Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Krise der LINKEN vertieft

Die CDU hat mit 37% stark abgeschnitten, die AfD verliert leicht auf hohem Niveau und bleibt zweitstärkste Kraft, die LINKE verliert deutlich und führt mit 11% die Riege der kleinen Parteien an. 40% der Wähler*innen nehmen nicht an der Wahl teil.

Von Claus Ludwig, Köln

Die Union unter Ministerpräsident Haseloff profitierte vom Phänomen “egal, nur nicht die AfD”, welches bereits bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen auftrat. Es gab jeweils einen Zustrom zur Partei des Ministerpräsidenten, um den Aufstieg der AfD zu stoppen. In Thüringen siegte die LINKE mit Bodo Ramelow, in Brandenburg sogar die SPD, in Sachsen und Sachsen-Anhalt die CDU.

Die AfD ist klar nach rechts gerückt. Die Orientierung auf Corona-Leugner*innen hat ihr bundesweites Potenzial in der Phase der Lockerungen und sinkenden Infektionszahlen begrenzt. In ihren Hochburgen schadet ihr das nur wenig, sie bleibt zweitstärkste Partei im Osten und kommt in Sachsen-Anhalt auf 20%.

Tschüss SPD

Dass die SPD nach dem Einbruch bei der Wahl 2016 noch weiter verlieren konnte, schien kaum möglich. Doch diese Partei hat im Osten weder eine Tradition noch kann sie Schichten jüngerer Wähler*innen erreichen. In Sachsen-Anhalt erhielt sie bei Wähler*innen unter 25 Jahren 6% und landete abgeschlagen auf dem sechsten Platz, selbst FDP und LINKE erzielten in dieser Altersgruppe doppelt so hohe Anteile.

Für die Grünen ist die Wahl in Sachsen-Anhalt ein unangenehmer Dämpfer. Die Bundesländer driften auseinander und Sachsen-Anhalt ist strukturell ein schwieriges Terrain für die Partei. Insofern wird die Bundestagswahl anders aussehen. Aber zumindest eine deutliche Steigerung seit der Wahl 2016 wäre nötig gewesen, um gut in die Wahlkampagne für den Herbst starten zu können. Mit dem Vorschlag, den Benzinpreis zu erhöhen, gerade in der spätpandemischen Phase, in der die Preise ohnehin anziehen, haben sich die Grünen im ÖPNV-unterversorgten Pendler*innenland Sachsen-Anhalt die Grube selbst gegraben.

Linke verliert Richtung CDU

Für die LINKE ist das Ergebnis eine “krachende Niederlage”, so die Co-Vorsitzende Henning-Wellsow. Sie verliert mit über fünf Prozentpunkten mehr als die anderen Parteien, obwohl schon das Ergebnis 2016 niedrig war. Sie erzielt 116.000 Stimmen und damit 11% der Zweitstimmen. Die älteren Schichten, welche die Partei als Interessenvertretung der Ostdeutschen nach der Einigung gewählt haben, sterben buchstäblich aus, 21.000 Wähler*innen verlor die LINKE dadurch. Die Partei schrumpft auch in der Mitgliedschaft mit hoher Geschwindigkeit. Ende 2010 gab es noch 5427 Mitglieder in Sachsen-Anhalt, Ende 2020 hat sich diese Zahl auf 3192 fast halbiert.

Eine neue Basis hat die Partei nicht aufgebaut. Sie wird als Teil des Establishments gesehen. Die Menschen, die wütend oder enttäuscht sind, die kämpfen wollen, können nichts mit ihr anfangen. Die Slogans auf Wahlplakaten sind größtenteils inhaltsleer oder zum Fremdschämen. 2016 bezeichnete sich der damalige Spitzenkandidat Wulf Gallert als “Frauenversteher”, “Brückenbauer” und “Wirtschaftskenner”. 2021 demonstrierte die Parteiführung mit “Besser. Die LINKE.” neben einem Foto von Spitzenkandidatin Eva von Angern, dass sie innerlich leer ist. Rund 20.000 ehemalige LINKE-Wähler*innen sind der Wahl ferngeblieben. 

Seit vielen Jahren präsentiert sich die LINKE in Sachsen-Anhalt als Regierung im Wartestand, als brave, leise Partei, welche keine Alternativen zu den Regierenden bietet. Sie verschont die bürgerlichen Parteien mit Kritik und trägt deren Erzählung mit, die AfD wäre das Hauptproblem und nicht die unsoziale Politik der Etablierten. Viele Wähler*innen haben dies konsequent zu Ende gedacht und mit der CDU die Partei gewählt, von der sie meinen, sie würde am Ehesten die AfD begrenzen. Die LINKE verlor 18.000 Stimmen an die Union, so viel wie an keine andere Partei. 

Das Simulieren von Regierungsfähigkeit ist umso fruchtloser, weil eine Ablösung der CDU durch ein Bündnis aus SPD, Grünen und LINKEN rechnerisch nicht möglich war, von den politischen Komplikationen ganz zu schweigen. 

Die LINKE wird aus diesem Tief nur herauskommen, wenn sie sich als widerständige Kraft gegen das Establishment aufstellt und eine radikal andere Politik vertritt. Sie wird nur dann als eigenständige antifaschistische Kraft wahrgenommen werden, wenn sie klar gegen die AfD auftritt, sich aber ebenso von den etablierten Parteien abgrenzt, deren Politik den Boden geschaffen hat, auf dem die Rechtspopulist*innen gedeihen können. Sie muss für die ökologische Wende eintreten und auf die Halbheiten der Grünen verweisen, aber gleichzeitig deutlich machen, dass nicht die Arbeiter*innenklasse, sondern die Reichen für diese Wende zahlen müssen.

Die tiefe soziale Spaltung wird durch das Wahlverhalten nicht widergespiegelt, sondern durch “Werte” überlagert. Lohnabhängige wählten CDU, um die AfD zu stoppen oder AfD, wenn sie den sozialen Niedergang fürchten oder die rassistische Propaganda glauben. Sie wählten grün, wenn sie die Klimafrage für entscheidend halten. Viele wählten gar nicht. Die LINKE muss wieder einen Zugriff auf die Klassenfrage bekommen. Das geht nicht mit der Methode Wagenknecht, die den “Sozialstaat” der 1960er Jahre beschwört und soziale Bewegungen ausblendet oder für schädlich erklärt, sondern nur mit einer verbindenden Klassenpolitik gegen alle Formen von Unterdrückung und Ausbeutung. 

Bundestagswahl

Ein Wiederaufbau einer klar linken, sozialistischen Partei gerade in den ostdeutschen Bundesländern passiert nicht von heute auf morgen, muss aber sofort begonnen werden. Die Partei muss alle Gedanken an Regieren oder Mitmachen in der “großen Politik” beiseite drängen und sich neu aufstellen als Partei, welche jeden Ansatz für Bewegung und Widerstand von unten unterstützt und dies mit einer antikapitalistischen Stoßrichtung verbindet.

Angesichts der starken Tendenz in den Fraktionen und Apparaten, die LINKE auf eine Rolle als parlamentarische Ergänzungspartei der Kapitalismusverwaltung zu bergrenzen, wird das nur funktionieren, wenn ein organisierter linker Flügel, mit der AKL (Antikapitalistische Linke) als inhaltliches Rückgrat, aufgebaut wird.

Mit dem Fraktionsvorsitzenden Bartsch vertritt die LINKE bundesweit eine ähnlich autoaggressive Haltung des Möchtegern-Staatsmännischen, zerstörerisch ergänzt durch die Attacken Sahra Wagenknechts gegen antirassistische und feministische Positionen und Spektakeln wie im Saarland, wo sich die Partei entlang persönlicher Seilschaften zu zerlegen scheint.

In den westlichen Großstädten hat die LINKE Fortschritte gemacht und hat ein Potenzial von 7-10%, doch in der Fläche im Westen erzielt sie eher 3-5%. Wenn sie sich im Osten lediglich um 10-12% einpendelt, gerät der Einzug in den Bundestag in Gefahr.

Viele Mitglieder antworten auf diese Krise mit einem “Jetzt erst recht!” und planen einen aktiven Wahlkampf. Doch Fleiß allein reicht nicht als Antwort auf die vielen desorientierten Elemente in der Führung. Wir können rund um die Uhr Plakate kleben und flyern, eine einzige mediale Aktion von Wagenknecht kann uns meilenweit zurückwerfen. Aktiver Wahlkampf ist gut, aber die Mitglieder müssen sich daran machen, für eine grundlegend andere Partei zu kämpfen, bevor diese sich selbst überflüssig macht.