Gegen das Sterben in den Pflegeheimen!

Zu späte Schutzmaßnahmen für Bewohner*innen

Der bundesweite Impfstart gegen das Corona-Virus und der darauf hoffentlich folgende Rückgang der Todeszahlen darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie viele vor allem ältere Menschen die katastrophalen Versäumnisse der Politik bereits mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Von Julia Blum, Beschäftigte in einem Pflegeheim

Die Hessenschau meldete am 20.11.20 „Wohnen im Altenheim ist derzeit der größte Risikofaktor für einen Tod durch oder mit Covid-19.“ RBB24 fasste am 16.12.20 für Berlin zusammen, dass mehr als jeder zweite nachgewiesene Todesfall Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen betrifft. Der Kölner Stadtanzeiger informierte am 14. Januar, dass ca. 70% der Kölner Covid-Toten zuvor in Pflegeheimen gelebt hatten.

Ansteigendes Todesrisiko

Laut Robert-Koch Institut (RKI) sind die hohen bundesweiten Fallzahlen auf zumeist diffuses Infektionsgeschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen zurückzuführen. Während die zu der Zeit des Berichtes aktuelle allgemeine 7-Tage-Inzidenz bei 132/100.000 lag, lag sie für die Altersgruppe der über 80-jährigen bei 282/100.000.

Von allen Verstorbenen waren 42.287 (89%) Personen über 70 Jahre alt, obwohl diese Altersgruppe nur 15% der Gesamtzahl der übermittelten COVID-19-Fällen ausmacht. Dieses erhöhte Sterberisiko für ältere Menschen ist nicht erst seit gestern bekannt. Das RKI meldete bereits am 26. März 2020, dass 78% der Todesfälle ein Alter von 70 Jahren oder älter aufwiesen. Am 4. April 2020 meldete das RKI zum ersten Mal Häufungen von Berichten über COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten-und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern.

Viele werden sich noch erinnern, dass am Anfang der Pandemie die Beschaffung von ausreichender Schutzausrüstung für Pflegepersonal ein großes Problem war, obwohl dem Bundestag zum Beispiel 2013 eine Risikoeinschätzung genau für einen derartigen Pandemie-Fall mit einem Coronavirus vorlag, in der nicht nur darauf hingewiesen wurde, dass unter anderem Schutzausrüstung in einem solchen Fall knapp werden könnte.

Während im Sommer Millionen Reiserückkehrer*innen kostenlos getestet wurden, bestand diese Möglichkeit der vorsorglichen Testung für Beschäftigte in Alten- und Pflegeheimen nicht beziehungsweise nur nach Anordnung des örtlichen Gesundheitsamtes, die aber meist erst im Rahmen eines Ausbruches erfolgte.

Erst im Oktober wurde die bundesweite Testverordnung dahingehend geändert, dass in Alten- und Pflegeheimen zumindest Antigen-Schnelltests regelmäßig durchgeführt werden sollten. Aber Papier ist geduldig. Schnell klagten die Heimbetreiber, dass sie für die Durchführung der Tests gar nicht genug Personal hätten, so dass die tatsächliche Umsetzung auf sich warten ließ.

Gesellschaftliche Pandemieplanung

Die Beschäftigten, Besucher*innen und Bewohner*innen in den Pflegeheimen müssten täglich getestet werden. Der Beruf muss deutlich besser bezahlt werden, um mehr Personal zu gewinnen. Das hätte mit dem Beginn der Pandemie erfolgen müssen, dann wäre die Lage heute weit besser. Eine bedarfsgerechte Personalbemessung, die es auch erlaubt, dass Kolleg*innen sich krank melden oder bei Verdacht sofort in Quarantäne gehen, wäre nötig, um ein Pflegeheim zu betreiben. 

Die Pflege wird heute dominiert von den Profitinteressen der privaten Heimbetreiber*innen und den knappen öffentlichen Kassen. Mit einer menschenwürdigen und pandemieresistenten Ausstattung der Heime lässt sich kein Geld verdienen. Die Pflege alter Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche, staatliche Aufgabe. Die Heime gehören in öffentliches Eigentum, demokratisch kontrolliert von den Beschäftigten und den Bewohner*innen, gemeinsam mit den Gesundheitsämtern. Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie könnten auf dieser Grundlage schnell und unbürokratisch umgesetzt werden, ohne Rücksicht auf die Interessen privater Geschäftemacher*innen.