Daimler Marienfelde: Tod auf Raten?

Trotz saftiger Gewinne auch im Corona-Krisenjahr 2020 (zwei Milliarden Euro allein im 3. Quartal) plant der Vorstand von Daimler Massenentlassungen. Es ist von drei Milliarden Euro Einsparungen sowie 20.000 Beschäftigten in Deutschland und 10.000 weiteren weltweit die Rede, deren Stellen abgebaut werden sollen – auch, um bei der Umstrukturierung der Produktion auf Elektroautos mit weniger Arbeitskräften noch höhere Gewinne zu machen. In Berlin-Marienfelde soll die komplette Verbrennungsmotor-Produktion eingestellt und das Südwerk verkauft werden, wodurch von den aktuell 2500 Arbeitsplätzen über 2000 verloren gehen würden.

Von Johannes von Simons, Berlin

Angesichts dieses Horroszenarios nützt es den Kolleginnen und Kollegen in Berlin, Stuttgart, Hamburg und allen anderen Daimler-Standorten nichts, dass der Konzern bis zu 70 Milliarden Euro in die Weiterentwicklung der Elektromotortechnologie stecken will. Wenn der Arbeitsplatz erst einmal weg ist, gibt es kein zurück, und auch die höchste Abfindung ist nach ein paar Jahren aufgebraucht.

Darum gibt es seit September, als die verschärften Kürzungspläne erstmals bekannt wurden, Widerstand in vielen Daimler-Werken. Schon Anfang Oktober wurde in Mettingen ein Parkhaus besetzt, und in Berlin-Marienfelde wurde erstmals Anfang November protestiert: Kolleg*innen der Alternative-Gruppe riefen auf, zum Schichtwechsel vor dem Werkstor zu diskutieren und den Protest so sichtbar zu machen.

Die Berliner IG Metall musste auf diesen Druck von unten reagieren und organisierte am 12. November einen Protest während der Mittagspause, an dem sich fast alle Kolleg*innen der Frühschicht beteiligten. Die nächste IGM-Aktion wurde leider erst einen Monat später durchgeführt, war aber ein großer Erfolg. Bei der Demo durch Marienfelde am 9. Dezember waren fast alle 2500 Beschäftigten des Werks dabei.

Kampf um jeden Arbeitsplatz

Bei Daimler Marienfelde wurden, wie auch in den anderen Werken, in den letzten zehn Jahren „Zukunftssicherungsvereinbarungen“ abgeschlossen, die de facto unbezahlte Mehrarbeit brachten und sich letztendlich als gezielte Lüge der Geschäftsführung erwiesen. Statt sich auf weitere Vereinbarungen einzulassen, sollten die Kolleg*innen entschlossen um ihre Arbeitsplätze kämpfen und der Scheinlösung hoher Abfindungen widersprechen. Nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch wegen der jüngeren und „mittelalten“ Kolleg*innen.

Wir schließen uns der Einschätzung der VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) aus dem Flugblatt zur Metall-Tarifrunde 2021 an:

„Außerdem braucht es in den Vertrauenskörpern Diskussionen um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und Umverteilung der Arbeit auf alle, ebenso über die Entwicklung von neuen Verkehrskonzepten MIT und DURCH die Beschäftigten für eine wirkliche zukunftsfähige Verkehrspolitik. Wenn der Daimler-Vorstand nicht von Schließungsplänen und Entlassungen abrücken will, dann sollte sich die IG Metall auf ihre in der Satzung §2.4 formulierte Zielsetzung ,Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt-und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmen in Gemeineigentum’ zurückbesinnen. Das heißt konkret, die Eigentumsfrage aufzuwerfen und die Überführung der von Verlagerung, Schließung und Teilschließung betroffenen Daimler-Produktionsstandorte in Gemeineigentum zu fordern, mit der Maßgabe des Erhalts aller Arbeitsplätze und der Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich notwendige und sinnvolle Güter, wie den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder auch anderer wichtiger Produkte aus dem medizinischen Bereich, z.B. Beatmungsgeräte.“

VKG Flugblatt zur Metall-Tarifrunde 2021