aufrecht erhalten hat, deren Grundlage die fossilen Energieträger sind. Wie also, fragt man sich, können wir das Ruder noch herumreißen?

Reaktionen auf internationaler Ebene

Im April hatte Joe Biden zu einem Klimagipfel geladen, an dem die wichtigsten Regierungs- und Staatschef*innen dieser Welt teilgenommen haben. Fast alle von ihnen repräsentieren Länder, die ihre völlig unzulänglichen Zusagen aus dem Pariser Klimaabkommen nicht eingehalten haben. Das hat sie jedoch nicht daran gehindert, sich selbstdarstellerisch an Diskussionen darüber zu beteiligen, wie schlimm doch die Klimakrise sei.

Xi Jinping, der Staatspräsident Chinas, nahm ebenfalls an diesem Gipfeltreffen teil und erneuerte sein Versprechen, vor dem Jahr 2030 die Emmissionen seines Landes herunterzufahren und bis 2060 einen neutralen CO2-Haushalt zu erreichen. Kurz danach ließ allerdings sein Außenminister Wang Yi eine Erklärung veröffentlichen, in der es heißt: „Wenn die Vereinigten Staaten nicht weiter in die inneren Angelegenheiten Chinas eingreifen, dann können wir zu einer angenehmeren Art der Kooperation kommen, die zu mehr Vorteilen für beide Länder und die Welt führen kann“. Bezogen auf das Klima ist die Kooperation Chinas mit Biden im Wesentlichen nur ein Baustein in den allgemeinen Beziehungen beider Staaten. Und diese verschlechtern sich gerade wegen der inner-imperialistischen Rivalität.

Um die Zusage von Xi Jinping zur CO2-Neutralität bis 2060 einzuhalten, müsste China bis dahin 21 Billionen US-Dollar investieren, damit den Brennstoff Kohle nicht mehr Bestandteil des Energiesystems des Landes ist. Zur Erreichung dieses Ziels ist der Bereich der „Öko-Finanzierung“ in China rapide ausgeweitet worden. In den vergangenen fünf Jahren ist dieser Bereich zum zweitgrößten der Welt nach den USA geworden. Das Klima könnte tatsächlich zum wesentlichen Feld werden, auf dem die beiden Länder um die globale Dominanz kämpfen.

In den USA hat Biden einen Vorschlag für ein Infrastrukturpaket im Umfang von 2,25 Billionen Dollar vorgelegt. Damit werden Gelder versprochen, mit denen die Infrastruktur erneuert und klimaunabhängig gemacht, die Wende weg vom Verbrennungsmotor geschafft und die Forschung und Entwicklung von erneuerbaren Energietechnologien etc. beschleunigt werden soll. In seiner Rede, mit der er diesen Plan bekanntgab, erwähnte Biden China sechs Mal und stellte das Ganze als Versuch dar, die Produktion in den USA und die Wirtschaft derart zu gestalten, dass damit der wachsende ökonomische Einfluss Chinas untergraben wird.

Das Wirtschaftsmodell Chinas umfasst ein sehr hohes Maß an staatlicher Intervention. Das hat der herrschenden Klasse des Landes einen gewissen Vorteil verschafft, um die wesentlichen Bereiche auszubauen. Dies vor Augen schlägt Biden nun ein Maß an staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft vor, die es in den USA seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Von einem Teil der Konzernvertreter*innen wird dies akzeptiert, da man erkennt, dass es angesichts des Ausmaßes der Krise die einzige Option darstellt.

Wie sind aber die anderen Länder aufgetreten? Für ärmere Länder, die aufgrund der von der Corona-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise drastisch betroffen sind und in denen es weiterhin zu neuen Ausbrüchen kommt, weil die reichen Länder ihre Impfstoffe zurückhalten, ist es schlicht und ergreifend keine Option, Billionen von Dollar in Programme zur Rettung des Klimas zu stecken.

Bidens Infrastruktur-Paket ist weit davon entfernt, das zu erreichen, was nötig wäre, um der Klimakrise in den USA zu begegnen. Historisch betrachtet ist das Land der größte Produzent von Treibhausgasen weltweit. Und Bidens Versprechungen, 2,5 Milliarden Dollar zur Finanzierung von Klima-Projekten im Ausland bereit zu stellen, ist eine ebenso große Beleidigung wie seine Zusage, 20 Millionen Impfdosen an andere Länder abzugeben. Armen Ländern, von denen viele eine Volkswirtschaft haben, die (wie Nigeria, Venezuela und der Irak) vollständig von herrkömmlichen Energieträgern abhängig sind, wurden mit Beginn des Jahres 2020 Finanzhilfen von 100 Milliarden Dollar jährlich versprochen. Doch dabei handelt es sich nur um ein weiteres Pariser Klimaversprechen, das nicht eingehalten worden ist.

Dass die armen Länder, die als Folge von Imperialismus und Kolonialismus unter einer immensen Schuldenlast zu leiden haben, bei der Bekämpfung der Klimakrise (und aktuell im Kampf gegen die Pandemie) allein gelassen werden, entspricht der mörderischen Logik des Kapitalismus, der auf dem Nationalstaat basiert. Die Herangehensweise an die Klima-Problematik unter dem Motto „America first“ ist zum Scheitern verurteilt und wird nur zur Verstärkung massiver Wanderungswellen führen. Millionen verarmter und arbeitender Menschen aus dem Süden suchen an der Türschwelle der entwickelten kapitalistischen Länder eine sichere Bleibe.

Divergierende Reaktionen der herrschenden Klasse

Schon das reichlich beschränkte Infrastruktur-Paket von Biden steht vor großen Herausforderungen. Die „Demokraten“ werden absolut geschlossen auftreten (somit ihren nach rechts tendierenden Parteikollegen Joe Manchin überzeugen müssen, der mit West Virginia den zweitgrößten Kohleproduzenten unter den US-Bundesstaaten vertritt) und somit auf das Mittel eines speziellen Prozesses namens „budget reconciliation“ zurückgreifen müssen, um das Gesamtpaket in seiner ursprünglichen Fassung durchsetzen zu können. Die „Republikaner“ – und vor allem diejenigen unter ihnen, die von fossilen Brennstoffen abhängige Bundesstaaten wie Texas vertreten, haben bereits signalisiert, heftigen Widerstand dagegen leisten zu wollen.

Die Kostenfrage, die angesichts der Klimakrise zunehmend auf die Tagesordnung kommt, bringt Teile der herrschenden Klasse dazu, über das „Wie weiter?“ nachzudenken. Das hat sich an der Debatte gezeigt, die anlässlich des Infrastruktur-Pakets von Biden begonnen hat. Viele Banken, die seit Jahrzehnten stark in die großen Umweltverschmutzer investiert haben, werden zur Frage der Energiewende wie Bremsklötze auftreten, weil das Abschreiben dieser Investitionen zu herben Verlusten in ihren Bilanzen führen würde.

Allerdings macht sich allmählich sogar unter den Giganten des Finanzkapitals die Erkenntnis breit, dass der Klimawandel unfassbare geldpolitische Risiken mit sich bringt. „BlackRock“, der weltgrößte Vermögensverwalter, geht davon aus, dass der Klimawandel zu einer „fundamentalen Umgestaltung des Finanzsektors“ führen wird. Ähnlicher Gestalt ist das Verhalten von Konzernen wie Amazon, Coca-Cola und Microsoft, die für die nächsten Jahrzehnte schon Zusagen zur CO2-Neutralität abgegeben haben. Für diese Unternehmen stellen die katastrophalen Klima-Szenarien die größte Bedrohung für ihre mittel- und langfristigen Profite dar, was bedeutet, dass sie gewillt sind, umgehend und offensiv zu investieren. Biden wurde durch die Gefahr, den Kalten Krieg gegen China verlieren zu können und in Erwägung ziehen zu müssen, dass der US-Imperialismus global weiter geschwächt wird, dazu gebracht ebenfalls zu handeln.

Im Juni 2020 hat „Goldman Sachs“ angekündigt, dass die Ausgaben für erneuerbare Energien in Kürze die Investitionen in die Gas- und Ölförderung überflügeln werden und dass saubere Energieträger für Investitionsmöglichkeiten bis 2030 i.H.v. 16 Billionen Dollar stehen. Auch wurde auf die steigenden Kosten bei der Förderung fossiler Brennstoffe verwiesen (die umso mehr zunehmen, wenn die Subventionen für fossile Energieträger – wie in Bidens Infrastrukturplan vorgesehen – aufgehoben werden). Das könnte zu höheren Öl- und Gaspreisen führen sowie stärkere Investitionen in die Erneuerbaren in Gang setzen. Es ist möglich, dass wir noch Politiker*innen und Großkonzerne erleben, die sich den erneuerbaren Energien zuwenden, um den völligen Klima-Kollaps zu verhindern und in einen Wachstumsmarkt einzusteigen.

Beklatschen sollten wir solche Unternehmen und Politiker*innen dafür natürlich nicht. Sie haben so lange gewartet bis klar, dass sie ansonsten Geld verlieren. Und wir sollten keine großen Illusionen haben, dass ihre Maßnahmen irgendwie ausreichen würden.

Was nun?

Um diese Krise ganz konkret angehen zu können, ist ein globaler Plan zur vollständigen Neuausrichtung der Energieversorgung nötig, die im kommenden Jahrzehnt zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energieträgern basieren muss. Die Produktion von KFZ mit Verbrennungsmotor muss beendet werden, die Produktion von Elektro-Fahrzeugen ist drastisch auszuweiten und das öffentliche Verkehrsnetz muss massiv ausgebaut werden. Für Flugzeuge, die Eisenbahn und Frachtschiffe steht die Entwicklung alternativer Antriebssysteme an, die Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen muss definitiv aufhören. Wohnraum muss umweltgerecht umgerüstet und klimafest gemacht werden. Um Extremwetter-Phänomenen standzuhalten und angesichts der zu erwartenden Klima-Flüchtlinge müssen neue umweltgerechte Wohnungen gebaut und eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Es muss ein weltumfassendes Aufforstungsprogramm her und unser System der Lebensmittelproduktion muss von Grund auf überholt werden. Großflächige landwirtschaftliche Monokulturen müssen durch lokale biologische Alternativen ersetzt werden. Die Investitionen in bisher noch unbekannte Technologien müssen auf ein historisch hohes Niveau angehoben werden, damit wir neue Unterstützung bekommen im Umgang mit der Krise in den Bereichen der Wasseraufbereitung und -knappheit, der Infektionskrankheiten, der Korallenriffe und des Kollapses bei den Populationen bestäubender Insekten. Es gibt noch etliche weitere Aufgaben, die hier nicht alle aufgezählt werden können.

Trotz sich verändernder Herangehensweise, die innerhalb der herrschenden Klasse festzustellen ist, wird sich deren Ansatz um einiges zu langsam verändern. Der Grund dafür ist die Logik des Kapitalismus. Inner-imperialistische Rivalitäten führen dazu, dass Länder klimagerechte Technologien in Konkurrenz zueinander entwickeln und patentieren, anstatt zu einer Zusammenarbeit zu kommen, die Voraussetzung für eine rasche Produktion und den notwendigen Austausch an den besten Innovationen wäre. Und die armen Länder werden wieder einmal zurückgelassen. Konzerne werden ihre Profite weiterhin an den Finanzmärkten investieren, anstatt ihre Produktionspotentiale in die Richtung auszuweiten, die die Menschheit braucht. Die im Einklang mit den fossilen Energieträgern stehenden Interessen, die Agrarindustrie, weitere große Umweltsünder und die ihnen gegenüber loyal eingestellten Politiker*innen werden sich mit aller Heftigkeit dafür einsetzen, die Wende in eine nachhaltige Zukunft zu blockieren. Auch wenn wir global zunehmend mehr an staatlicher Intervention feststellen können, so werden die Niveaus, die zur Milderung einer Engpass-Lage nötig wären, mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht erreicht. Dasselbe gilt für das Tempo, das an den Tag gelegt werden müsste, auf diese Weise aber bestimmt nicht geschafft wird.

Deshalb müssen wir die Dinge in die eigene Hand nehmen. Es waren die Massenproteste gegen den Klimawandel, die dazu geführt haben, dass das Thema überhaupt auf der Agenda gelandet ist. Und wir müssen alles dafür tun, um diese Bewegung drastisch auszuweiten. Sobald die Schulen nach den Sommerferien wieder aufmachen, sollten Schulstreiks geplant und koordiniert werden. Bestandteil dieser Planung sollte sein, immer mehr Schüler*innen, Lehrer*innen und das gesamte Schulpersonal mit einzubeziehen. Die von den jungen Leuten angeführte Bewegung muss auch dringend den Bezug zur gesamten Arbeiter*innenklasse herstellen. Kurzfristig kann das so aussehen, dass streikende Schüler*innen sich mit Aufrufen an Gewerkschaftsgliederungen vor Ort richten, um sie zur Teilnahme an Demonstrationen und Aktionstagen einzuladen.

Entscheidend wird die Einbeziehung von Beschäftigten der klimaschädlichen Branchen sein. Unmittelbar arbeiten zehn Millionen Menschen weltweit direkt für die fossile Brennstoff-Industrie. Zahlreiche weitere Arbeiter*innen hängen mit ihren Arbeitsplätzen von diesen und anderen höchst umweltschädlichen Industriezweigen ab. Um eine ausreichend starke Bewegung mit genügend politischer und ökonomischer Macht aufzubauen, müssen die Forderungen, die das Klima und die Umwelt betreffen, mit Forderungen verknüpft werden, diese Arbeiter*innen ohne Lohneinbußen oder Verlust an sonstigen Leistungen und mit der Garantie über hohe Löhne und gewerkschaftliche Vertretung in neue nachhaltige Arbeitsfelder zu übernehmen.

Mit dieser Art des organizing sind entscheidende Erfolge zur Ausweitung der erneuerbaren Energien, für ein Aufforstungsprogramm und den generellen Schutz der Ressourcen möglich. Auf diese Weise können wir Zeit gewinnen. Entscheidend wird allerdings sein, diese Auseinandersetzungen wieder und wieder und mit massenhafter Beteiligung zu führen, um die vielschichtigen und komplexen Dynamiken der Klimakrise angehen zu können, die auf ein System zurückzuführen sind, das auf der Ausbeutung von Arbeitskräften und unserer Erde basiert.

Auf langfristige Sicht besteht die Lösung der Klimakrise in der Tat darin, die Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage komplett neu zu strukturieren. Das kann nur von der internationalen Arbeiterklasse geleistet werden, die sich in eine mächtige Auseinandersetzung begeben und den Kampf gegen das kapitalistische System führen muss.

Soll die Klimakrise im nötigen Zeitrahmen abgeschwächt werden, dann muss das System beendet werden, das sich an der Profitmaximierung orientiert. Es muss ersetzt werden durch eine demokratisch geplante Wirtschaft, die von den Beschäftigten selbst verwaltet wird. Das bedeutet, die Energiebranche, das Transportwesen, Schlüsselbreiche der Produktion und die Finanzwirtschaft vollständig in öffentliches Eigentum zu überführen. Auf dieser Basis ist es möglich, Millionen von Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen, die dann beim Aufbau einer umweltgerechten Wirtschaft mithelfen können. Der von den umweltschädlichen Industrien angehäufte Reichtum steht somit für umweltgerechte und gesellschaftlich produktive Projekte zur Verfügung. Wissenschaftliche Innovation würde als globales Gemeinschaftsprojekt auf ganz neue Füße gestellt und nicht mehr Mittel nationalstaatlicher Konkurrenz sein. Statt Profite für wenige zu erzeugen würde die gesamte wirtschaftliche Aktivität darauf ausgerichtet sein, den Bedürfnissen aller Menschen der Welt zu entsprechen. Dazu zählt auch der Kampf zur Eindämmung der Klimakrise.

In dieser Gesellschaft haben Entscheidungen auf wirtschaftlicher Ebene notwendigerweise Folgen für die Menschen und die Umwelt. Auf dieser Grundlage wahrhaft demokratisch organisierter Wirtschaftsabläufe sind wir in der Lage, schnell Entscheidungen darüber zu treffen, wie die Ressourcen der Gesellschaft eingesetzt werden sollen, und alles daran zu setzen, die ganze Macht der internationalen Arbeiterklasse zu vereinen, um die Klimakrise von Grund auf anzugehen. Wollen wir diese Gesellschaft übernehmen, dann ist dazu der größte vereinte Kampf der internationalen Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus nötig, den es je gegeben hat. Auch wenn diese Aufgabe riesig ist, so hängt doch die Zukunft der Menschheit von ihr ab.

Foto: UO Power Shift 09, flickr. CC-BY-SA